Zurück zur Übersicht
27.02.2013
Thema des Monats

BFH: Übertragung von Vorsorgekapital eines Grenzgängers zwischen schweizerischen Versorgungseinrichtungen – Beschluss vom 13.11.2012

Die Problematik der Besteuerung von Leistungen in oder Leistungen aus schweizerischen Versorgungseinrichtungen in Deutschland betrifft vor allem die Grenzgänger in die Schweiz, d.h., diejenigen Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und auch aus steuerlicher Sicht ansässig sind, in der Schweiz arbeiten und regelmäßig an ihren deutschen Wohnsitz zurückkehren. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zu dieser Thematik in einem aktuellen Beschluss vom 13.11.2012 (Az. VI R 20/10) entschieden, dass die Übertragung von Vorsorgekapital, das zugunsten eines Grenzgängers bei einer schweizerischen Vorsorgeeinrichtung durch als Arbeitslohn zu qualifizierende Arbeitgeberbeiträge gebildet wurde, auf eine andere schweizerische Vorsorgeeinrichtung nicht (erneut) zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt.

Aufgrund der steuerlichen Relevanz des Themas der Leistungen in oder aus schweizerischen Versorgungseinrichtungen stellen wir in Zusammenhang mit dieser aktuellen Rechtsprechung zunächst in einem allgemeinen Überblick das System der Altersvorsorge in der Schweiz dar und zeigen sodann die steuerlichen Folgen von Zahlungen in bzw. aus einer schweizerischen Versorgungseinrichtungen, insbesondere der schweizerischen Pensionskasse, in Deutschland auf.

1. Altersvorsorgesystem in der Schweiz

Das schweizerische Altersvorsorgesystem basiert auf einem „Drei-Säulen-Modell“:

a. 1. Säule

Die erste Säule wird maßgeblich gebildet durch die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), ein staatliches Altersrentensystem, das von allen erwerbsfähigen Personen im Umlageverfahren sowie vom Bund und den Kantonen finanziert wird. Aus der AHV werden neben den Altersrenten u.a. auch Beiträge für Behinderte und Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, bezahlt. Ergänzt wird die AHV durch die Invalidenversicherung (IV) und die sog. Ergänzungsleistungen (EL). Die erste Säule ist für die gesamte Bevölkerung verpflichtend, d.h. neben Arbeitnehmern auch für Selbständige und Nichterwerbstätige und dient der Existenzsicherung. Beitragspflichtig sind grundsätzlich alle in der Schweiz wohnhaften oder erwerbstätigen Personen. Im Falle der nichtselbständigen Tätigkeit müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge je zur Hälfte einbezahlen.

b. 2. Säule

Die zweite Säule ist die berufliche Vorsorge durch die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), die sog. Pensionskasse, welche für Arbeitnehmer ab der Vollendung des 17. Lebensjahres und ab einem bestimmten Einkommen ebenfalls obligatorisch ist. Im Gegensatz zur ersten Säule wird die Pensionskasse durch das Kapitaldeckungsverfahren finanziert; d.h., die Arbeitnehmer finanzieren die Leistungen selbst. Die Beiträge werden regelmäßig durch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen bezahlt. Zur zweiten Säule zählt zudem die sog. überobligatorische Vorsorge. Hierbei werden Leistungen versichert, die die Höchstbeträge des BVG übersteigen. Die Erträge aus den ersten beiden Säulen sollen eine Rente von 60% des letzten Einkommens (bzw. 75% für Verheiratetet) vor der Pensionierung garantieren.

c. 3. Säule

Als Ergänzung zur staatlichen (erste Säule) und beruflichen Vorsorge (zweite Säule) gibt es die Möglichkeit der – freiwilligen – persönlichen Vorsorge (dritte Säule) durch z.B. Kapitallebensversicherungen, Sparkonten und Investmentfonds. Diese wird vom Bund und von den Kantonen mit Steuervergünstigungen gefördert und dient dazu, den individuellen Lebensstandard abzusichern und eventuelle Einkommenslücken zu füllen, die durch die beiden ersten Säulen entstehen. Sie finanziert sich ebenfalls im Kapitaldeckungsverfahren. Für Grenzgänger in die Schweiz spielt diese Art der Vorsorge jedoch keine große Rolle, da auf deutscher Seite vergleichbare Steuersparanreize fehlen. Aus diesem Grund und aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten ist die dritte Säule nicht Gegenstand unserer folgenden steuerlichen Erläuterungen.

2. Steuerliche Behandlung von Leistungen in oder aus schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland

a. 1. Säule

Nach den Vorschriften des zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens werden die Einkünfte von Grenzgängern aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat besteuert. Zur Besteuerung der Leistungen in oder aus schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen und hierbei insbesondere in oder aus den sog. Pensionskassen hat die deutsche Finanzverwaltung ((OFD Karlsruhe, Verfügung vom 03.09.2007, Gz. S 2255 A – St. 131) bereits umfassend Stellung genommen. Hiernach gilt für die Besteuerung in Deutschland folgendes:

Die Arbeitgeberbeträge zur AHV/IV werden aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung gezahlt und sind daher grundsätzlich steuerfrei. Die Arbeitnehmerbeiträge (und ein etwaiger nicht steuerfrei gestellter Teil der Arbeitgeberbeiträge) sind als Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Basisversorgung als Sonderausgaben abzugsfähig. Die Rentenzahlungen aus der AHV/IV nach Eintritt des Versorgungsfalles sind wie Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich mit dem Besteuerungsanteil als sonstige Einkünfte zu besteuern (z.B. bei Rentenbeginn bis einschließlich 2005 mit einem Besteuerungsanteil von 50%, bei Rentenbeginn im Jahr 2006 von 52%, im Jahr 2007 von 54% usw.).

b. 2. Säule

Auch die Schweizer Pensionskassen sind nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung „wie“ eine deutsche gesetzliche Rentenversicherung zu behandeln, da die Arbeitnehmer verpflichtet sind, Beiträge in diese einzubezahlen. Dies gilt sowohl für die obligatorische, als auch für die überobligatorische Absicherung. Das hat zur Folge, dass hier ebenfalls grundsätzlich die Arbeitgeberbeiträge steuerfrei belassen werden. Die Arbeitnehmerbeiträge und ein etwaiger nicht steuerfrei gestellter Teil der Arbeitgeberbeiträge können als Sonderausgaben in Abzug gebracht werden. In der Auszahlungsphase werden die Rentenzahlungen aus der Pensionskasse ebenfalls grundsätzlich mit dem maßgeblichen Besteuerungsanteil angesetzt. Auf Antrag wird für Grenzgänger, die ihre Tätigkeit in der Schweiz vor dem 01.01.1995 aufgenommen haben, ein günstigerer Ertragsanteil auf Leibrenten und andere Leistungen angewandt, sofern diese Zahlungen auf bis zum 31.04.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, die den Höchstbetrag zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragsbemessungsgrenze) überschritten haben (sog. Öffnungsklausel). Hierbei muss nachgewiesen werden, dass der Betrag des Höchstbeitrags zur deutschen Rentenversicherung mindestens zehn Jahre überschritten wurde.

Nach dem Eintritt des Versorgungsfalles, bei sog. Vorbezug (d.h., die vorzeitige Auszahlung von Kapital für die Finanzierung von Wohneigentum) oder bei vorübergehendem oder endgültigem Verlassen der Schweiz haben Grenzgänger nach schweizerischem Recht die Möglichkeit, das Guthaben aus der Schweizer Pensionskasse als Einmalkapitalauszahlung zu erhalten (sog. Freizügigkeitsleistung). Hierbei erfolgt die Auszahlung regelmäßig nicht direkt von der Pensionskasse an den Grenzgänger, sondern das Guthaben wird zunächst auf eine Freizügigkeitseinrichtung (in der Regel ein bei einer Versicherung, Bank oder Stiftung geführtes Konto gezahlt). Auszahlungen an den Grenzgänger sind jedoch nur unter bestimmten, im BVG genannten Gründen möglich; d.h., der Grenzgänger kann über das Guthaben nicht nach Belieben verfügen. Sind die Voraussetzungen für eine Auszahlung nicht erfüllt, oder stellt der Grenzgänger keinen Antrag auf Barauszahlung, wird das Guthaben bei Erreichen der Altersgrenze in Forme einer Rente oder einer Einmalkapitalauszahlung ausbezahlt.

Kapitalisierten Einmalzahlungen sind neben den Leibrenten als „andere Leistungen“ grundsätzlich steuerpflichtig. Sie werden wie die laufenden (Renten-)Zahlungen mit dem Besteuerungsanteil besteuert (evtl. findet die Öffnungsklausel Anwendung). Vom Grundsatz her erfolgt eine Besteuerung der Einmalauszahlung, sobald der Steuerpflichtige über das Guthaben (wirtschaftlich) verfügt hat:

  • Sofern der Grenzgänger gegenüber der Pensionskasse bzw. dem Verwahrer des Freizügigkeitskontos seinen Anspruch auf Barauszahlung geltend macht, liegt nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ein Zufluss von steuerpflichtigen Einkünften vor, (auch dann, wenn er den Betrag auf dem Freizügigkeitskonto belässt, weil er aufgrund der Auszahlungsmitteilung wirtschaftlich über das Guthaben verfügt hat). 
  • Sofern keine erneute Arbeitsaufnahme in der Schweiz erfolgt und der Steuerpflichtige nicht mitteilt, was mit dem Vorsorgeguthaben geschehen soll, bleibt dieses bis zum Eintritt des Rentenfalles in der Freizügigkeitseinrichtung. Eine Besteuerung erst mit der späteren Auszahlung der Rentenbeträge oder einer Einmalauszahlung statt. 
  • Wird bei einer erneuten Arbeitsaufnahme in der Schweiz das Guthaben direkt von der alten Pensionskasse in die neue Pensionskasse eingezahlt, führt die Übertragung des Guthabens – auch im Fall eines Zwischenparkens auf einem Freizügigkeitskonto – nicht zu einem Zufluss von steuerpflichtigen Einkünften in Deutschland. 
  • Verwendet der Steuerpflichtige das Auszahlungsguthaben dergestalt, dass er den Auszahlungsbetrag zeitnah in eine Einrichtung der deutschen sog. Basisversorgung (z.B. in ein berufsständisches Versorgungswerk) einbezahlt, kann eine Besteuerung des Auszahlungsguthaben nach Auffassung der Finanzverwaltung auf Antrag im Billigkeitswege unterbleiben.

3. Beschluss des BFH vom 13.11.2012

Auch der Beschluss des BFH vom 13.11.2012 hatte die Übertragung von für einen deutschen Grenzgänger bei einer Schweizer Pensionskasse bestehendem Vorsorgekapital auf ein Freizügigkeitskonto bei einer anderen schweizerischen Versorgungseinrichtung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand.

In dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Fall hatte der Grenzgänger aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung des für ihn bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung bestehenden Kapitals (sog. Freizügigkeitsleistung). Da der Grenzgänger infolge eines Arbeitgeberwechsels zu einer neuen, ebenfalls dem schweizerischen Recht unterliegenden Vorsorgeeinrichtung wechselte, war die bisherige Versorgungseinrichtung gesetzlich zur Übertragung des Vorsorgekapitals auf die neue Vorsorgeeinrichtung verpflichtet. Der Arbeitnehmer hatte weder Anspruch auf Barauszahlung des Vorsorgekapitals noch einen solchen auf Erwerb von Wohneigentum, ihm war auch die Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen im Zusammenhang mit diesem Vorsorgekapital nicht möglich. Nach Auffassung des BFH führte die Übertragung daher nicht zu einem Zufluss von steuerpflichtigen Einkünften: Zum einen bestätigte der BFH seine bisherige Rechtsprechung, dass die Erbringung von Versicherungsleistungen selbst nicht erneut zu Arbeitslohn führen kann, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem Arbeitnehmer durch Arbeitgeberbeiträge zu seiner Zukunftssicherung ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung zusteht und diese Beiträge deshalb bereits Arbeitslohn im Sinne des deutschen Einkommensteuerrechts sind. Zum anderen hat der BFH auch den Zufluss möglicher anderer Einkünfte verneint, da der Grenzgänger in diesem Fall aufgrund der fehlenden Wahlmöglichkeit, eine Auszahlung verlangen zu können, keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Vorsorgeguthaben hatte.

Nicht nur für Grenzgänger ist die steuerliche Behandlung von Leistungen in oder aus schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland relevant. Auch der „normale“ Arbeitnehmer, der für einen gewissen Zeitraum in die Schweiz entsandt wird und dort während seiner Entsendung in die zweite Säule des schweizerischen Altersvorsorgesystems einzahlt, wird mit dieser Thematik konfrontiert. Da die (sowohl von der Finanzverwaltung als auch vom BFH für die Grenzgänger aufgestellten und oben erläuterten) Grundsätze zur Besteuerung von Leistungen in oder aus schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen in Deutschland auf den allgemeinen Regeln über den Zufluss von steuerpflichtigen Einkünften basieren, sind diese unseres Erachtens entsprechend auch auf den Entsendungsfall anzuwenden.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 13.11.2012, VI R 20/10

Ihr Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
Tel.:

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
Tel.:

Ihr Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
Tel.:

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
Tel.:

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.