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28.11.2016
Thema des Monats

Brexit – Auswirkungen auf internationale Mitarbeitereinsätze: Arbeitnehmerbesteuerung

Handlungsbedarf
Der von den britischen Wählern geforderte Austritt Großbritanniens aus der EU hinterlässt bei international tätigen Arbeitnehmern viele Fragezeichen. Von den Änderungen, die sich durch den Brexit ergeben können, sind vor allem Geschäftsreisende oder Entsendete aus oder nach Großbritannien betroffen. Bei Rechtsgebieten, bei denen vorteilhafte Rechtsfolgen für Arbeitnehmer zum Beispiel an eine EU-Staatsbürgerschaft geknüpft sind, können sich gravierende Nachteile ergeben. Betroffen sind dabei insbesondere das Steuer-, Sozialversicherungs- und Aufenthaltsrecht. Es dauert wohl noch Jahre, bis die Austrittsverhandlungen abgeschlossen sind und damit Klarheit über die genauen rechtlichen Folgen besteht. Jedoch erwarten viele Mitarbeiter bereits jetzt von ihren Arbeitgebern über mögliche Konsequenzen und Handlungsspielräume aufgeklärt zu werden.

Ausgangslage
Durch das Referendum am 23.06.2016 haben sich die britischen Wähler für einen „Brexit“ und damit für einen Austritt Großbritanniens aus der EU entschieden. Für die Umsetzung muss über die Austrittsabsicht zunächst ein Beschluss des britischen Parlaments unter Einbeziehung beider Häuser gefasst werden, der durch die Königin auszufertigen ist. Der offizielle Start der Austrittsverhandlungen beginnt mit der Übermittlung der Austrittsabsicht Großbritanniens an den Europäischen Rat. Mit der Übermittlung an den Rat beginnt eine zweijährige Frist für die Austrittsverhandlungen. Die EU-Mitgliedschaft endet mit dem Inkrafttreten des Austrittsabkommens oder spätestens mit Ablauf einer Zweijahresfrist (sofern diese nicht einstimmig durch den Rat im Einvernehmen mit Großbritannien verlängert wird). Bis zu seinem Austritt ist Großbritannien weiterhin Mitglied der EU.

In welcher Weise international tätige Arbeitnehmer von dem EU-Austritt Großbritanniens betroffen sind, hängt von dem „Wann“ und „Wie“ des Austritts ab. Betroffen sind Arbeitnehmer von deutschen Unternehmen, die im Rahmen von Dienstreisen oder Entsendungen in Großbritannien tätig werden sowie Arbeitnehmer von britischen Unternehmen, die im Rahmen von Dienstreisen oder Entsendungen in Deutschland tätig werden. Auch in Deutschland angestellte Mitarbeiter aus Großbritannien und in Großbritannien angestellte Deutsche müssen mit Veränderungen rechnen.

Die mit dem EU-Austritt verbundene Unsicherheit über mögliche finanzielle und administrative Konsequenzen führt bei den betroffenen Mitarbeitern zu einem erhöhten Informations- und Planungsbedarf. Änderungen können sich insbesondere bei Rechtsgebieten ergeben, bei denen der Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge an eine EU-Staatsbürgerschaft, einem Wohnsitz bzw. Aufenthalt innerhalb der EU oder einem Tätigwerden innerhalb der EU geknüpft ist. Die wenigsten Mitarbeiter werden mit der Beantwortung ihrer Fragen bis zum Inkrafttreten des Austrittsabkommens warten wollen. Arbeitgeber sollten daher bereits jetzt gewappnet sein, ihre Arbeitnehmer entsprechend zu informieren und auf einen möglichen Handlungsbedarf hinzuweisen.

Arbeitnehmerbesteuerung
Das zwischen Deutschland und Großbritannien abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen ist trotz des EU-Austritts Großbritanniens weiterhin anwendbar. Abkommensschutz genießen Personen, die in Deutschland und/oder Großbritannien „ansässig“ im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens sind. Die Ansässigkeit in einem Staat wird durch einen festen Wohnsitz oder längere Anwesenheitszeiten in einem Staat begründet. Das Doppelbesteuerungsabkommen weist zum einen das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkunftsarten einem Staat zu und schreibt zum anderen vor, wie der Staat, der das Besteuerungsrecht nicht erhält, die Doppelbesteuerung zu vermeiden hat.

Demgegenüber stellen viele begünstigende Vorschriften des deutschen Einkommensteuergesetzes auf eine EU-Mitgliedschaft ab. Jedoch reicht in fast allen Vorschriften auch eine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aus, um deren räumlichen Anwendungsbereich zu eröffnen. Sollte sich Großbritannien also nach dem EU-Austritt dazu entscheiden, dem EWR (neben den EU-Mitgliedsstaaten auch Island, Norwegen und Liechtenstein) beizutreten, wären die meisten einkommensteuerlichen Vorschriften unverändert anwendbar.

Zu Nachteilen bei der Besteuerung der Arbeitnehmer kommt es, wenn Großbritannien sogenannter „Drittstaat“ wird, also weder Mitglied in der EU noch im EWR ist. Die Nachteile mit den größten Auswirkungen sind im Folgenden zusammengefasst:

  • Zusammenveranlagung von Ehegatten: Ein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger EU- oder EWR-Staatsangehöriger kann, selbst wenn sein Ehegatte nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung die in der Regel günstigere Zusammenveranlagung beantragen. Voraussetzung ist, dass der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte seinen Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Staat hat. Wird Großbritannien zu einem Drittstaat, entfällt die Möglichkeit der Zusammenveranlagung, was zu erheblichen Mehrsteuern führen kann.
  • Kindergeld: Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz hat, wer in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Nicht freizügigkeitsberechtige Ausländer, zu denen künftig auch britische Staatsangehörige zählen könnten, erhalten den Anspruch jedoch nur, wenn sie im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat haben. Sollte Großbritannien Drittstaat werden, erfüllen Kinder, die in Großbritannien wohnen, somit nicht mehr die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch (derzeit 2.280 Euro pro Jahr und Kind).
  • Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen: Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten stellen abzugsfähige Sonderausgaben dar, wenn der Ehegatte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist der Abzug dennoch möglich, wenn der Unterhaltsempfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat hat. Sollte Großbritannien Drittstaat werden, entfällt die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs bei in Großbritannien lebenden Unterhaltsempfängern (derzeit bis zu 13.805 Euro pro Jahr).

Darüber hinaus ergeben sich in den aufgezählten Bereichen weitere Änderungen, die für den Arbeitnehmer zu einer höheren persönlichen Steuerlast führen können:

  • Versagung des Sonderausgabenabzugs bei Schulgeldzahlungen an britische Schulen
  • Versagung des Sonderausgabenabzugs bei Spenden und Mitgliedsbeiträgen an britische Organisationen
  • Abzugsbeschränkung für Kosten, die durch die Pflege einer anderen Person entstehen (sofern die Pflege in einer britischen Wohnung durchgeführt wird)
  • Abzugsbeschränkung für Kosten aus haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen, die in britischen Haushalten ausgeübt werden
  • Verlust der Altersvorsorge- und Kinderzulage bei sogenannten Riester-Renten, wenn der Arbeitnehmer nach Großbritannien zieht und seinen deutschen Wohnsitz aufgibt
  • Versagung der Möglichkeit zur Antragsveranlagungen (z.B. zur Anrechnung von zu viel entrichteten Lohnsteuern) für britische Staatsangehörige, die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen
  • Berücksichtigung von Mieteinnahmen von britischen Vermietungsobjekten im sogenannten Progressionsvorbehalt (wirkt sich idR steuersatzerhöhend aus)

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Sozialversicherung und Aufenthaltsrecht 
 

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Ihr Ansprechpartner

Constantin Betz
Director

cbetz@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-4761

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