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10.01.2012
Rechnungslegung

BFH: Aktivierung zuvor bestrittener Steuererstattungsansprüche

Steuererstattungsansprüche, die vom Finanzamt bestritten worden waren, sind zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren, der auf die Veröffentlichung eines die Ansprüche bestätigenden BFH-Urteils im BStBl II folgt. Dass der Steuerpflichtige seine Ansprüche am Bilanzstichtag noch nicht beziffert hat und die Änderung der entsprechenden Steuerbescheide noch aussteht, schließt eine Aktivierung der Steuererstattungsansprüche nicht aus.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte u.a. aus dem Betrieb von Geldspielautomaten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten wurden zunächst der Umsatzsteuer unterworfen. Später beantragte der Kläger im Hinblick auf die europarechtlichen Bedenken gegen die in Deutschland geltende Rechtslage, diese Umsätze steuerfrei zu belassen. Das Finanzamt lehnte eine Steuerfreiheit ab und brachte das anschließende Einspruchsverfahren zum Ruhen.

Mit Urteil vom 17.02.2005 entschied der EuGH auf entsprechende Vorabentscheidungsersuchen des BFH, Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG stehe nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen die Veranstaltung von Glücksspielen oder der Betrieb von Glücksspielgeräten durch sonstige Wirtschaftsteilnehmer nicht von der Umsatzsteuer befreit sei. Nachfolgend entschied der BFH mit Urteil vom 12.05.2005, ein Betreiber von Geldspielautomaten könne sich für die Umsatzsteuerfreiheit seiner Umsätze unmittelbar auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die Finanzverwaltung hat das genannte BFH-Urteil vorbehaltlos am 30.09.2005 veröffentlicht.

Der Kläger bezifferte seine Erstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001 in dem anhängigen Einspruchsverfahren mit mehreren Schreiben, deren erstes vom 16.02.2006 datiert. Das Finanzamt erließ zwischen dem 08.05.2006 und dem 16.01.2007 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.

Der Kläger stellte seinen Jahresabschluss für das Streitjahr 2005 am 26.04.2007 auf. Darin berücksichtigte er keine Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001. Demgegenüber erfasste das Finanzamt für 2005 die Erstattungsansprüche einschließlich des Gesamtbetrags der Erstattungszinsen gewinnerhöhend. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg, das Finanzamt hat Revision eingelegt.

Entscheidung

Das FG hat rechtsfehlerhaft eine Aktivierung der Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche und Erstattungszinsen abgelehnt. Allerdings darf der Teil der Erstattungszinsen, der auf Zeiträume nach dem 31.12.2005 entfällt, nicht bereits zu diesem Stichtag aktiviert werden.

Forderungen sind zu aktivieren, sobald sie (unabhängig von der rechtlichen Entstehung) wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht und am Bilanzstichtag hinreichend sicher sind. Bei einem erst in der Entstehung begriffenen Anspruch ist maßgebend, ob sich die Anwartschaft genügend konkretisiert hat und im Falle einer Betriebsveräußerung von den Vertragsparteien bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt würde (BFH-Urteil vom 28.09.1967). In dieser Entscheidung hat der BFH weiter ausgeführt, für die Aktivierung eines Steuererstattungsanspruchs genüge es, wenn der Anspruch, dessen Realisierung sich kein Kaufmann vernünftigerweise entgehen lasse, erhoben werden könne.

Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger die streitgegenständlichen Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche für die Jahre 1996 bis 2001 zum 31.12.2005 zu aktivieren. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch realisiert. Denn der Realisierung der genannten Erstattungsansprüche standen im maßgebenden Zeitpunkt weder materiell-rechtliche noch verfahrensrechtliche Hindernisse entgegen. Aufgrund der verwaltungsinternen Weisungslage war das für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt zur Anwendung der Rechtsprechung des EuGH und BFH verpflichtet. Dass die Änderung der Steuerbescheide am Bilanzstichtag noch ausstand und der Kläger seine Anträge noch nicht beziffert hatte, so dass das Finanzamt noch keine Prüfung der Höhe des Anspruchs hatte vornehmen können, schließt bei dieser Sachlage eine Aktivierung der Steuererstattungsansprüche nicht aus.

Seit Ergehen des EuGH-Urteils vom 17.02.2005, spätestens aber seit Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.05.2005 stand fest, dass der Kläger sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten unmittelbar auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen konnte. Hieraus ergab sich zugleich die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der gegen den Kläger ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2001.

Mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.05.2005 in der am 30.09.2005 herausgegebenen Ausgabe des BStBl II war das Finanzamt verwaltungsintern verpflichtet, diese Rechtsprechung zugunsten des Klägers anzuwenden. In der vorbehaltlosen Veröffentlichung einer BFH-Entscheidung im BStBl II liegt die Anweisung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder an die nachgeordneten Dienststellen der Finanzverwaltung, die in der jeweiligen Entscheidung enthaltenen Rechtsgrundsätze auf gleichgelagerte Sachverhalte allgemein - über den entschiedenen Einzelfall hinaus - anzuwenden. Damit stand aufgrund dieser noch im Jahr 2005 ergangenen Anweisung fest, dass das Finanzamt die Erstattungsansprüche des Klägers dem Grunde nach nicht mehr bestreiten würde. Allein der Umstand, dass das Finanzamt die Steuerfestsetzungen - so das FG - nicht "ohne Weiteres", sondern erst nach einer Bezifferung der zuvor offenbar zahlenmäßig nicht konkretisierten Änderungsanträge durch den Kläger geändert hat, steht einem Bestreiten des Anspruchs nicht gleich.

Soweit das BMF-Schreiben vom 05.06.2006 für den Zeitpunkt der Aktivierung von Steuererstattungsansprüchen, die sich aus der angeführten Entscheidung des EuGH ergeben, abweichend von den hier dargestellten Grundsätzen nicht erst auf die Veröffentlichung der BFH-Nachfolgeentscheidung im BStBl II abstellt, sondern bereits auf die - von der deutschen Finanzverwaltung zunächst unkommentiert gelassene - Bekanntgabe der EuGH-Entscheidung, kann dahinstehen, ob der Senat dem folgen könnte. Für die Entscheidung des Streitfalls ist dies indes ohne Bedeutung, da beide Zeitpunkte im Wirtschaftsjahr (= Kalenderjahr) 2005 liegen.

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 2 HGB
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.6.2010, 15 K 4281/08 E,G,Zerl, EFG 2010, S. 1521

Fundstelle

BFH, Urteil vom 31.08.2011, X R 19/10, BStBl II 2012, S. 190

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 17.02.2005, C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131
BFH, Urteil vom 12.05.2005, V R 7/02, BStBl II 2005, S. 617
BFH, Urteil vom 28.09.1967, IV 291/65, BStBl III 1967, S. 763
BMF, Schreiben vom 05.06.2006, BStBl I 2006, S. 418

Englische Zusammenfassung

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