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30.10.2012
Rechnungslegung

BFH: Bilanzierung von Gutscheinen für Dienstleistungen

Werden Gutscheine ausgegeben, die einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen beinhalteten, so wird die versprochene Preisminderung erst durch die künftige Dienstleistung wirtschaftlich verursacht. Im Ausgabejahr sind Gutscheine, die einen Anspruch auf Preisermäßigung von Dienstleistungen im Folgejahr gewähren, weder als Verbindlichkeiten noch als Rückstellungen zu bilanzieren.

Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträgerin einer GmbH, die Frisörsalons betreibt. Von Mitte November bis Ende Dezember der Jahre 1995 bis 1997 (Streitjahre) gaben die Frisörsalons an ihre Kunden als Weihnachtsgeschenke jeweils einen bzw. ab 1996 zwei Gutscheine aus. Die Gutscheine waren im Januar bzw. Februar des Folgejahres gültig und mit einem Stempel des ausgebenden Frisörsalons versehen. Der Name des Kunden wurde nicht festgehalten. Die Gutscheine konnten weder bar eingelöst noch kumuliert werden und verfielen nach Ablauf des Aktionszeitraums entschädigungslos. Für die zu erwartenden Erlösminderungen wies die GmbH in der Bilanz des Ausgabejahres Rückstellungen aus, die jeweils in der Bilanz des Folgejahres wieder aufgelöst wurden. Die Höhe der Rückstellungen schätzte sie in Anlehnung an die Zahl der gedruckten Gutscheine. Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen nicht an. Das FG wies die Klage ab.

Entscheidung
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die GmbH in den Streitjahren Verbindlichkeiten oder Rückstellungen weder für die im jeweiligen Folgejahr einzulösenden Gutscheine noch wegen des Risikos von Wettbewerbsverstößen bilden durfte.

Verbindlichkeiten hatte die GmbH wegen der Ausgabe der Gutscheine nicht auszuweisen, weil die darauf beruhenden Verpflichtungen der GmbH im jeweiligen Ausgabejahr dem Grunde nach ungewiss waren (vgl. BFH-Urteile vom 22.11.1988 und 17.12.1998).

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 08.09.2011). Der Schuldner muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen, und die Geltendmachung der Verpflichtung muss nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 17.12.1998). Die ungewisse Verbindlichkeit muss im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht sein, wobei in der Rechtsprechung des BFH nicht abschließend geklärt ist, ob das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch für rechtlich entstandene und nur der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten gilt (BFH-Urteil vom 08.09.2011).

Der Anspruch auf Preisermäßigung knüpfte an die Inanspruchnahme einer Dienstleistung im begünstigten Zeitraum des Folgejahres an und setzte die Entstehung eines Zahlungsanspruchs der GmbH im Folgejahr voraus. Diese Voraussetzungen waren im Jahr der Ausgabe der Gutscheine noch nicht erfüllt. Die Bildung einer Rückstellung wegen einer rechtlich bereits entstandenen, der Höhe nach ungewissen, Verbindlichkeit kam daher nicht in Betracht. Die mit den Gutscheinen versprochene Preisminderung für künftige, im Begünstigungszeitraum in Anspruch zu nehmende, Dienstleistungen wurde erst durch die Dienstleistung im Folgejahr, für die die Preisminderung gewährt wurde, wirtschaftlich verursacht. Denn sie bezog sich (nur) auf das Entgelt für die künftige Dienstleistung. Der Anspruch auf Preisermäßigung kann wirtschaftlich aber nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 04.12.1959 zu Grunde liegt. Denn die Ausgabe der Rabattmarken im damaligen Urteilsfall betraf die Gewährung eines Nachlasses auf schon getätigte Einkäufe (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.1959); dem entsprechend war der Rabattbetrag mit dem Erreichen des Mindesteinkaufs auszuzahlen. Ein solcher Anspruch wurde den Kunden im Streitfall nicht eingeräumt. Der Umstand, dass die GmbH Gutscheine nur an solche Kunden ausgab, die zuvor eine Dienstleistung in Anspruch genommen hatten, rechtfertigt es nicht, die erst für eine künftige Dienstleistung versprochene Preisminderung wirtschaftlich schon der früheren, voll bezahlten Dienstleistung zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1978, wonach der Anspruch auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen nicht wirtschaftlich verursacht ist, solange die Berechtigung und der Abschluss eines neuen Vertrages nicht nachgewiesen waren).

Die GmbH durfte somit wegen der Gutscheine keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, weil die darauf beruhenden Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht waren. Die Gutscheine beinhalteten einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen. Die Bildung einer Rückstellung wegen eines möglichen Wettbewerbsverstoßes durch die Gutscheinausgabe und auch eine Berücksichtigung der streitigen Beträge als passive Rechnungsabgrenzungsposten kommen ebenfalls nicht in Betracht.

Betroffene Norm
§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG
Streitjahre 1995 bis 1997

Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.08.2009, 9 K 547/05, DStRE 2010, S. 649

Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.09.2012, IV R 45/09, BStBl II 2013, S. 123 
 
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.11.1988, VIII R 62/85, BStBl II 1989, S. 359
BFH, Urteil vom 17.12.1998, IV R 21/97, BStBl II 2000, S. 116
BFH, Urteil vom 08.09.2011, IV R 5/09, BStBl II 2012, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 04.12.1959, III 317/59 S, BStBl III 1960, S. 80
BFH, Urteil vom 06.12.1978, I R 35/78, BStBl II 1979, S. 262

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