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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/verfahrensrecht/fg-koeln-zulaessigkeit-einer-prueferentsendung-zum-grenzueberschreitenden-informationsaustausch.html
08.03.2018
Verfahrensrecht

FG Köln: Zulässigkeit einer Prüferentsendung zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch

Die deutsche Finanzverwaltung darf einen Betriebsprüfer in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsenden, um den steuerrelevanten Sachverhalt, z.B. die Verifizierung der in Deutschland angesetzten Verstrickungswerte nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, aufzuklären.

Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine deutsche Kapitalgesellschaft, war Teil eines international operierenden Konzerns. Inhaberin der Markenrechte des Konzerns war ursprünglich eine schwedische Gesellschaft, welche 2012 auf die Antragstellerin verschmolzen wurde. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde die Bewertung der Markenrechte thematisiert. Es gab Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen den in Schweden zugrunde gelegten Entstrickungswerten und den in Deutschland angegebenen Verstrickungswerten eine deutliche Diskrepanz gab.

Da die in Schweden erklärten Entstrickungswerte nicht mitgeteilt wurden, bat das Finanzamt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zum Zweck der Plausibilisierung der Wertansätze um Einleitung eines Auskunftsaustausches mit der schwedischen Steuerverwaltung mittels Prüferentsendung. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Entscheidung

Das FG ist der Ansicht, dass dem BZSt nicht untersagt werden könne, ein Ersuchen an die schwedische Finanzverwaltung mit dem Ziel zu übersenden, dass ein deutscher Finanzbeamter die schwedische Finanzverwaltung besucht, um Fragen bezüglich der Markenbewertungen zu klären.

Gemäß § 117 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Die mit einem Amtshilfeersuchen begehrten Auskünfte müssen nach § 111 Abs. 1 S. 1 AO für Zwecke der deutschen Besteuerung erforderlich sein.

Das EUAHiG regelt den Austausch von „voraussichtlich erheblichen Informationen“ in Steuersachen (§ 1 Abs. 1 EUAHiG). Mit dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ werde einerseits der OECD-Standard im EUAHiG übernommen, wodurch gewährleistet werden soll, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet. Andererseits soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedsstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen („Fishing Expeditions“) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind (vgl. FG Köln, Beschluss vom 23.05.2017, EuGH-Urteil vom 16.05.2017).

Das in § 117 Abs. 1 AO über den § 111 Abs. 1 AO hineinzulesende Merkmal der Erforderlichkeit und der im EUAHiG verwendete Terminus der voraussichtlichen Erheblichkeit sind nach Auffassung des FG einheitlich zu verstehen. Entscheidend sei, dass die begehrten Daten für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände in Deutschland vernünftigerweise für bedeutsam gehalten werden können.

Da sich im Betriebsprüfungsverfahren Anhaltspunkte dafür ergaben, dass in Schweden Entstrickungswerte angesetzt wurden, die mehrere Millionen Euro unter den in Deutschland im Rahmen der Verstrickung angegebenen Wertansätzen lagen, habe die Finanzverwaltung das Recht und die Pflicht, die Angaben der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Einbuchung der Markenrechte kritisch zu hinterfragen. Dabei stehe die Art und Weise der Prüfungsmethoden im Ermessen der Finanzverwaltung.

Ein Auskunftsersuchen gemäß § 6 Abs. 1 EUAHiG sei im Streitfall geeignet, da die deutsche Finanzbehörde bereits gemäß § 6 Abs. 3 EUAHiG sämtliche Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich der in Schweden angesetzten Entstrickungswerte ausgeschöpft habe (in einem Bewertungsgutachten waren die entscheidenden Wertansätze unkenntlich gemacht).

Das Vorgehen der Finanzverwaltung sei zudem ermessensgerecht. Grundsätzlich habe die Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung einen weiten Ermessensspielraum, in welcher Weise und in welcher Prüfungstiefe sie Angaben eines Steuerpflichtigen prüft. Es sei nicht unverhältnismäßig, wenn sich die deutsche Finanzverwaltung vor dem Hintergrund der angenommenen erheblichen Diskrepanzen zwischen den Wertansätzen in beiden Ländern mit der schwedischen Finanzverwaltung über die Ermittlung der Wertansätze austauscht. Dies gelte auch im Hinblick auf die beabsichtigte Entsendung eines Prüfers nach Schweden gemäß § 11 EUAHiG.

Betroffene Normen

§ 117 Abs. 1 AO, § 11 EUAHiG
Streitjahr 2017

Anmerkung

Mit dieser Entscheidung setzt das FG seine Rechtsprechung zu zwischenstaatlichem Amtshilfeersuchen fort (vgl. FG Köln, Beschluss vom 27.05.2017). Das auf Unionsrecht beruhende EUAHiG gibt der Finanzverwaltung die rechtliche Möglichkeit, Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Hierbei steht ihr ein weiter Ermessensspielraum zu. Fraglich ist, wann ein grenzüberschreitender Informationsaustausch überhaupt rechtswidrig sein kann. Der Steuerpflichtige muss vermutlich darlegen können, dass andere Ermittlungsmethoden den gleichen Erfolg versprechen.

Fundstelle

Finanzgericht Köln, Beschluss vom 20.10.2017, 2 V 1055/17

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 16.05.2017, C-682/15, NWB 2017, S. 1718
Finanzgericht Köln, Beschluss vom 27.05.2017, 2 V 2498/16, EFG 2017, S. 1322, siehe Deloitte Tax-News  

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