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26.07.2010
Rechnungslegung

BFH: Abgrenzung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb ein Grundstück mit aufstehenden Immobilien, die sie vermietete. Im Anschluss an den Erwerb ließ die Klägerin folgende Baumaßnahmen ausführen: Instandsetzung Dach, Erneuerung Sanitäranlagen, Fliesen und Abdichten von Wänden und Böden in Küchen und Bädern, Erneuerung aller Türen und Fenster, Anpassung der Elektroinstallation an heutige Wohnansprüche, Ersatz der Ofen- und Etagenheizungen durch eine Gaszentralheizung, Anbau von Balkonen. Die Gebäude waren vor und nach der Instandsetzung durchgängig vermietet. Das Finanzamt erkannte in den Aufwendungen der Klägerin nachträgliche Herstellungskosten und nur in geringem Umfang (sofort abziehbare) Erhaltungsaufwendungen. Die Klägerin machte hiergegen geltend, dass die durchgeführten Baumaßnahmen weder eine Herstellung noch - mit Ausnahme des Anbaus der Balkone - eine Erweiterung der Gebäude darstelle. Drei der betroffenen Gewerke seien lediglich zeitgemäß instandgesetzt und modernisiert worden. Daher fehle es am erforderlichen Standardsprung bei drei von vier Kernbereichen (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) und somit an einer wesentlichen Verbesserung. Allein im Wege der Vermutung von der Höhe der Aufwendungen auf Herstellungskosten zu schließen, sei nicht zulässig.

Entscheidung

Aufwendungen, die - wie die hier streitigen - durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Die streitigen Aufwendungen sind aber nicht allein deshalb als Herstellungskosten zu werten, weil sie in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks stehen und im Vergleich zum Kaufpreis hoch sind oder wie im Streitfall ein Vielfaches des Kaufpreises ausmachen. Daher lässt sich aus der Höhe der Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis auch keine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für die Qualifikation in der einen oder anderen Richtung ableiten.

Übliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, also die bloße Instandsetzung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, sind in der Regel sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen. Indes können solche Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotential) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. hier dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird. Das ist der Fall, wenn die Maßnahmen bei mindestens drei der Kern-Bereiche (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) jeweils zu einer Standarderhöhung geführt haben. Ob die streitigen Maßnahmen als Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, ist anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei ist zunächst zu ermitteln, welchem Standard (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll) die Kernbereiche im "ursprünglichen Zustand" entsprachen. Für diese Beurteilung sind die Maßstäbe zugrunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren. Im Streitfall ist das der Zeitpunkt des Erwerbs und nicht das Baujahr der Immobilien.

Die Sache ist nicht spruchreif und wird daher an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hier ist dann nach Maßgabe der obigen Grundsätze zu prüfen, ob eine Standarderhöhung bei den einzelnen Kernbereichen vorliegt oder nicht, und die streitigen Aufwendungen - als einheitliche Baumaßnahme - mithin als Herstellungskosten oder (sofort abziehbare) Erhaltungsaufwendungen zu behandeln sind.

Vorinstanz

FG Köln, Urteil vom 17.04.2008, Az. 10 K 2007/04, DStRE 2008, S. 1119.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 22.09.2009, Az. IX R 21/08, DStRE 2010, S. 191.

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