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27.07.2012
Rechnungslegung

BFH: Bilanzierung von Steuernachforderungen wegen doppelten Ausweises von USt

Sachverhalt
Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2001 bis 2003 als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb und wies in allen drei Streitjahren die Umsatzsteuer sowohl in den von ihm erteilten Abschlagsrechnungen als auch in den Schlussrechnungen teilweise doppelt aus. Nach einer Außenprüfung im Jahr 2005 passivierte das Finanzamt die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer jeweils im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit. Dadurch wurden die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb negativ. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre auf jeweils Null Euro herab und erließ zugleich erstmals die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12. der Jahre 2001 bis 2003. Sämtliche Rechnungen mit unzutreffendem Umsatzsteuerausweis hatte der Kläger bereits im Jahr 2005 korrigiert.

Entscheidung
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12. der Jahre 2001 bis 2003 sind rechtmäßig. Die zusätzlich geschuldeten Umsatzsteuerbeträge sind in den Streitjahren zu passivieren, in denen sie infolge des doppelten Ausweises entstanden sind, und nicht erst im Jahr der Aufdeckung dieser Vorgänge durch die Betriebsprüfung.

Die den Gewinnermittlungen des Klägers zugrunde liegenden Bilanzen waren objektiv unrichtig, da sie die doppelt ausgewiesene und daher vom Kläger nach § 14 Abs. 2 UStG a.F. (seit 2004: § 14c Abs. 1 S. 1
UStG) geschuldete Umsatzsteuer nicht berücksichtigten. Die Bilanzen der Streitjahre waren auch subjektiv fehlerhaft. Für die Aktivierungs- und Passivierungspflicht, kommt es auf den Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei Aufstellung der Bilanz an. Der Steuerpflichtige hat daher Mehrsteuern zu passivieren, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns konkret mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muss (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.2010). Das trifft vorliegend zu, da einem ordentlichen Kaufmann bekannt ist, dass die Umsatzsteuer nicht doppelt ausgewiesen werden darf und überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer auch geschuldet wird.

Die Mehrsteuern waren bereits in den Streitjahren und nicht erst nach Aufdeckung der doppelten Inrechnungstellung oder der Bekanntgabe der Nachforderungsbescheide zu passivieren. Zwar rechtfertigt die allgemeine Erfahrung, dass bei einer Betriebsprüfung mit Steuernachforderungen zu rechnen ist, noch keine Rückstellung (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2001). Dies gilt indessen nicht, wenn die Bilanz nach dem Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei ihrer Aufstellung falsch war.

Das FG hat nicht festgestellt, dass dem Kläger eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist. Daher kommt es nicht darauf an, dass eine Rückstellung für hinterzogene Steuern nicht gebildet werden darf, solange die Tat noch nicht entdeckt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 13.02.2008), weil eine Bilanz, die keine Rückstellungen für hinterzogene Steuern ausweist, nicht als fehlerhaft angesehen wird, wenn die Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages noch nicht aufgedeckt war und auch noch nicht mit Ermittlungen begonnen wurde.

Die Erstattungsansprüche wegen der im Jahr 2005 vorgenommenen Rechnungskorrekturen konnten in den Streitjahren noch nicht aktiviert werden. Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Eine Forderung ist daher erst zu aktivieren, wenn sie rechtlich entstanden ist oder wenn die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt wurden und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs hinreichend sicher rechnen kann (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.2006).

Zahlungsansprüche gegen das Finanzamt infolge der Berichtigung von Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis entstehen rechtlich erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung berichtigt wird (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2005). Da die Rechnungen vom Kläger erst im Jahr 2005 berichtigt wurden, entstanden die sich daraus ergebenden Ansprüche nicht bereits in den Streitjahren (§ 38 AO).

Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht verletzt. Dem entspricht es, im Streitfall die Zahlungsansprüche erst im Jahr 2005, als sie sich realisiert hatten, bei der Einkommensteuer gewinnerhöhend zu berücksichtigen. Dass dadurch eine insgesamt höhere Steuerlast entstanden ist, als wenn sie bereits in den Streitjahren aktiviert und die Gewinnminderung durch die Passivierung der Mehrsteuern ausgeglichen hätten, ist eine Folge des verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandenden Abschnittsprinzips bei der Einkommensbesteuerung.

Betroffene Norm
§ 14 Abs. 2 UStG a.F. (seit 2004: § 14c Abs. 1 S. 1 UStG), § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 38 AO
Streitjahre 2001 bis 2003

Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20.09.2007, 2 K 1974/06

Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.03.2012, III R 96/07, BStBl II 2012, S. 719 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 03.02.2010, I R 21/06, BStBl II 2010, S. 692
BFH, Urteil vom 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl II 2002, S. 731
BFH, Beschluss vom 13.02.2008, I B 175/07, nicht veröffentlicht
BFH, Urteil vom 09.08.2006, I R 11/06, BStBl II 2006, S. 762
BFH, Urteil vom 04.12.2005, VII R 20/04, BStBl II 2010, S. 55

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