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09.07.2015
Rechnungslegung

BFH: Passivierungsverbot für Verbindlichkeiten bei qualifiziertem Rangrücktritt

Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt dem Passivierungsverbot. Der aus der Ausbuchung der Verbindlichkeit sich ergebende Gewinn ist durch den Ansatz einer Einlage auszugleichen, vorausgesetzt der Rangrücktritt beruht auf dem Gesellschaftsverhältnis (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, vereinbarte mit ihrer Muttergesellschaft einen Rangrücktritt für ein ihr gewährtes Darlehen. Tilgung und Verzinsung des Darlehens sollten vereinbarungsgemäß nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem Liquidationsüberschuss erfolgen. In dem für das Streitjahr 2005 erstellten Jahresabschluss war das Darlehen der Muttergesellschaft als Verbindlichkeit ausgewiesen.

Während das Finanzamt sich der Auffassung der Außenprüfung anschloss, dass die Darlehensverbindlichkeit nach § 5 Abs. 2a EStG in der Steuerbilanz nicht passiviert werden dürfe und stattdessen gewinnerhöhend aufzulösen sei, gab das FG der dagegen erhobenen Klage statt.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin in ihrer Steuerbilanz zur Passivierung der gegenüber der Muttergesellschaft bestehenden Darlehensschuld berechtigt gewesen sei.

Nach § 247 Abs. 1 HGB seien in der Handelsbilanz Schulden dann zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet sei, die vom Gläubiger erzwungen werden könne und eine wirtschaftliche Belastung darstelle (BFH-Urteil vom 30.11.2011). Betreffe die Rückzahlungsverpflichtung nur einen Ausschnitt der gewerblichen Tätigkeit, sei sie unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips auszuweisen (BFH-Urteil vom 06.02.2013).

Nach der Sonderregelung des § 5 Abs. 2a EStG seien für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen seien, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen seien.

In Fällen eines Rangrücktritts sei die Verpflichtung, Kredite aus dem freien Vermögen zu tilgen, weder handelsrechtlich noch nach den Merkmalen des § 5 Abs. 2a EStG geeignet, ein Passivierungsverbot zu begründen (BFH-Urteil vom 30.11.2011). Bei Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts hingegen, nach dem eine Verbindlichkeit, nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden brauche, könne diese mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden (BFH-Urteil vom 30.11.2011).

Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. auch BFH-Urteil vom 30.11.2011) stelle der Gewinnbegriff i.S. von § 5 Abs. 2a EStG 2002 nicht nur auf den Steuerbilanzgewinn ab, sondern erfasse auch denjenigen Sachverhalt, dass die betroffenen Verpflichtungen nur aus künftigen (handelsrechtlichen) Jahresüberschüssen zu erfüllen seien. Es sei dem FG allerdings darin beizupflichten, dass eine aktuelle wirtschaftliche Belastung des Schuldners gegeben sein könne, wenn die Verpflichtung aus dem sich aufgrund der Auflösung einer Kapitalrücklage (also dem gegenwärtigen Schuldnervermögen) ergebenden (oder sich erhöhenden) Bilanzgewinn getilgt werde. Gleichwohl sei für den Streitfall zu beachten, dass die Forderungen der Muttergesellschaft nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn der Klägerin zu tilgen waren und sich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtags (Fehlbetrag des Geschäftsjahrs 2005, Verlustvortrag) selbst im Falle der Auflösung der Kapitalrücklage tatsächlich kein Bilanzgewinn hätte einstellen können.

An der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 30.11.2011), dass Darlehen, die aus künftigen Gewinnen zu tilgen seien, nicht die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zukomme, halte der BFH nicht mehr fest. Da der Steuerbilanzgewinn um die nicht betrieblich veranlassten Mehrungen des steuerrechtlichen Betriebsvermögens zu mindern sei, umfasse der hierauf abgestimmte steuerrechtliche Einlagebegriff (sog. Funktionsbegriff) auch die durch einen Rangrücktritt i.V.m. § 5 Abs. 2a EStG ausgelöste Ausbuchung von Verbindlichkeiten, vorausgesetzt, die Vereinbarung zur Subordination der Verbindlichkeit sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Demnach sei es für den Eigenkapitalausweis unerheblich, dass der Rangrücktritt der Muttergesellschaft nicht zum Erlöschen der Darlehensforderungen geführt habe. Es komme auch nicht darauf an, dass die Verbindlichkeit der Klägerin bei Anfall eines zukünftigen (Bilanz-)Gewinns oder Liquidationsüberschusses wieder zu erfüllen sei. Auch dies könne die Annahme einer Einlage nicht hindern, weil auch in Fällen des Forderungsverzichts gegen Besserungsschein der Eintritt des Besserungsfalls zu einer erneuten Umqualifikation des Darlehens (in Fremdkapital) führe und damit bis zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen sei, dass dem Schuldner (temporär) Eigenkapital zur Verfügung stände (BFH-Urteil vom 12.07.2012).

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 2a EStG
Streitjahr 2005

Anmerkung
BFH-Urteil vom 10.08.2016
Mit Urteil vom 10.08.2016 hat der BFH seine in den Urteilen vom 30.11.2011 und vom 15.04.2015 aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze zur Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt aufgestellten Grundsätze bestätigt und detaillierter erläutert (siehe Deloitte Tax-News).

Vorinstanz
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.06.2014, 6 K 324/12, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.04.2015, I R 44/14

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 10.08.2016, I R 25/15, nicht zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, siehe Deloitte-Tax-News
BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 06.02.2013, I R 62/11, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 12.07.2012, I R 23/11, siehe Deloitte Tax-News

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