Zurück zur Übersicht
01.04.2011
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Kein Zufluss von Arbeitslohn bei Gehaltsverzicht

Sachverhalt

Streitig ist die Nachversteuerung vertraglich zugesagten, aber nicht zur Auszahlung gebrachten Weihnachtsgeldes. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau waren mit je 50 % an einer GmbH beteiligt, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Kläger war. Laut Anstellungsvertrag hatte er Anspruch auf ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes. Obwohl sich die GmbH nicht in Zahlungsschwierigkeiten befand, wurde dem Kläger das vereinbarte Weihnachtsgeld in den Jahren 1998 bis 2001 nicht ausgezahlt. Die GmbH hatte das Weihnachtsgeld auch weder als Aufwand gebucht noch dafür entsprechende Passivposten in ihrer Bilanz ausgewiesen.

Das Finanzamt nahm die GmbH mit Haftungsbescheid für Lohn- und Kirchensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag in Anspruch, soweit für das Weihnachtsgeld keine Lohnsteuer einbehalten worden war. Das Finanzamt war der Auffassung, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BFH eine Forderung bei Fälligkeit als zugeflossen gelte und dies auch vorliegend für das vertraglich zugesagte Weihnachtsgeld gelten müsse, nachdem der Kläger darauf nicht klar, eindeutig und im Voraus verzichtet habe. Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt.

Entscheidung

Die GmbH war wegen des streitigen Weihnachtsgeldes nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Die Lohnsteuer entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen i.S. des § 11 EStG nicht fingiert werden. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung hiervon lediglich bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Hingegen sind nach der Rechtsprechung des BFH keine Einnahmen zugeflossen, wenn der Gläubiger (Gesellschafter) gegenüber dem Schuldner (Gesellschaft) auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997). Somit hat der Kläger vorliegend keine Verfügungsmacht über die streitigen Weihnachtsgeldbeträge erlangt.

Die Grundsätze über den Zufluss von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter sind vorliegend nicht anzuwenden. Der Kläger war lediglich zu 50 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und besaß keine Stimmrechtsmehrheit. In einem solchen Fall ist der Gesellschafter kein beherrschender (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.2004). Hält ein Gesellschafter - wie im Streitfall der Kläger - nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile, kann er nach ständiger Rechtsprechung einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen gleichgerichtete materielle, d.h. finanzielle Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen. Allein der Umstand, dass die Gesellschafter Eheleute sind, kann eine entsprechende Vermutung nicht begründen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.03.1985).

Schließlich hat der Kläger durch den Verzicht auf das Weihnachtsgeld keine Zufluss begründende (weil vermögensumschichtende) verdeckte Einlage bewirkt. Der Verzicht des Klägers hat nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit bei der GmbH und damit zu einer Vermehrung ihres Vermögens und ihrer Ertragsfähigkeit geführt. Denn das streitige Weihnachtsgeld ist zu keinem Zeitpunkt als Aufwandsposten in die Bücher der GmbH eingegangen. Damit hat der Kläger im Streitfall durch den Verzicht sein Vermögen nicht in Beteiligungskapital umgeschichtet, sondern eine tatsächliche Vermögenseinbuße erlitten.

Betroffene Normen

§ 11 EStG, § 38 Abs. 2 S. 2 EStG
Streitjahr 1998 bis 2001

Vorinstanz

Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 18.02.2009, III K 1027/05, EFG 2010, S. 1785

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.02.2011, VI R 4/10

Weitere Fundstellen

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 09.06.1997, GrS 1/94, BStBl II 1998, S. 307
BFH, Urteil vom 05.10.2004, VIII R 9/03, BFH/NV 2005, S. 526
BVerfG, Beschluss vom 12.03.1985, 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83, BStBl II 1985, S. 475

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.