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15.04.2011
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Keine Dreimonatsfrist bei Fahrtätigkeit

Sachverhalt

Streitig ist, ob bei einer Fahrtätigkeit (und damit auch bei Tätigkeiten an Bord eines Schiffes) die sog. Dreimonatsfrist zur Anwendung kommt. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Seemann bei der Reederei X (Arbeitgeber) beschäftigt und fuhr im Streitjahr 2007 an 184 Tagen zur See. Das Finanzamt lehnte es ab, die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen für die Verpflegung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Es vertrat die Auffassung, dass Seeleute nur für die ersten drei Monate an Bord eines Schiffes Mehraufwendungen für die Verpflegung in Abzug bringen könnten. Die jeweilige Auswärtstätigkeit finde erst bei Rückkehr in den Heimathafen des Schiffes ihr Ende. Laufe das Schiff zu einer neuen Reise aus, beginne der Dreimonatszeitraum von neuem. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Das FG gab der Klage statt.

Entscheidung

Der BFH hat das stattgebende FG-Urteil bestätigt. Erwerbsbedingter Verpflegungsmehraufwand ist einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen, wenn sich der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen auf einer Auswärtstätigkeit befunden hat (BFH-Urteil vom 17.06.2010). Ein auf einem Schiff eingesetzter Seemann übt eine Fahrtätigkeit aus und befindet sich auf Auswärtstätigkeit (BFH-Urteil vom 19.12.2005). Bei einer längerfristigen vorübergehenden Auswärtstätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt sich der pauschale Abzug für Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist; zur Verfassungsmäßigkeit s. BFH-Urteil vom 08.07.2010).

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 19.12.2005) kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Dreimonatsfrist (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG) bei einer Fahrtätigkeit, auch wenn diese auf einem Schiff ausgeübt wird, nicht zur Anwendung kommt. Der Abzug von Verpflegungsmehraufwand bei einer Auswärtstätigkeit ist nur bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit "an derselben Tätigkeitsstätte" auf die ersten drei Monate beschränkt. Die Tätigkeit auf einem Fahrzeug oder einem Schiff findet jedoch nicht in einer Tätigkeitsstätte in diesem Sinn statt. Im Streitfall ist der Kläger daher zeitlich unbegrenzt zum Abzug erwerbsbedingter Mehraufwendungen für die Verpflegung in pauschalierter Form berechtigt.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG, § 9 Abs. 5 EStG
Streitjahr 2007

Vorinstanz

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.05.2010, 3 K 393/09

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.02.2011, VI R 66/10, BStBl II 2012, S. 27 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.06.2010, VI R 35/08, BStBl II 2010, S. 852, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.12.2005, VI R 30/05, BStBl II 2006, S. 378.

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