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13.06.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Keine Übernachtungspauschalen für LKW-Fahrer

Ein LKW-Fahrer, der in der Schlafkabine seines LKW übernachtet, kann nicht die Pauschalen für Übernachtungen bei Auslandsdienstreisen ansetzen, da diese Pauschalen die tatsächlich angefallenen Aufwendungen beträchtlich überschreiten; ihre Anwendung würde zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen. Liegen Einzelnachweise nicht vor, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu schätzen. Weder der LKW-Wechselplatz noch das Fahrzeug erfüllen bei LKW-Fahrern im Fernverkehr die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte.

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2007 als Kraftfahrer im internationalen Fernverkehr tätig. Er hatte die Möglichkeit, in der Schlafkabine des von ihm gefahrenen LKW zu übernachten. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. (geschätzte) Übernachtungspauschalen in Höhe von 5 Euro für 220 Tage sowie wöchentliche Fahrten zum LKW-Wechselplatz als Reisekosten geltend. Das Finanzamt erkannte die Übernachtungspauschalen nicht an und berücksichtigte die Fahrten zum LKW-Wechselplatz als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale). Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung
Das FG hat zu Unrecht von einer Berücksichtigung von Aufwendungen für Übernachtungen im LKW abgesehen. Die tatsächlichen Fahrtkosten zum LKW-Wechselplatz sind als Reisekosten zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind beruflich veranlasste Reisekosten als Werbungskosten abzuziehen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen (BFH-Urteil vom 11.05.1990). Ein Ansatz der von der Finanzverwaltung in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen festgelegten Pauschbeträge (H 40 des Lohnsteuer-Handbuchs "Übernachtungen im Ausland") kommt nicht in Betracht, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Steuerfestsetzung führen würden, weil die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die Pauschbeträge in nicht unbeträchtlichem Umfang unterschreiten (BFH-Urteil vom 11.05.1990). Dies ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG der Fall. Es ist aber nicht vollständig von einer Berücksichtigung von Aufwendungen für Übernachtungen abzusehen; die tatsächlich angefallenen Aufwendungen können als Werbungskosten berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 11.05.1990). Liegen Einzelnachweise nicht vor, ist zu schätzen (BFH-Beschluss vom 09.05.2005). Hierbei ist davon auszugehen, dass typischerweise bestimmte Kosten - hier für Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit - entstehen. Der vom Kläger im Rahmen seiner eigenen Schätzung angesetzte Betrag erscheint in diesem Zusammenhang nicht überhöht.

Die Fahrten zum LKW-Wechselplatz stellen keine Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte dar. Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH-Urteil vom 22.09.2010). Diese Voraussetzungen erfüllt der LKW-Wechselplatz nicht, da es sich hierbei nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt. Auch der vom Kläger gefahrene LKW kommt nicht als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht, weil es an einer ortsfesten Einrichtung fehlt. Die tatsächlichen Fahrtkosten zum LKW-Wechselplatz - und nicht nur die Entfernungspauschale - sind als Reisekosten zu berücksichtigen.

Betroffene Norm

9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG
Streitjahr 2007

Vorinstanz

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 30.06.2011, 5 K 108/10, EFG 2012, S. 31

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28.03.2012, VI R 48/11, BStBl II 2012, S. 926

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.05.1990, VI R 140/86, BStBl II 1990, S. 777
BFH, Beschluss vom 09.05.2005, VI B 3/05, BFH/NV 2005, S. 1550
BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 54/09, BStBl II 2011, S. 354, Deloitte Tax-News

Update vom 10.12.2012: Gemäß BMF-Schreiben vom 04.12.2012 dürfen LKW-Fahrer die tatsächlich angefallenen Kosten als Reisenebenkosten berücksichtigen.
BMF-Schreiben vom 04.12.2012

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