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14.10.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Voraussetzungen für steuerpflichtigen Lohn bei Teilnahme an Betriebsveranstaltungen

Die Zuwendungen eines Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung werden erst bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 Euro pro Person als steuerpflichtiger Arbeitslohn qualifiziert. Dieser liegt entgegen der bisherigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn die gewährten Leistungen unmittelbar vom Arbeitnehmer konsumiert werden können. Kosten für den äußeren Rahmen der Veranstaltung sind somit nicht zu berücksichtigen. Die so ermittelten Gesamtkosten einer Betriebsveranstaltung sind auf alle Teilnehmer zu verteilen, wobei der auf Begleitpersonen entfallende Aufwand entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung in die Berechnung der Freigrenze nicht als eigener Vorteil des Arbeitnehmers einbezogen wird.

Sachverhalt
In zwei Urteilen hat der BFH seine Rechtsprechung zu der Frage fortentwickelt bzw. geändert, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen bei Arbeitnehmern zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt.

VI R 94/10
Die Klägerin ist eine AG, die im Streitjahr 2005 mit der Belegschaft ihr Firmenjubiläum feierte. Die Veranstaltung fand in einem Fußballstadion statt, wobei ein Eventveranstalter mit der Gesamtorganisation betraut wurde. Die Kosten, einschließlich Eventmanager und Stadionmiete, wurden im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung durch die geschätzte Teilnehmerzahl dividiert und infolgedessen Aufwendungen von mehr als 110 Euro pro Person ermittelt. Somit forderte das Finanzamt die hierfür anfallende Lohnsteuer von der Klägerin nach. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

VI R 7/11
Die Klägerin veranstaltete im Streitjahr 2005 eine Betriebsfeier, zu welcher Arbeitnehmer sowie deren Familienangehörige und sonstige Begleitpersonen eingeladen wurden. Die voraussichtliche Teilnehmerzahl, auf deren Basis die Veranstaltung geplant und bezahlt wurde, überstieg die spätere tatsächliche Teilnehmerzahl. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass Zuwendungen an Angehörige und andere Gäste des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer zugerechnet werden. Die Freigrenze wurde somit bei Arbeitnehmern mit Begleitpersonen überschritten und das Finanzamt forderte die hierfür anfallende Lohnsteuer von der Klägerin nach. Der Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung
VI R 94/10
Das FG hat bei der Ermittlung der Gesamtkosten der Veranstaltung zu Unrecht auch die Kosten des äußeren Rahmens berücksichtigt, da eine Bereicherung der Teilnehmer allein durch die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung nicht stattfindet. Die maßgebliche Freigrenze von 110 Euro wurde nicht überschritten.

Arbeitslohn liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber trotz Bereicherung des Arbeitnehmers mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse wie zum Beispiel die Verbesserung des Betriebsklimas verfolgt (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 21.01.2010). Bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro sind die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren, da in diesem Fall von einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 12.12.2012).

Der Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen kann anhand der Kosten geschätzt werden, die dem Arbeitgeber seinerseits dafür erwachsen. In diese Schätzungsgrundlage sind jedoch nur solche Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Die Organisation einer Betriebsfeier durch ein fremdes Unternehmen erhöht zwar die Kosten des Arbeitgebers hierfür, nicht aber den Vorteil, der dem Arbeitnehmer zufließt (vgl. BFH, Urteil vom 12.12.2012).
Gleiches gilt auch für die Mietkosten. Das Abhalten einer Betriebsveranstaltung aus Platzgründen in gemieteten statt in eigenen Räumen des Arbeitgebers begründet für sich betrachtet noch keinen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers. Vom Arbeitgeber verauslagte Reisekosten zu einer Betriebsfeier werden ebenfalls nicht in die Berechnung einbezogen, da auch hier keine Bereicherung der Arbeitnehmer stattfindet.

Zu einer objektiven Bereicherung führen typischerweise nur solche Leistungen, die die teilnehmenden Arbeitnehmer unmittelbar konsumieren können, also vor allem Speisen, Getränke und Musikdarbietungen.
Aufwendungen des Arbeitgebers, die die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung selbst betreffen, etwa Mietkosten und Kosten für die organisatorischen Tätigkeiten eines Eventveranstalters, bewirken bei den Teilnehmern dagegen keinen unmittelbaren Wertzugang. Sie bleiben daher bei der angesprochenen Gesamtkostenermittlung entgegen der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich außer Betracht.

VI R 7/11
Entgegen der Auffassung des FG werden die Kosten der Begleitpersonen den Arbeitnehmern bei der Berechnung der Freigrenze nicht als eigener Vorteil zugerechnet. Die maßgebliche Freigrenze von 110 Euro wurde dementsprechend im Streitfall nicht überschritten.

Der Wert der den Arbeitnehmern anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen kann anhand der Kosten geschätzt werden, die der Arbeitgeber dafür seinerseits aufgewendet hat. Er ist zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen (vgl. BFH, Urteil vom 12.12.2012).

Aufzuteilen ist der Gesamtbetrag daher ebenfalls auf Familienangehörige und Gäste, die den Arbeitnehmer bei der Betriebsveranstaltung begleitet haben. Die Freigrenze von 110 Euro gilt auch in diesem Fall je Teilnehmer. Der auf die Familienangehörigen entfallende Aufwand wird aber den Arbeitnehmern bei der Berechnung, ob die Freigrenze überschritten ist, nicht zugerechnet. Die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber für diesen Personenkreis im Rahmen von Betriebsveranstaltungen stellt regelmäßig keine Entlohnung dar (vgl. BFH, Urteil vom 22.03.1985).
Denn in Fällen, in denen sich die Vorteile für den Arbeitnehmer – wie im Streitfall – auf einen adäquaten Rahmen beschränken (Beköstigung in angemessenem Umfang, musikalische Unterhaltung, Animationsprogramm für Kinder), steht durch die Einladung auch der Familienangehörigen aus der Sicht des Arbeitnehmers nicht dessen Entlohnung für geleistete Dienste, sondern vielmehr das Interesse des Arbeitgebers an der Förderung des Betriebsklimas im Vordergrund.

Eine andere Beurteilung kann bei Betriebsfeiern der Fall sein, die den Schluss zulassen, dass über die Familienangehörigen dem Arbeitnehmer ein Vorteil zugewendet werden soll. Dies kommt insbesondere bei Veranstaltungen in Betracht, die bereits für sich selbst einen marktgängigen Wert besitzen und die vom Arbeitgeber nicht selbst durchgeführt werden könnten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Belegschaft zusammen mit Familienangehörigen gemeinschaftlich ein Musical besucht oder Konzerte weltberühmter Künstler anlässlich von Betriebsfeiern gegeben werden.

Betroffene Norm
§ 8 Abs. 2 S. 1 EStG
Streitjahr 2005
 

Anmerkung
Die BFH-Urteile wurden im Bundessteuerblatt II veröffentlicht (BStBl. II 2015, S. 186 ff.), so dass diese nunmehr von der Finanzverwaltung bis Ende 2014 allgemein angewendet werden. Jedoch gelten ab dem 01.01.2015 die neuen gesetzlichen Regelungen zur Besteuerung von Betriebsveranstaltungen, die mit dem ZollkodexAnpG eigeführt wurden. Dadurch wurde die günstige BFH-Rechtsprechung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 bereits wieder ausgehebelt.

Vorinstanzen 
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2010, 16 K 1298/09 L (zu IV R 94/10)
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2011, 11 K 908/10 L (zu VI R 7/11), siehe Deloitte Tax-News

Fundstellen
BFH, Urteil vom 16.05.2013, VI R 94/10 , BStBl. II 2015, S. 186 ff.
BFH, Urteil vom 16.05.2013, VI R 7/11, BStBli. II 2015, S. 186 ff. 


Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.03.1985, VI R 82/83, BStBl II 1985, S. 532
BFH, Urteil vom 21.01.2010, VI R 2/08,  siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, siehe Deloitte Tax-News

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