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19.06.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

FG : Auch GmbH-(Gesellschafter)-Geschäftsführer können Zeitwertkonten errichten

Jüngste Urteile bestätigen, dass entgegen der Auffassung der Finanzbehörden Zeitwertkonten-Modellen die steuerrechtliche Anerkennung nicht grundsätzlich versagt werden darf, nur weil sie von Arbeitnehmern errichtet werden, die gleichzeitig auch Organe oder beherrschende Gesellschafter der Arbeitgeberin sind.

Hintergrund

Von einem Arbeitgeber können in Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer individualisiert Wertguthaben eingerichtet werden, um auf diese Weise eine Zeit zu finanzieren, in der ein Arbeitnehmer nicht oder nur in reduziertem Umfang arbeiten möchte. In der Ansparphase arbeitet der Arbeitnehmer in zeitlich unverändertem Umfang. Teile des Gehaltsanspruchs werden aber nicht ausbezahlt (laufende Arbeitslohn oder Einmalzahlungen, z. B. Überstunden- und Urlaubsabgeltungen, Tantiemen, Boni etc.). Der vereinbarte Kürzungsbetrag wird vom Arbeitgeber einem für den Arbeitnehmer errichteten Wertguthaben zugeführt. In der Freistellungsphase erhält der Arbeitnehmer im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses Zahlungen aus dem Wertguthaben. Für die Besteuerung bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer in der Ansparphase nur den gekürzten Arbeitslohn und im Übrigen die Auszahlungen während der Freistellungsphase als Arbeitslohn versteuert.

In einem Schreiben des BMF vom 17.06.2009 (IV C 5 - S 2332/07/0004) sind die Voraussetzungen dargelegt, unter denen ein Aufschub der Besteuerung des Arbeitslohns bis zur Freistellungsphase anerkannt wird. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Arbeitslohn bereits in dem Zeitpunkt versteuert werden, in dem er dem Wertguthaben zugeführt wird.

Personenkreis
Ein Zeitwertkonto kann für Arbeitnehmer eingerichtet werden. Der Ausdruck umfasst steuerlich auch beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder. Gleichwohl ist im BMF-Schreiben ausgeführt, dass für Arbeitnehmer, die zugleich als Organ einer Körperschaft bestellt sind, beispielsweise Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführer einer GmbH, ein Zeitwertkonto steuerrechtlich nicht anerkannt wird. Folge ist, dass die Versteuerung des Arbeitslohns nicht bis zum Zeitpunkt der Auszahlung in der Freistellungsphase aufgeschoben ist, ungeachtet dessen, dass der Arbeitslohn einem Wertguthaben zugeführt ist und der Mitarbeiter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, über den Arbeitslohn zu verfügen. Gleiches gilt nach dem BMF-Schreiben für Arbeitnehmer, die gleichzeitig beherrschende Gesellschafter der Körperschaft sind, die sie beschäftigt. Das BMF-Schreiben lässt eine Begründung vermissen, aus welchen Gründen dieser Personenkreis vom Anwendungsbereich des Zeitwertkontenmodells ausgeschlossen sein soll. In der Literatur wurde bereits dargelegt, dass mangels Vorschriften, die die steuerlichen Folgen aus der Errichtung eines Wertguthabens regeln, im Einzelfall auf der Grundlage der allgemeinen im Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätze zu prüfen ist, wann der Arbeitslohn, der einem Wertguthaben zugeführt wird, als zugeflossen gilt und mithin zu versteuern ist.

Entscheidungen

Drei Finanzgerichte, zunächst das Hessische Finanzgericht mit Urteil vom 19.01.2012 (1 K 250/11) sowie das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 16.02.2012 (14 K 202/11) und jüngst das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 21.03.2012 (4 K 2834/11 AO) entschieden nun, dass die im BMF-Schreiben ausgesprochene Versagung der steuerrechtlichen Anerkennung eines Wertguthabens für Arbeitnehmer, die gleichzeitig Organe und/oder beherrschende Gesellschafter der Arbeitgeberin sind, einer Rechtsgrundlage entbehrt. Die Gerichte gaben in beiden Fällen der Klage statt, mit der beantragt wurde, die Besteuerung des Arbeitslohns in Höhe des dem Wertguthaben zugeführten Betrags bis zur Auszahlung des Arbeitslohns in der Freistellungsphase aufzuschieben. In beiden Entscheidungen verneinten die Gerichte auf der Grundlage der allgemeinen für das Einkommensteuerrecht geltenden Prinzipien einen Zufluss von Arbeitslohn bereits im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Wertguthaben.

Die Finanzbehörden haben in beiden Fällen Revision eingelegt VI R 19/12 und VI R 25/12. Daher bleibt abzuwarten, ob der BFH die Urteile bestätigt. Die Urteile verdeutlichen, dass die Ausführungen im BMF-Schreiben für die Gerichte nicht verbindlich sind. Der kategorische Ausschluss von Arbeitnehmern, die auch Geschäftsführer und/oder beherrschende Gesellschafter der Arbeitgeberin sind, entbehrt einer Rechtsgrundlage. Auf der Grundlage der im Steuerrecht geltenden allgemeinen Prinzipien, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Arbeitslohn bereits bei Gutschrift auf dem Wertguthaben oder aufgeschoben erst bei Auszahlung in der Freistellungsphase zufließt.

Handlungsempfehlung

Die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 17.06.2009 entbehren einer Rechtsgrundlage, soweit sie allgemein und ohne Ausnahme bei Arbeitnehmern, die zugleich Organe und/oder beherrschende Gesellschafter der Arbeitgeberin sind, die steuerrechtliche Anerkennung eines Zeitwertkonten-Modells versagen. Einzelfälle, in denen die Finanzbehörden diesbezüglich - nur - unter Bezug auf das BMF-Schreiben bei diesem Personenkreis die steuerrechtliche Anerkennung eines Zeitwertkonten-Modells versagen, sollten durch Einspruch und gegebenenfalls Antrag auf ein Ruhen des Verfahrens offen gehalten werden, bis der BFH über die anhängigen Verfahren entschieden hat.

Fundstellen

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 19.01.2012, 1 K 250/11
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.02.2012, 14 K 202/11
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2012, 4 K 2834/11 AO
BMF, Schreiben vom 17.06.2009, IV C 5 - S 2332/07/0004, BStBl 2009 I, S. 1286

Ansprechpartner

Dr. Rosemarie Portner | Düsseldorf

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