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20.06.2011
Erbschaftsteuer

BFH: Abfindungszahlung im Rahmen eines Erbvergleichs

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Neffe der im April 2004 verstorbenen Erblasserin (E). In ihren Testamenten (aus 1986 und 1997) hatte sie jeweils den Kläger als Alleinerben eingesetzt. In 2002 verfasste sie ein weiteres eigenhändiges Testament, in dem sie ihr wesentliches Vermögen, ihr Sparguthaben, an ihre Freundin (N) bzw. deren Tochter (K) vermachte. N war zum Zeitpunkt des Ablebens der E bereits vorverstorben. Der Kläger beantragte beim zuständigen Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben nach E ausweist. Er war der Auffassung, das Testament aus 2002 sei unwirksam, weil E wegen Altersdemenz nicht mehr testierfähig gewesen sei. Der vor dem Landgericht fortgeführte Rechtsstreit zwischen dem Kläger und K endete mit einem Vergleich. K verpflichtete sich, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen. In 2006 wurde der K ein Erbschein erteilt, der sie als Alleinerbin auswies. Das Finanzamt erfasste die Abfindungszahlung als erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG ging davon aus, dass der Kläger die Abfindung durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) erworben habe. Diese Vorschrift nenne zwar nicht ausdrücklich die Abfindungszahlung an einen weichenden potentiellen Erben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei jedoch ein Erbvergleich der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteile vom 01.02.1961 und vom 06.12.2000).

Entscheidung

Die Abfindung des Klägers unterliegt - entgegen der Auffassung des FG - nicht der Erbschaftsteuer. Die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, sind in § 3 ErbStG abschließend aufgezählt (vgl. BFH-Urteil vom 06.03.1991). Nicht im Katalog des § 3 ErbStG genannte Erwerbsgründe unterliegen nicht der Erbschaftsteuer. Für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen reicht es auch nicht aus, dass der Erwerb lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht. Der Erwerb i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch Erbanfall ist allein der durch Erbfolge eingetretene (dingliche) Vermögenszuwachs (vgl. BFH-Urteil vom 01.04.1992). Der Erwerb "aufgrund" eines Erbfalles wird durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 06.03.1991). Danach ist die Abfindung, die der Kläger aufgrund des mit der Alleinerbin K geschlossenen Vergleichs zur Beendigung des Rechtsstreits erhalten hat, kein Erwerb des Klägers von Todes wegen. Der Kläger hat die Abfindung nicht durch Erbanfall erworben.

Ein Erbvergleich kann nur insoweit Verbindlichkeit im Besteuerungsverfahren beanspruchen, als er seinen letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht findet (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2008). Dadurch werden zugleich die Grenzen der Besteuerung des Erwerbs aufgrund eines Erbvergleichs deutlich. Kann dieser Erwerb tatsächlich nicht auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund (Erbanfall, Vermächtnis, geltend gemachter Pflichtteilsanspruch) zurückgeführt werden, so unterliegt er nicht der Erbschaftsteuer. Dementsprechend ist eine Abfindung, die der in einem widerrufenen Testament ursprünglich eingesetzte Erbe aufgrund eines Prozessvergleichs vom später rechtswirksam eingesetzten Alleinerben dafür bekommt, dass er dessen Erbenstellung nicht mehr bestreitet, nicht als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Soweit der BFH (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.1961) und der RFH (vgl. Urteil vom 30.01.1919) zu mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalten entschieden haben, die Abfindung aufgrund des Erbvergleichs unterliege als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer, wird daran nicht mehr festgehalten. Der Erbvergleich zwischen den potentiellen Erben kann den insoweit fehlenden Erblasserwillen, ein Vermächtnis zu verfügen bzw. gleichzeitig Verfügungen zugunsten mehrerer Personen zu treffen, nicht ersetzen. Die Abfindung des weichenden Erben ist damit nicht ein Erwerb vom Erblasser, sondern ein Erwerb vom Alleinerben.

Im Streitfall kann die Abfindung des Klägers nicht als Vermächtnis der E angesehen werden. Denn die E hatte in ihren Testamenten aus 1986 und 1997 zunächst den Kläger jeweils als Alleinerben eingesetzt. Diese Erbeinsetzung war zum Zeitpunkt des Ablebens der E jedoch nicht mehr wirksam, weil E in dem zuletzt errichteten Testament aus 2002 bestimmt hatte, dass ihr wesentliches Vermögen, das Sparguthaben, an N bzw. K fallen solle. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass E dem Kläger einen Teil ihres Sparguthabens zuwenden wollte. Die aufgrund des Vergleichs erhaltene Abfindung ist daher kein Erwerb von Todes wegen.

Betroffene Norm

§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor 2009
Streitjahr 2006

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.05.2009, 3 K 2617/07 Erb, EFG 2009, S. 1479; siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 04.05.2011, II R 34/09, BStBl II 2011, S. 725

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 01.02.1961, II 269/58 U, BStBl III 1961, S. 133
BFH, Urteil vom 06.12.2000, II R 28/98, BFH/NV 2001, S. 601
BFH, Urteil vom 06.03.1991, II R 69/87, BStBl II 1991, S. 412
BFH, Urteil vom 01.04.1992, II R 21/89, BStBl II 1992, S. 669
BFH, Urteil vom 01.07.2008, II R 71/06, BStBl II 2008, S. 874
RFH, Urteil vom 30.01.1919, II A 14/18, RFHE 1, S. 1

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