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10.09.2010
Erbschaftsteuer

BFH: Bewertung von schenkweise zugewendeten und anschließend verkauften Anteilen an Kapitalgesellschaften

Sachverhalt

Der Kläger und sein Vater V waren an einem Unternehmen (X) beteiligt. Mit Schenkungsvereinbarung vom 16.12.1998 übertrug V seinen Anteil in Höhe von 50% schenkweise mit sofortiger Wirkung auf den Kläger. Die Schenkung der Anteile erfolgte während laufender Verkaufsverhandlungen über alle Gesellschaften der Y-Gruppe (Y), zu der auch X gehörte. Mit dem Kaufinteressenten Z war am 13.12.1998 eine Vereinbarung über den Kaufpreis getroffen worden. Die notarielle Beurkundung war für den 22.12.1998 vorgesehen, erfolgte aber erst am 29./30.12.1998, da die Verkäufer den Vertragsentwurf ändern ließen und ein weiteres Grundstück sowie Verbindlichkeiten mit einbezogen haben. Das Finanzamt setzte gegen den Kläger zunächst auf Grundlage des Stuttgarter Verfahrens Schenkungsteuer für die Schenkung der Anteile an der X fest. Nachdem das Finanzamt vom Verkauf der Y am 29.12.1998 erfahren hatte, setzte es mit Änderungsbescheid in 2003 wegen des Erwerbs des Klägers Schenkungsteuer ausgehend vom Verkaufspreis fest, welcher höher war als der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert.

Entscheidung

Hat V dem Kläger am 16.12.1998 50% der Anteile an der X geschenkt, so ist der auf den 16.12.1998 festzustellende gemeine Wert aus dem Anteilsverkauf vom 29.12.1998 abzuleiten und der Besteuerung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Bewertungsstichtag für die Anteilsschenkung ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, das ist hier der 16.12.1998. Hierbei ist davon auszugehen, dass der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften, für die ein Börsenkurs nicht besteht, in erster Linie aus Verkäufen abzuleiten ist, die weniger als ein Jahr vor dem maßgebenden Bewertungsstichtag liegen.

Voraussetzung für die Ermittlung des gemeinen Werts aus Verkäufen ist grundsätzlich, dass es sich nicht um einen Verkauf handelt, der erst nach dem maßgebenden Bewertungsstichtag zustande gekommen ist. Nur ausnahmsweise kann der gemeine Wert aus einem Verkaufsabschluss kurz nach dem Bewertungsstichtag abgeleitet werden, wenn die Einigung über den Kaufpreis schon am Bewertungsstichtag herbeigeführt war. Wurde die Einigung über den Kaufpreis zwar erst kurz nach dem Feststellungszeitpunkt im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages erzielt, stand zum Feststellungszeitpunkt aber bereits ein Mindestkaufpreis fest, ist der Bewertung dieser und nicht mehr der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte niedrigere Anteilswert zugrunde zu legen.

Die Einigung über den Mindestkaufpreis muss dabei am Stichtag nicht rechtsverbindlich sein, um Grundlage für die Ableitung des gemeinen Werts der Anteile sein zu können. Es reicht vielmehr aus, wenn aufgrund von Verkaufsverhandlungen vor dem Stichtag eine Verständigung über den Mindestkaufpreis herbeigeführt wurde, dieser beim Verkauf der Anteile kurze Zeit nach dem Stichtag nicht unterschritten wurde und als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausgehandelt anzusehen ist. Die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem der Mindestkaufpreis als vereinbart anzusehen ist, ist dabei Tatfrage. Es ist insoweit Aufgabe des Finanzamts, Feststellungen dazu zu treffen, ob bzw. wann die Vertragsparteien eine Verständigung über den Mindestkaufpreis erzielt haben.

Im Streitfall hatten sich die Preisvorstellungen beider Vertragsparteien bereits am 16.12.1998 so weit verdichtet, dass mindestens dieser Betrag als Kaufpreis gezahlt werden sollte. Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht es nicht allgemeiner Erfahrung, dass sich während länger andauernder Vertragsverhandlungen bereits vor endgültigem Vertragsabschluss ein Preis ergeben kann, der bei Zustandekommen des Verkaufs mindestens gezahlt werden soll, während ansonsten noch offen ist, ob es wegen weiterer noch offener Verhandlungspunkte überhaupt zum Vertragsabschluss kommt. Ist vor diesem Hintergrund ein Mindestkaufpreis erkennbar, so ist dieser als Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugrunde zu legen. Im Streitfall ist dies der nach dem Verhandlungsstand am 16.12.1998 ermittelte Kaufpreis.

Betroffene Norm

§ 11 Abs. 2 S. 2 BewG; § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 11 ErbStG.
Streitjahr 1998.

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 01.04.2008, IV 86/2006, EFG 2009, S. 602, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.06.2010, II R 40/08, BStBl II 2010, S. 843.

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