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14.06.2012
Erbschaftsteuer

BFH: Bezugsfertigkeit eines zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäudes

Ein neu errichtetes Bürogebäude, das nach seiner Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen soll, ist bezugsfertig, wenn die für das Gebäude wesentlichen Bestandteile (z.B. Außenwände, Fenster, tragende Innenwände, Estrichböden, Dach, Treppenhaus) fertiggestellt sind und zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erhielten nach dem Tod ihres Vaters am 03.08.2005 eine Beteiligung an der U GmbH & Co. KG, zu deren Vermögen ein Grundstück gehörte, das mit einem mehrgeschossigen Bürogebäude bebaut war. Das Gebäude war in den Jahren 1992 und 1993 errichtet worden, jedoch zunächst ohne Innenausbau, insbesondere ohne Innenwände, Bodenbeläge, Deckenabhängungen und Sanitäranlagen, um insoweit die Wünsche der Mieter berücksichtigen zu können. Der Innenausbau wurde in den Jahren 1994 bis 2000 jeweils entsprechend den Bedürfnissen der Mieter gestaltet und durchgeführt. Die ersten Mieter zogen im Jahr 1994 ein.

Für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das Finanzamt den Grundbesitzwert für das Grundstück auf den 03.08.2005 fest. Ausgehend von der Bezugsfertigkeit des Bürogebäudes im Jahr 1994 berücksichtigte das Finanzamt eine Alterswertminderung von 5,5 % des Ausgangswertes. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erhöhte das Finanzamt den Grundbesitzwert. Das Finanzamt ging nunmehr davon aus, dass das Bürogebäude erst im Jahr 2000 mit der Erstellung des gesamten Innenausbaus bezugsfertig gewesen und damit nur eine Alterswertminderung von 2,5 % anzusetzen sei. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Wertminderung wegen Alters des Bürogebäudes für die Zeit ab 1994 anzusetzen ist und deshalb 5,5 % des Ausgangswerts beträgt. Das Bürogebäude war im Jahr 1994 bereits bezugsfertig.

Bebaute Grundstücke sind für erbschaftsteuerliche Zwecke in einem vereinfachten Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 138 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 146 BewG). Dabei ist die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes für jedes Jahr, das seit Bezugsfertigkeit des Gebäudes bis zum Besteuerungszeitpunkt vollendet worden ist, mit 0,5 %, höchstens jedoch mit 25 % des Werts zu berücksichtigen (§ 146 Abs. 4 S. 1 BewG).

Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen (§ 145 Abs. 1 S. 3 BewG). Die Frage der Bezugsfertigkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.07.1980). Ein Gebäude ist bezugsfertig, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unwesentliche Restarbeiten verbleiben (BFH-Urteil vom 25.07.1980). Die Bezugsfertigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass Fenster und Türen eingebaut, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden sind (BFH-Urteil vom 25.07.1980). Ein neu errichtetes Bürogebäude, das nach seiner Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen soll, ist bezugsfertig, wenn es potentiellen Mietern möglich ist, Büroräume zu nutzen. Dies setzt neben der Fertigstellung der für das Gebäude wesentlichen Bestandteile (z.B. Außenwände, Fenster, tragende Innenwände, Estrichböden, Dach, Treppenhaus) voraus, dass zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. nicht erforderlich ist, dass bereits alle Büroeinheiten mietergerecht ausgebaut und benutzbar sind (BFH-Urteil vom 09.08.1989).

Auch die Finanzverwaltung geht für die Bewertung von Grundstücken für die Erbschaftsteuer für die Zeit ab 01.01.2009 davon aus, dass ein Bürogebäude insgesamt als bezugsfertig (§ 178 Abs. 1 S. 3 BewG in der ab 2009 geltenden Fassung) anzusehen ist, wenn es nur zum Teil fertiggestellt und der Innenausbau nach den Wünschen der künftigen Nutzer zurückgestellt wird (vgl. R B 178 Abs. 3 S. 5 ErbStR 2011). Die Regelung zur Bezugsfertigkeit eines Gebäudes in § 178 Abs. 1 S. 3 BewG 2009 entspricht der Regelung in § 145 Abs. 1 S. 3 BewG. Es sind deshalb keine Gründe ersichtlich, die hinsichtlich der Bezugsfertigkeit eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen könnten.

Betroffene Norm

§ 145 Abs. 1 S. 3 BewG, § 146 Abs. 4 S. 1 BewG
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2010, 11 K 1712/08 BG, EFG 2011, S. 409

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.04.2012, II R 58/10, BStBl II 2012, S. 874 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 25.07.1980, III R 46/78, BStBl II 1981, S. 152
BFH, Urteil vom 09.08.1989, X R 77/87, BStBl II 1991, S. 132

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