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20.12.2010
Erbschaftsteuer

BFH: Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe eines Nacherben vom Vorerben

Sachverhalt

Der im Jahr 1971 verstorbene Großvater (G) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger und Nacherbe) setzte seine Töchter als Vorerbinnen ein. Als Nacherben bestimmte er die Abkömmlinge der Vorerbinnen. Eine der Vorerbinnen (V) übertrug durch Vertrag vom 10.12.2003 ihren Anteil am Nachlass des G im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Kläger. Das Finanzamt setzte die Schenkungsteuer fest und folgte dabei dem Antrag des Klägers, bei der Versteuerung sein Verhältnis zu G zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG).

V verstarb im Juli 2004 und wurde u.a. vom Kläger beerbt. Das Finanzamt rechnete dem Erwerb durch Erbanfall den Wert des von V auf den Kläger in 2003 übertragenen Anteils am Nachlass des G hinzu und zog den Freibetrag ab, der im Verhältnis des Klägers zu V zugrunde liegt (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, sein Antrag, sein Verhältnis zu G bei der Besteuerung des Erwerbs vom 10.12.2003 zugrunde zu legen, müsse auch bei der Steuerberechnung unter Berücksichtigung früherer Erwerbe im Rahmen des Erbanfalls in 2004 berücksichtigt werden, mit der Folge, dass der Erwerb von Todes wegen ohne Berücksichtigung eines Vorerwerbs zu besteuern sei. Das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt beantragte, die Klage aufzuheben.

Entscheidung

Die Revision des Finanzamts wird als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidungsgründe des FG ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts; die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Der Erwerb des Anteils der V am Nachlass des G durch den Kläger stellt einen mit dem Erwerb von Todes wegen zusammenzurechnenden Vorerwerb von derselben Person, nämlich V, dar. Der vom Kläger gestellte Antrag, der Besteuerung des Anteilserwerbs sein Verhältnis zu G zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG), hat nicht zur Folge, dass es sich um einen Erwerb von G und nicht von V handelt. Stellt der Nacherbe den Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, wirkt sich dies nur auf die Steuerberechnung aus. Der Antrag führt nicht dazu, dass es sich bei dem Erwerb nicht um einen solchen vom Vorerben, sondern vom ursprünglichen Erblasser handelt.

Anders als bei einer getrennten Besteuerung, wie sie bei einem Erwerb von verschiedenen Personen (Erblasser und Vorerbe) vorzunehmen wäre, kann für das dem Nacherben zugewendete eigene Vermögen des Vorerben nach § 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG ein Freibetrag nur gewährt werden, soweit der Freibetrag nicht bereits für das gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG übertragene Vermögen verbraucht ist (BFH-Urteil vom 02.12.1998). Zudem ist die Steuer für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde.

Die Folgen einer Antragstellung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG entsprechen somit denjenigen, die sich ergeben, wenn bei Eintritt der Nacherbfolge auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht und der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG beantragt, der Versteuerung des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens abweichend von § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht sein Verhältnis zum Vorerben, sondern sein Verhältnis zum ursprünglichen Erblasser zugrunde zu legen. Auch in diesem Fall liegen erbschaftsteuerrechtlich nicht ein Erwerb vom ursprünglichen Erblasser und ein weiterer Erwerb vom Vorerben vor. Es handelt sich vielmehr um einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben. Lediglich für die Berechnung der Steuer für diesen Erwerb sind die in § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG vorgesehenen Modifikationen zu berücksichtigen. In die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind danach auch dann, wenn der Nacherbe den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG stellt, nur Erwerbe des Nacherben vom Vorerben, nicht aber solche vom ursprünglichen Erblasser einzubeziehen.

Der Antrag des Klägers, der Besteuerung des Erwerbs vom 10.12.2003 sein Verhältnis zu G zugrunde zu legen, muss auch im Rahmen der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG berücksichtigt werden. Die Zusammenrechnung nach dieser Vorschrift ist so vorzunehmen, dass dem Kläger der Steuervorteil aus seinem Antrag nicht ganz oder teilweise wieder verloren geht. § 14 Abs. 1 ErbStG soll verhindern, dass die Freibeträge innerhalb des Zusammenrechnungszeitraums mehr als einmal angewendet werden und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung mit deren Gesamtwert ein Progressionsvorteil ergibt. Es ist demgegenüber nicht Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 ErbStG, dem Steuerpflichtigen den Vorteil aus einem Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ganz oder teilweise zu entziehen. Danach ist im Rahmen der Zusammenrechnung der Wert des Vorerwerbs um den dem Kläger im Verhältnis zu G zustehenden Freibetrag zu vermindern und für den Erwerb von Todes wegen kein Freibetrag zu berücksichtigen.

Betroffene Normen

§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, § 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG, § 14 Abs.1 Satz 1 ErbStG

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009, 4 K 186/09 Erb, EFG 2010, S.156

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.11.2010, II R 65/09, BStBl II 2011, S. 123 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 02.12.1998, II R 43/97, BStBl II 1999, S. 235

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