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21.06.2012
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: GrESt-Begünstigung bei Verlängerung der Beteiligungskette

Die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist auch dann grunderwerbsteuerbar, wenn der (Alt-)Gesellschafter nach der Übertragung der Anteile weiter mittelbar im vollen Umfang an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt bleibt. Bei Verlängerung der Beteiligungskette wird die Steuervergünstigung insgesamt gewährt, wenn der teils unmittelbar, teils mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Anteile auf eine andere Personengesellschaft überträgt und er an dieser zwischengeschalteten Personengesellschaft unmittelbar allein beteiligt ist.

Sachverhalt

An der grundbesitzenden GmbH & Co. KG (Klägerin und Revisionsbeklagte) war eine AG zu 99 % und eine GmbH, deren Alleingesellschafterin die AG war, zu 1 % beteiligt. Im Jahr 2001 übertrug die AG ihre Anteile an der Klägerin sowie 100 % der Anteile an der GmbH auf eine zwischengeschaltete Personengesellschaft (KG), an der sie zu 100 % vermögensmäßig beteiligt war. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer für die Übertragung des von der AG mittelbar gehaltenen 1 % Anteils fest. Für die Übertragung des 99 % betragenden Anteils der AG wurde die Steuer nicht erhoben (§ 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG). Die Klage war erfolgreich. Das FG gewährte die Steuervergünstigung auch für den von der GmbH gehaltenen Anteil in Höhe von 1 %. Das Finanzamt legte Revision ein.

Entscheidung

Die Revision wurde zurückgewiesen. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Anteilsübertragungen auf die KG insgesamt keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist.

Wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist auch erfüllt, wenn der übertragende Gesellschafter nach der Übertragung der Anteile weiter mittelbar über den neuen Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen beteiligt bleibt.

Im Streitfall ist die ursprünglich nicht am Vermögen der Klägerin beteiligte KG durch die Übertragung der Anteile der AG - neu - zu 99 % an dem Gesamthandsvermögen der Klägerin beteiligt worden. Darin liegt ein zivilrechtlich wirksamer Übergang der Mitgliedschaftsrechte einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft. Der Anwendung des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass die AG auch nach der Übertragung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung an der Klägerin auf die KG weiterhin, nunmehr allerdings mittelbar, insgesamt zu 100 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt blieb und die Übertragung der Anteile auf die KG sich im Ergebnis als bloße Verlängerung der Beteiligungskette darstellt. Die Anteilsübertragungen der AG auf die KG sind grunderwerbsteuerbar (§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG).

Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird die Steuer allerdings nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen (§ 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG). In den Fällen des fiktiven Erwerbsvorgangs wird die Steuer nicht erhoben, soweit die Gesellschafter der - fiktiv - übertragenden Personengesellschaft an der - fiktiv - aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt bleiben (§ 1 Abs. 2a GrEStG, § 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG). Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen beteiligt ist, ist nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand-Beteiligten geboten (BFH-Urteil vom 27.04.2005). Diesen Grundsätzen folgend hat das Finanzamt zutreffend die Steuer nicht erhoben, soweit die AG nach der Übertragung des unmittelbaren Anteils an der Klägerin in Höhe von 99 % auf die KG mittelbar an dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt blieb.

Bzgl. des 1%-Anteils ist der Wortlaut der Vorschrift zwar erfüllt, denn die GmbH ist auch nach dem Übertragungsvorgang unverändert an der Klägerin beteiligt geblieben (§ 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG). Jedoch hat sich im Streitfall der Gesellschafterbestand der Klägerin durch Zwischenschaltung der KG - bezogen auf die GmbH - mittelbar geändert. § 6 Abs. 3 GrEStG muss im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG nach dem Zweck der Vorschriften einschränkend ausgelegt werden, da sonst alle mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand, die § 1 Abs. 2a GrEStG seit dem 01.01.2000 ausdrücklich als steuerbar erfasst, durch die gegenläufige Begünstigung aus § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG wieder neutralisiert würden. Dementsprechend sind Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterbestand sich in Höhe von mindestens 95 % ändert, nicht mehr i.S. von § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG am Vermögen der – fiktiv - neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt. Kapitalgesellschaften können grundsätzlich nicht als transparent angesehen werden, so dass auch nicht durch die unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft auf die dahinter stehenden - mittelbar - Beteiligten durchgeschaut werden kann. Jedoch ist die Begünstigungsvorschrift nach ihrem Normzweck dahingehend auszulegen, dass die Grunderwerbsteuer insgesamt nicht erhoben wird, wenn der teils unmittelbar teils mittelbar allein vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligungen auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar und/oder - durch weitere Gesamthandsgemeinschaften - mittelbar allein beteiligt ist.

Bei der Anwendung der Begünstigungsvorschrift auf fingierte Grundstücksübereignungen ist der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft maßgebend, der vor Beginn und der nach Beendigung des tatbestandsmäßigen Anteilsübergangs bestand. War ein Gesellschafter an der - fiktiv - übertragenden Gesellschaft zu mindestens 95 % beteiligt und bleibt er nach Übertragung der Anteile an dem Gesellschaftsvermögen der - fiktiv - aufnehmenden Gesellschaft in gleicher Weise beteiligt, rechtfertigt eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG, die Steuer insgesamt nicht zu erheben, weil dem Gesellschafter das Grundstück nach wie vor grunderwerbsteuerrechtlich über seine Beteiligung am Gesamthandsvermögen zuzurechnen ist.

Im Streitfall war die AG vor der Übertragung der Gesellschaftsanteile zu 99 % unmittelbar und zu 1 % mittelbar über die GmbH am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt und auch nach der Übertragung der Anteile auf die KG hat sich an der grunderwerbsteuerrechtlichen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin nichts verändert. Die KG ermöglicht als Gesamthandsgemeinschaft den Durchgriff auf die an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligte AG (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2005). Die zivilrechtliche Veränderung im Gesellschafterbestand löste den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG aus, doch blieb die Berechtigung am Gesellschaftsvermögen, d.h. insbesondere an dem Grundstück der Klägerin, unverändert bestehen. Letzteres rechtfertigt die entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG. Im Ergebnis wird der hier durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile angenommene fiktive Erwerbsvorgang so behandelt, als hätte die AG ein in ihrem Alleineigentum stehendes Grundstück unmittelbar der KG übertragen. In einem solchen Fall wäre die Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht zu erheben, da der übertragende Gesellschafter zu 100 % an dem Gesamthandsvermögen der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt ist. Entgegen der Auffassung des Finanzamts führt eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG somit dazu, dass die Steuer für den fiktiven Erwerbsvorgang insgesamt, d.h. auch für die hier streitige Übertragung des Anteils der AG an der GmbH auf die KG nicht erhoben wird.

Betroffene Norm
§ 1 Abs. 2a GrEStG, § 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG
Streitjahr 2001 

Anmerkungen

Das FG Münster hat in seinem Urteil vom 28.11.2012 (siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG nicht greift, wenn eine 100%ige Kommanditbeteiligung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Gesamthandsgemeinschaft übertragen wird, an deren Vermögen ausschließlich der Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Denn für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG kann grundsätzlich nicht durch die unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft auf die dahinter stehenden mittelbar Beteiligten „durchgeschaut“ werden, da Kapitalgesellschaften im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht als transparent angesehen werden.
Das Urteil des BFH vom 29.02.2012, in dem entschieden wurde, dass die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft der Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht stets entgegenstehe, sei auf den Ausnahmefall beschränkt, dass der teils unmittelbar und teils mittelbar allein vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligungen auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar (oder über eine weitere Gesamthandsgemeinschaft mittelbar) allein beteiligt ist.
Die Auffassung des FG Münster ist vom BFH mit Urteil vom 03.06.2014, II R 1/13, bestätigt worden.

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 18.03.2009, 4 K 1978/07, EFG 2009, S. 1141

Fundstelle
BFH, Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09, BStBl II 2012, S. 917 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.04.2005, II R 61/03, BStBl II 2005, S. 649
BFH, Urteil vom 03.06.2014, II R 1/13
Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.11.2012, 8 K 2285/09 F, siehe Deloitte Tax-News

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