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06.11.2013
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs

Bei Zusammenfassung eines Aufhebungsvertrags und einem neuen Grundstückkaufvertrag in einer Urkunde, hat der Ersterwerber die Möglichkeit einen Dritten als Ersatzkäufer zu benennen. Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig, hindert die Benennung nicht die Anwendung von § 16 GrEStG. Ob die Benennung des Ersatzkäufers im Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist ihm Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen.

Sachverhalt

Die Klägerin nahm mit notarieller Urkunde vom 04.10.2005 ein Angebot zum Erwerb zweier Grundstücke an. Zuvor hatte die Verkäuferin am 23.09.2005 einer noch zu gründenden Tochtergesellschaft der Klägerin ein gleichlautendes Angebot unterbreitet. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 02.12.2005 hoben die Klägerin und die Verkäuferin den Grundstückskaufvertrag auf. In derselben Urkunde verkaufte die Verkäuferin dieselben Grundstücke zum selben Preis an eine andere Gesellschaft, bei der u.a. der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin als Investor mittelbar beteiligt war. Das Grundstückseigentum war am 02.12.2005 noch nicht auf die Klägerin übergegangen. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 03.04.2006 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos.

Entscheidung

Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt seien.

Eine Steuerfestsetzung wird auf Antrag u.a. dann aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.

Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob dem Ersterwerber die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem rückgängig gemachten Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verbleibt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer Urkunde zusammengefasst sind, da für den Ersterwerber dann die Möglichkeit besteht, die dritte Person zu bestimmen. Der Verkäufer wird nämlich erst in dem Augenblick aus der Übereignungsverpflichtung an den Ersterwerber entlassen, in dem er wieder durch eine Übereignungsverpflichtung des Grundstücks an die Zweiterwerberin gebunden ist.

Eine Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbleibende Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Dies liegt vor, wenn die Einflussnahme des Ersterwerbers auf die Weiterveräußerung Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition ist. Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks jedoch gleichgültig, hindert die Benennung des Dritten als Ersatzkäufer nicht die Anwendung von § 16 GrEStG. Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen.

Das Ziel, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen, um die mit der Nichterfüllung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen, finanziellen und sonstigen Folgen für ihr Unternehmen zu vermeiden, begründet kein der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegenstehendes eigenes (wirtschaftliches) Interesse der Klägerin an der Weiterveräußerung des Grundbesitzes.

Das FG hat zu Unrecht noch nicht geprüft, ob die Klägerin oder ihr Gesellschafter-Geschäftsführer über das von ihr verfolgte Ziel hinaus, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen, ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse daran hatte, dass die Verkäuferin das Grundstück an die Zweiterwerberin und keinen anderen Dritten weiterveräußerte. Hierbei wird es insbesondere die gesellschaftliche Verbundenheit der beteiligten Parteien und die Umstände der Abwicklung der Kaufverträge zu berücksichtigen haben.

Mit Urteil vom gleichen Tag (BFH, Urteil vom 05.09.2013, II R 9/12) bestätigte der BFH diese Grundsätze zu § 16 GrEStG. Danach gilt die Möglichkeit des Ersterwerbers, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen auch dann, wenn die Verkäuferin eine Gesellschaft ist, der Kaufvertrag aufgehoben wird und in derselben Urkunde die Anteile an der Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen von diesem bestimmten Dritten übertragen werden. In dem zugrundeliegenden Fall entschied der BFH gegen die Klägerin, eine GmbH. Diese hatte von einer GbR ein Grundstück erworben, den Kaufvertrag aufgehoben und in derselben Urkunde wurden die GbR-Anteile auf die Klägerin und ihre Schwestergesellschaft übertragen. Hierin sah der BFH eine Verwertung der Rechtsposition der Klägerin aus dem ersten Kaufvertrag, damit sie sich das Grundstück über das Gesamthandsvermögen der GbR zueignen konnte. Sie wollte sich nicht vollständig vom Kaufvertrag lösen.

Betroffene Norm
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz  
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.03.2011, 11 K 11060/07

Fundstelle
BFH, Urteil vom 05.09.2013, II R 16/12

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 05.09.2013, II R 9/12

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