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18.08.2016
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Baden-Württemberg: GrESt wg. mittelbarer Änderung des Gesellschafterbestands bei Vollmachtserteilung

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG kann durch eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung, wie die Einräumung einer Vollmacht, herbeigeführt werden. Auf einen dinglichen Übergang der Anteile auf neue Gesellschafter kommt es nicht an, sondern darauf, ob die Bevollmächtigten wirtschaftlich wie Gesellschafter agieren können.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine grundbesitzende GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditistin im April 2005 94 % ihrer Gesellschaftsanteile an die Neugesellschafter A und B verkaufte. Im Mai 2005 erteilte die Altgesellschafterin den beiden Erwerbern jeweils einzeln und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eine umfassende, unbefristete, unwiderrufliche sowie auch etwaige Rechtsnachfolger bindende Vollmacht.

Das Finanzamt ging aufgrund der zusammenfassenden Betrachtung von Veräußerung und anschließender Vollmacht-Erteilung davon aus, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt seien und der Veräußerungsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig sei. Ein Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Recht entschieden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt seien und der Veräußerungsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig sei. Denn neben der unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes durch die Übertragung von 94 % der Gesellschaftsanteile liege auch eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes durch die den Erwerbern erteilte Vollmacht im Hinblick auf den zivilrechtlich zunächst bei der Altgesellschafterin verbliebenen Gesellschaftsanteil von 6 % vor. Somit sei in Summe die von § 1 Abs. 2a GrEStG gesetzte 95 %-Grenze erreicht.

Im Hinblick auf die strittige Vollmacht-Erteilung liege nach Auffassung des FG – auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09.07.2014) – unstrittig eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands durch die den Erwerbern erteilte notarielle Vollmacht vor.
Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG sei nach dieser Rechtsprechung nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und setzte deshalb nicht voraus, dass es auch zu einem dinglichen Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter komme. Diese mittelbare Änderung könne nicht nur dadurch eintreten, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschaft ändern. Ebenso könne es sich – ebenfalls jenseits der zivilrechtlichen Ebene – auch aus schuldrechtlichen Bindungen, wie der Vollmacht, des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters ergeben, dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den Neugesellschaftern zuzurechnen sei. Die Zurechnung des Anteils werde dann dem zivilrechtlichen Erwerb des Anteils durch die Neugesellschafter gleichgestellt.

Zwar sei die Vollmachtserteilung zivilrechtlich kein Vertrag, sondern eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keine ausdrückliche Verpflichtung der Bevollmächtigten zum Erwerb der beim Vollmachtgeber verbliebenen Gesellschaftsanteile begründe. Auch habe der BFH bislang offen lassen können, ob eine solche Vollmacht wie ein Vertrag – in Anlehnung an § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (siehe dazu aber unter Anmerkung) – zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes führen könne. Trotzdem sehe das FG jedenfalls unter Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufs des vorliegenden Falls, diesen als dadurch gekennzeichnet, dass die Erwerber zwecks Vermeidung der Grunderwerbsteuer den von Anfang an geplanten zivilrechtlichen Erwerb aller Anteile der Personengesellschaft in zwei Erwerbsvorgänge von zunächst 94 % und dann – nach Ablauf der 5-Jahresfrist – weiteren 6 % aufgeteilt haben. Nach Auffassung des FG gebe es somit keinen Grund, die Vollmacht im Rahmen der grunderwerbsteuerrechtlichen Frage anders zu beurteilen als einen Vertrag.

Anmerkung

Soweit das FG feststellt, dass für die nach wirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden könne, stehen dieser Annahme die Ländererlasse vom 09.12.2015 entgegen. Die Ländererlasse legen nämlich fest, dass ein Rückgriff auf das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Grunderwerbsteuerrecht nicht zulässig sei.

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 2a GrEStG
Streitjahr 2005

Fundstelle
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2015, 5 K 1652/11, EFG 2016, S. 1019, BFH-anhängig: II R 39/15

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12, siehe Deloitte Tax-News

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