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28.04.2010
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Änderung der „Car-Garantie“ Rechtsprechung

Sachverhalt

Der Verkäufer betrieb eine Reparaturwerkstatt und einen Handel mit KFZ. Beim Verkauf von KFZ bot er seinen Kunden den Abschluss einer Garantievereinbarung an. Die Käufer hatten gemäß den Garantiebedingungen die Wahl, im Schadensfall die Reparatur entweder durch den Verkäufer oder durch eine andere Werkstatt durchführen zu lassen. Bei Inanspruchnahme einer Fremdwerkstatt hatte der Käufer gegenüber der Versicherung einen Anspruch auf Erstattung der Kosten. Für den Fall seiner eigenen Inanspruchnahme hatte der Verkäufer bei derselben Versicherung eine Rückversicherung abgeschlossen. 

Das Finanzamt sah im Anschluss an eine Außenprüfung in der Garantiezusage eine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung und unterwarf die Einnahmen als Entgelte der Umsatzsteuer. 

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es entschied, die von den Fahrzeugkäufern gezahlten Entgelte für die Garantie seien umsatzsteuerfrei.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH ist eine Garantiezusage eines Autoverkäufers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl einen Reparaturanspruch gegenüber dem KFZ-Verkäufer oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer erhält, steuerpflichtig (Änderung der Rechtsprechung zum BFH-Urteil vom 16.01.2003, V R 16/02). 

Der BFH stellt zunächst – wie bereits in früheren „Car-Garantie“ Urteilen – fest, dass die entgeltliche Garantieleistung des Autoverkäufers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung ist. 

Anders als das FG ging der BFH vorliegend jedoch davon aus, dass es sich bei der Garantiezusage umsatzsteuerrechtlich um eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art gemäß § 3 Abs. 9 UStG handelt und nicht um zwei selbstständige Leistungen. Die als Wahlrecht des Käufers ausgestaltete Verpflichtung zur Eigenreparatur und die Verschaffung des Versicherungsschutzes sind nach Ansicht des BFH so eng miteinander verbunden, dass ihre Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Garantiezusage stellt sich aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eine einheitliche untrennbare Leistung dar, für die der Kunde einen einheitlichen Preis zu zahlen hat. Letztlich umfasst die Garantie als einheitliche Leistung die Einstandspflicht des Verkäufers im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit bestimmter Bauteile für die vereinbarte Laufzeit. Der Kunde schuldet für dieses Versprechen ein Entgelt. 

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung ist diese Garantiezusage – mangels Eingreifens einer Steuerbefreiungsvorschrift – nicht steuerfrei. Bisher ist der BFH davon ausgegangen, dass die Garantiezusage als umsatzsteuerbare Leistung "jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG und/oder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG" steuerfrei sei. An dieser Auffassung hält das oberste Finanzgericht nicht mehr fest. 

Eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG, die der BFH noch in seinem Urteil von 2003 angenommen hatte, kommt vor dem Hintergrund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des EuGH (C-455/05 Velvet & Steel Immobilien) nicht mehr in Betracht. Hier hatte der EuGH entschieden, dass die Steuerbefreiungsvorschrift nur auf Finanzdienstleistungen im engeren Sinn anzuwenden ist. Im vorliegenden Streitfall hat sich der KFZ-Verkäufer im Rahmen der Garantiebedingungen zur Durchführung einer Reparatur im Falle des Schadenseintritts und nicht zu einer Schadensersatzleistung in Geld verpflichtet. Danach hat der Käufer/Garantienehmer einen Anspruch gegen den Verkäufer, dass er die entsprechenden Reparaturarbeiten durchführt, also Naturalrestitution leistet. Bei diesem Anspruch handelt es sich nicht um eine Finanzdienstleistung. 

Auch die Verschaffung von Versicherungsschutz gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG scheidet nach Ansicht des BFH bei der vorliegenden Garantiezusage aus, weil nicht die Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern die eigene Einstandspflicht des Verkäufers das dominierende Element der abgegebenen Garantie ist. 

Entscheidend war hierfür, dass aus Sicht des Kunden (Durchschnittsverbrauchers) das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers der Gesamtleistung das Gepräge gab. Die umfassende Einstandspflicht des Händlers, bei dem das KFZ gekauft wurde, macht das Wesen und die Bedeutung der Garantiezusage aus, weil zu diesem Händler ein Vertrauensverhältnis besteht, das eine unkomplizierte Abwicklung des evtl. Schadensfalls verspricht. Das ist der Kern der Leistung des KFZ-Verkäufers im Rahmen der Garantiezusage. Dass diese Garantie „versichert" ist, mag zwar aus Sicht der Kunden diese Garantie besonders werthaltig erscheinen lassen, weil sie durch eine Versicherung abgedeckt ist. Daraus folgt aber nicht, dass das Garantieversprechen des Klägers dadurch geprägt wird, dass dem Kunden ein Versicherungsschutz verschafft wird.

Stellungnahme

Die Entscheidung dürfte insbesondere für die Automobilbranche von Bedeutung sein. Sehr häufig werden zusätzlich zum PKW-Verkauf „Händlergarantien“ oder „Service und Repair“ Pakete verkauft. Die umsatzsteuerliche Einordnung dieser Zusatzleistungen war und ist - insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichsten Ausprägungen der Garantiebedingungen - umstritten und kann oftmals nur im Wege einer verbindlichen Auskunft geklärt werden. 

Geklärt dürfte nach dem vorliegenden Urteil des BFH sein, dass

  • Garantiezusagen stets selbständige Leistungen sind und keine Nebenleistungen zum PKW-Verkauf;
  • in den Fällen, in denen im Rahmen der Garantiebedingungen Händlergarantie und Versicherungsschutz kombiniert sind, die Leistung eine einheitliche sonstige Leistung darstellt, die regelmäßig steuerpflichtig ist.

Der BFH hat jedoch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG nicht gänzlich ausgeschlossen. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall und die konkrete Ausgestaltung der Garantiebedingungen an. Im Entscheidungsfall trat ein (steuerfreier) Versicherungsschutz gegenüber dem (steuerpflichtigen) Versprechen des Händlers, für bestimmte, evtl. eintretende Schäden einzustehen, nach Ansicht des Gerichts zurück.

In Fällen jedoch, in denen z.B. die Garantiebedingungen vorsehen, dass Ansprüche aus der versicherten Händlergarantie vom PKW-Käufer stets und nicht nur bei der Reparatur durch eine Fremdwerkstatt "ausschließlich und unmittelbar" gegenüber der Versicherungsgesellschaft geltend gemacht werden müssen, dürfte jedoch eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG gemäß der Argumentation des Gerichts weiterhin in Frage kommen. Denn in diesen Fällen dürfte dem „Durchschittsverbraucher“ klar sein, dass der Verkäufer selbst nicht für Schäden einstehen will, sondern im Schadensfall stets und ausschließlich der Versicherungsschutz greifen soll. Die Versicherung dürfte in diesen Fällen die Einstandspflicht des Verkäufers überlagern.

Vorinstanz

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2005, 2 K 109/03.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 10.02.2010, XI R 49/07.

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