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06.03.2014
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: EuGH-Vorlage - Zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding und Unionsrechtskonformität der umsatzsteuerlichen Organschaft

Im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 16.07.2015 (Larentia + Minerva C-108/14 und C-109/14) kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass eine geschäftsleitende Holding ungeachtet des Umfangs ihrer geschäftsleitenden Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Weiterhin stellt er fest, dass eine Personengesellschaft nach geltendem deutschen Recht Organgesellschaft einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann.
BFH-Urteil vom 19.01.2016, XI R 38/12, siehe Deloitte Tax-News
                                                                                                             

EuGH-Vorlage vom 11.12.2013:
Der BFH legt dem EuGH die Fragen vor, wie die abziehbare Vorsteuer einer Führungsholding ermittelt werden soll, und ob die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es zum einen nur juristischen Personen ermöglicht Organgesellschaft einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu sein und die zum anderen die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft fordert; und, wenn letzteres bejaht wird, ob sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie berufen kann.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine AG, deren alleinige Aktionärin die X GmbH & Co. KG war. Im Jahr 2006 führte sie durch eine Aktienemission eine Kapitalerhöhung durch. Die Emissionskosten waren mit Umsatzsteuer belastet. Die Klägerin gründete im Streitjahr als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, von denen sie für ihre Geschäftsführungsleistungen mit Umsatzsteuer belastete Entgelte erhielt.

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 machte die Klägerin u.a. die Vorsteuerbeträge aus der Aktienemission geltend. Das Finanzamt lehnte dies nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ab.

Die Klage vor dem FG war erfolgreich.

Entscheidung

Der BFH erbittet vom EuGH die Vorabentscheidung über die drei nachfolgenden Fragen:

Ein Unternehmer kann gem. § 15 Abs. 1 UStG bzw. Art. 17 Abs. 2 der (damals geltenden) Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie grundsätzlich die Vorsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen. Dies gilt gem. § 15 Abs. 2 UStG jedoch grundsätzlich nicht, wenn der Unternehmer die für Lieferungen und sonstige Leistungen für die Erbringung steuerfreier Umsätze nutzt. Der Vorsteuerabzug ist dann gem. § 15 Abs. 4 UStG bzw. Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie nur teilweise zulässig.

Die Klägerin sei eine sog. Führungs-Holding, sie halte nicht nur Beteiligungen, sondern greife im Sinne einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften ein. Als solche könne sie für den Bezug von Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichtete Umsatzsteuer nur dann als Vorsteuer abziehen, wenn entweder die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhingen oder wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen der Holding gehörten und – als solche – Kostenelemente der von ihr erbrachten Dienstleistungen seien. Sofern die Voraussetzungen einer Organschaft nicht vorlägen, stehe der Klägerin grundsätzlich der Vorsteuerabzug zu, soweit sie Eingangsleistungen für die Geschäftsführungsleistungen bezogen habe, die sie gegenüber ihren Tochtergesellschaften erbrachte habe.

Die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie enthalte keine verpflichtende Methode für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge; auch der deutsche Gesetzgeber habe bisher keine Regelung dazu erlassen. Als mögliche Aufteilungskriterien kämen ein Umsatzschlüssel, ein Investitionsschlüssel, betriebswirtschaftliche Größen (z.B. Anzahl der mit der Beteiligung befassten Personen) oder die Einzelkosten für das Halten der Beteiligungen in Betracht. Der BFH lege dem EuGH daher – zur Herstellung einer (möglichst) einheitlichen Rechtspraxis – die Frage nach näheren Hinweisen zu der von ihm geforderten Berechnungsweise vor.

Im Streitfall sei ferner fraglich, ob die Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft vorlägen. Wenn dem so wäre, könnten der (nicht steuerbare) Erwerb und das (nicht steuerbare) Halten der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften nicht als vorsteuerabzugsschädlich zu berücksichtigen sein. Zwar könne nach dem UStG keine Organschaft vorliegen, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG nur juristische Personen als Organgesellschaft vorsehe. Allerdings sei in der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie nur von einer „Person“ die Rede, aber nicht von „juristischen Personen“. Die Tochtergesellschaften der Klägerin seien als Kommanditgesellschaften (§ 161 HGB) allerdings keine juristischen Personen; sie könnten zwar Organträger sein, nicht jedoch Organgesellschaften (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG). Zudem sein fraglich, ob die Anforderung des UStG an die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses mit der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie im Einklang stünden. Der BFH gehe jedenfalls von einem Verstoß gegen das Gebot der Rechtsformneutralität im Umsatzsteuerrecht aus. Der BFH lege dem EuGH daher die Frage vor, ob die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehe, die es zum einen nur juristischen Personen ermöglicht Organgesellschaft in einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu sein und die zum anderen die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft fordere.

Schließlich bitte der BFH den EuGH – da er Zweifel hat, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG (gegen dessen Wortlaut) möglich wäre – um Beantwortung der Frage, ob ein Steuerpflichtiger sich unmittelbar auf die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie berufen könne. Dazu müsste die Richtlinie u.a. inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, was vorliegend zweifelhaft sein könnte. Zudem läge es dann in der Hand des Steuerpflichtigen den Eintritt der Rechtsfolgen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft herbeizuführen, was nach Ansicht der BFH weder nach dem UStG, noch Unionsrecht vorgesehen sei.

Betroffene Norm

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG i.V.m. § 15 Abs. 4 UStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG
Streitjahr 2006

Anmerkungen

Mit Entscheidung vom selben Tag hat der BFH auch das Verfahren XI R 17/11 ausgesetzt und dem EuGH die nämlichen Fragen dieses Falles vorgelegt. Der Hauptunterschied zwischen BFH XI R 17/11 (Vorinstanz: Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.05.2011, 16 K 411/07) und diesem Fall ist, dass in BFH XI R 17/11 auch die Klägerin eine GmbH & Co. KG war, ansonsten entsprechen sich die Sachverhalte. Nach Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Larentia + Minerva u.a. durch Urteil vom 16.07.2015 C-108/14 und C-109/14 wird das Verfahren nun fortgeführt.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 10.10.2012, 2 K 189/10

Fundstellen

BFH-Urteil vom 19.01.2016, XI R 38/12, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 16.07.2015, Larentia + Minerva C-108/14 und C-109/14, siehe Deloitte Tax News
BFH vom 11.12.2013, XI R 38/12
Pressemitteilung Nr. 19 vom 5.3.2014

Weitere Fundstelle

BFH, vom 11.12.2013, XI R 17/11

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