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02.08.2013
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Innergemeinschaftliche Lieferung im Reihengeschäft unter Beteiligung eines im Drittland ansässigen Zwischenerwerbers

Eine steuerfrei innergemeinschaftliche Lieferung kann auch vorliegen, wenn ein im Inland ansässiger Unternehmer Gegenstände an einen Unternehmer in einem Drittland ohne USt-Identifikationsnummer veräußert und wenn dieser die Gegenstände an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat weiterveräußert.

Sachverhalt

Eine in Deutschland ansässige GmbH (Klägerin) hat zwei Maschinen an A mit Sitz in den USA verkauft. A ist in keinem Mitgliedstaat der Union für umsatzsteuerrechtliche Zwecke registriert. Nachdem die GmbH die A aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitzuteilen, antwortete die A, sie habe die Maschinen an ein Unternehmen (Ltd.) in Finnland (weiter) veräußert (Reihengeschäft) und teilte der GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dieser Ltd. mit. Die Maschinen wurden durch eine von A beauftragte Spedition unmittelbar von der GmbH nach Finnland befördert. Die GmbH behandelte die Lieferung aufgrund der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der finnischen Ltd. als steuerfrei. Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit, weil A als Erwerberin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungsmitgliedstaats oder eines anderen Mitgliedstaats verwendet habe. Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfordere, dass der Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat für Umsatzsteuerzwecke erfasst sei, also eine (ihm erteilte) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitze, die er im Rahmen des Umsatzes verwende.

Entscheidung

Das Urteil des FG ist aufzuheben. Es verletzt § 3 Abs. 6 S. 6 UStG und § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG.

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der verkaufte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet wird. Der Abnehmer muss außerdem Unternehmer sein und mit dem Erwerb in seinem Land der Umsatzsteuer unterliegen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 S. 1 UStG und Art. 28a Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG). Der Unternehmer muss im Geltungsbereich der UStDV die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen – sog. Buchnachweis (§ 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).

Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 S. 5 UStG) vorgenommen. Es gab zwei Verkäufe, aber nur eine Versendung der Ware. Da die Versendung Tatbestandsvoraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kommt es nun darauf an, ob die Versendung dem ersten Verkauf zugerechnet werden kann, oder dem zweiten. Nur im Falle der Zurechnung zum ersten Verkauf hätte die GmbH eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei erbracht.

Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat (§ 3 Abs. 6 S. 6 UStG). Damit besteht im Fall der Zurechnung zum ersten Verkauf eine Vermutung. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn A dem finnischen Unternehmen die Verfügungsmacht an den verkauften Gegenständen schon vor deren Versendung verschafft hätte. Dies gilt vom FG noch aufzuklären.

Der Annahme einer innergemeinschaftlichen Lieferung steht nicht entgegen, dass die GmbH die USt-Identifikationsnummer von A nicht angeben konnte.

Nach dem EuGH-Urteil vom 27.09.2012 dürfen die Mitgliedstaaten den buchmäßigen Nachweis der USt-Identifikationsnummer im Regelfall verlangen. Dies gilt allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht schon deshalb verneint wird, weil der Nachweis der USt-Identifikationsnummer fehle. Der redliche Lieferer, der alle zumutbaren Maßnahmen zur Beschaffung der USt-Identifikationsnummer unternommen hat, kann auch auf andere Weise nachweisen, dass der Erwerber Unternehmer ist und dass der Erwerb bei ihm der Umsatzsteuer unterliegt. Auch diese Frage gilt im vorliegenden Fall vom FG noch aufzuklären.

Betroffene Norm
§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, § 6a Abs. 1 S. 1 UStG, § 6a Abs. 3 UStG, § 3 Abs. 6 S. 5; § 17c Abs. 1 UStDV, Art. 28a Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG
Streitjahr 1998

Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25.02.2009, 2 K 484/07, EFG 2009, S. 1418

Fundstelle
BFH, Urteil vom 28.05.2013, XI R 11/09 

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 10.11.2010, XI R 11/09, BStBl II 2011, S. 237, Zusammenfassung siehe Deloitte Tax-News 
EuGH, Urteil vom 27.09.2012, C-587/10 VSTR

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