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31.07.2017
Indirekte Steuern/Zoll

EU und Japan verkünden politische Einigung über bilaterales Freihandelsabkommen

 Am 06.07.2017 gaben der japanische Ministerpräsident Abe, der Präsident des Europäischen Rates Tusk und der Präsident der Europäischen Kommission Juncker bekannt, dass die beiden Handelsmächte eine allgemeine politische Vereinbarung über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan (EUJFTA) getroffen haben.

 Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen wurden 2013 offiziell ins Leben gerufen. In den vergangenen Jahren kamen diese aber aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, der freihandelskritischen Meinung der Bevölkerung und internen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Kommission und Mitgliedsstaaten, zum Stillstand. Die jüngsten Entwicklungen inner- und außerhalb der EU haben die Gespräche nun wiederbelebt und beschleunigt.

Die erneute Begeisterung für eine stärkere Zusammenarbeit in Handelsangelegenheiten folgt aus den Reaktionen der europäischen, asiatischen und südamerikanischen Länder auf die handelsfeindlichen Aussagen von US-Präsident Trump. Der neue Kurs der USA hat anderen Regionen verdeutlicht, dass eine stärkere und engere Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse liegt.

Die jüngste Entwicklung steht neben dem „kleinen Sieg“, den die EU durch das vorläufige Inkrafttreten von CETA erringen konnte, und der aus Kommissionssicht positiven Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das anstehende EU-Singapur-Freihandelsabkommen.

Sowohl Japan als auch die EU nutzten die wiederentflammte Begeisterung und verabredeten 2017 eine neue Verhandlungsrunde, die letztlich zur Einigung vom 06.07.2017 führte.

Das EUJFTA wird das größte Freihandelsabkommen der Welt sein, und fast 30 % der weltweiten Wirtschaftsleistung abdecken.

Was bedeutet diese politische Vereinbarung?

 Die bloße Tatsache, dass es zu einer politischen Einigung kam, bedeutet jedoch nicht, dass das EU-Japan-Freihandelsabkommen schon bald in Kraft treten wird. Dieser Meilenstein ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass über mehr als 90 % der Verhandlungsthemen Einigkeit besteht und der Abschluss der Vereinbarung unmittelbar bevorsteht.

Bei den meisten wichtigen Themen, konnten die Unterhändler einen Konsens finden. Einige sensible Aspekte wie der Investitionsschutz und die Regulierungszusammenarbeit müssen allerdings noch ausgehandelt werden. Bei gewissen Einzelheiten besteht noch Diskussionsbedarf. Dennoch ist die politische Einigung ein starkes Signal dafür, dass aus Sicht beider Parteien die letzten offenen Punkte kein Hindernis für die endgültige Einigung in naher Zukunft darstellen werden.

Nach Abschluss des Abkommens muss es ratifiziert werden. Zuerst wird der Text des Abkommens veröffentlicht und vom Englischen in alle EU-Amtssprachen sowie ins Japanische übersetzt. Danach muss er von der japanischen Regierung und dem Rat genehmigt und dann vom japanischen und europäischen Parlament ratifiziert werden. Ob dies auch durch die EU-Mitgliedstaaten erfolgen muss, hängt im Detail davon ab, welche Regelungen am Ende in Sachen Investitionsschutz und Streitbeilegung getroffen werden.

Fakten

 Die EU exportiert derzeit Waren im Wert von über 58 Mrd. EUR und Dienstleistungen im Wert von 28 Mrd. EUR nach Japan. Japan selbst exportiert Waren im Wert von 66 Mrd. Euro in die EU und Dienstleistungen im Wert von fast 20 Mrd. Euro.

Die Ausfuhren nach Japan sind im Wesentlichen Fahrzeuge, Maschinen, Arzneimittel und medizinische Instrumente. Die wichtigsten Exporte aus Japan in die EU bestehen aus Maschinen, Fahrzeugen, medizinischen Instrumenten und Chemikalien. Die Zölle, die auf die europäischen Einfuhren nach Japan bezahlt werden, belaufen sich heute auf bis zu 1 Mrd. EUR jährlich.

Zum jetzigen Zeitpunkt steht noch kein offizieller Abkommenstext zur Verfügung, da noch nicht alle Einzelheiten vereinbart sind. Die aktuellen Informationen wurden von der Europäischen Kommission und dem japanischen Außenministerium veröffentlicht.

Das Freihandelsabkommen, das als „Economic Partnership Agreement“ bezeichnet wird, soll die folgenden Bereiche zwischen der EU und Japan regeln:

  • Gegenseitiger Marktzugang für Waren, Dienstleistungen und Investitionen
  • Schutz von geografischen Angaben
  • Vergabe öffentlicher Aufträge
  • Abbau von nicht-tarifären Maßnahmen
  • Angleichung der Normen über immaterielle Wirtschaftsgüter

Das EU-Japan-Freihandelsabkommen wird auf beiden Seiten nahezu alle Einfuhrzölle beseitigen. Dies wird vor allem europäischen Nahrungsmittelherstellern zugutekommen, da Japan Einfuhrzölle von fast 40 % auf Rindfleisch, bis zu 30 % auf Schokolade, 15 % auf Wein und bis zu 40 % auf Käse erhebt. Darüber hinaus wird Japan verpflichtet, über 200 europäische Lebensmittel und Getränke als speziell zertifizierte Delikatessen anzuerkennen und zu schützen. Diese Änderungen sollten die EU-Ausfuhren von verarbeiteten Lebensmitteln erheblich steigern.

Gleichzeitig wird das Abkommen höchstwahrscheinlich erlauben, dass die EU weiterhin höhere Standards für die Produkt- und Lebensmittelsicherheit anwenden darf, als dies in Japan der Fall ist. Das wird europäische Produzenten schützen, japanischen Exporteure jedoch belasten. Japan würde wiederum von der Beseitigung hoher EU-Zölle für Fahrzeuge (10 %), Elektromaschinen (bis zu 14 %) und landwirtschaftliche Produkte wie Reis und Zucker profitieren.

Sowohl japanische als auch europäische Unternehmen leiden unter nicht-tarifären Handelsbarrieren. Das sind z. B. nationale Gesetze, die bestimmte technische Standards vorschreiben oder der Automobil-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie besondere Pflichten auferlegen. In beiden Regionen gelten zudem lange und nicht transparente Zugangsverfahren, die es für ausländische Unternehmen schwierig machen, im Inland tätig zu werden.

Die Abkommen soll diese nicht-tarifären Maßnahmen abschwächen, indem Gesetze angeglichen und transparenter gestaltet und technische Anforderungen an internationale Standards angepasst werden. Die EU versucht dabei so gut wie möglich, nach dem Muster früherer Freihandelsabkommen mit Südkorea, Kanada und Vietnam zu verhandeln. Die Verfahren sollen klarer und einfacher werden, um auch kleinen und mittleren Unternehmen zu ermöglichen, vom internationalen Handel zu profitieren.

Das Kapitel über Dienstleistungen stellt Regeln auf, die beide Parteien daran hindern sollen, dass ausländische Unternehmen diskriminiert oder der Marktzugang erschwert wird. Ausnahmen gelten nur für öffentliche Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung oder das staatliche Bildungswesen. Die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs wird nicht sofort nach Inkrafttreten des Abkommens erfolgen, sondern nach branchenspezifischen Umsetzungsfristen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Stellungnahme zum EU-Singapur-Freihandelsabkommen bestätigt, dass für den Bereich von Investitionen das Verhandlungsmandat bei der EU und nicht bei den Mitgliedstaaten liegt. Die Kommission nutzt ihre ausschließliche Zuständigkeit, um Regeln für Direktinvestitionen durch Privatanleger der EU und Japans zu schaffen.

Im Hinblick auf den Schutz geistigen Eigentums gelten sowohl in der EU als auch in Japan bereits jetzt bewährte Vorschriften. Mit dem Abkommen würden einerseits beide Rechtsregime gegenseitig anerkannt, andererseits aber auch dafür gesorgt, dass sie noch stärker an internationale Standards angepasst werden.

Andere wiederkehrende Bereiche, die von der EU in anderen Freihandelsabkommen geregelt wurden und auch Bestandteil des neuen Abkommens sind, lauten:

  • Umweltschutz und Nachhaltigkeit (zwei für beide Parteien gleichermaßen wichtige Themen)
  • Ratifizierung der Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
  • Soziale Verantwortung von Unternehmen

Wie bei CETA und dem EU-Vietnam-Freihandelsabkommen möchte die Kommission ein Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten in das Abkommen mit aufnehmen. Solche Schiedsverfahren fallen jedoch laut EuGH teilweise in den Zuständigkeitsbereich der EU-Mitgliedstaaten. Noch ist nicht klar, wie das Rechtsschutzsystem im endgültigen Text des Abkommens geregelt sein wird, denn für die Kommission wird es eine wichtige Rolle spielen, ob sie das Abkommen als "EU only" alleine beschließen kann oder nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten.

Was bedeutet das für Sie?

 Europäische und japanische Unternehmen, die im jeweils anderen Gebiet tätig sind oder tätig werden wollen, werden die Möglichkeit erhalten, ihre Lieferketten zu optimieren und ihr Handelsvolumen zu erhöhen. Heutzutage erschöpfen sich die Vorteile moderner Freihandelsabkommen nicht mehr in der üblichen Abschaffung der Einfuhrzölle. Stattdessen schaffen sie gleiche Rahmenbedingungen für in- und ausländische Unternehmen. Der Vorteil dieser Abkommen besteht in der Kombination von Kosteneinsparungen, erhöhter Wettbewerbsfähigkeit und Verfahrenserleichterungen.

Was können Sie tun?

 Das Customs & Global Trade-Team von Deloitte wird Sie auch weiterhin über die neuesten Entwicklungen des EU-Japan-Freihandelsabkommens informieren.

Unternehmen können sich mit einem speziellen Review vorbereiten. Deloitte bewertet die bisher genutzten Zollpräferenzen, prüft an welcher Stelle das neue Abkommen die Geschäftsprozesse verbessern kann und zeigt auf, wo die Lieferkette optimiert werden kann.

EU-Unternehmen sollten dabei nicht vergessen, dass sie nach Inkrafttreten des Abkommens den Status als Registrierter Ausführer (REX) beantragen müssen, um von den präferenziellen Ursprungerklärungen für ihre Ausfuhren nach Japan profitieren zu können.

Wenn Sie Fragen zum Inhalt dieses Newsletters haben, wenden Sie sich bitte an das Customs & Global Trade-Team von Deloitte.

Ihr Ansprechpartner

Bettina Mertgen
Director

bmertgen@deloitte.de
Tel.: 069 75695-6321

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Director

bmertgen@deloitte.de
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