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17.09.2012
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Keine Umsatzsteuerbefreiung der Portfolioverwaltung

Eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Unternehmer aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht (Portfolioverwaltung), stellt eine einheitliche, steuerpflichtige Leistung dar (EuGH, Urteil v. 19.07.2012 - Rs. C-44/11; Deutsche Bank AG).

Sachverhalt

Das EuGH-Urteil erging im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst (im Folgenden: Finanzamt) und der Deutsche Bank AG (im Folgenden: Deutsche Bank, Klägerin), bei dem es insbesondere um die umsatzsteuerrechtliche Einordnung der von der Deutschen Bank getätigten Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (im Folgenden: Portfolioverwaltung) im Hinblick auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer geht.

Die Klägerin erbrachte Leistungen an Privatkunden (Anleger). Im Auftrag der Anleger verwaltete sie Wertpapiere nach der von den Anlegern ausgewählten Strategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung einer Weisung der Anleger und traf alle bei der Verwaltung des Wertpapiervermögens zweckmäßig erscheinenden Maßnahmen. Die Klägerin durfte über die Vermögenswerte (Wertpapiere) im Namen und für Rechnung der Anleger verfügen. Als Vergütung hatte der Anleger pro Jahr eine sog. Teilpauschalvergütung von insgesamt 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens zu zahlen, die sich aus einem Anteil für die Vermögensverwaltung von 1,2 % des Werts des verwalteten Vermögens und einem Anteil für den An- und Verkauf von Wertpapieren von 0,6 % des Vermögenswerts zusammensetzte. Diese Vergütung umfasste auch die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Investmentanteilen einschließlich der Investmentanteile an Fonds, die durch Unternehmen der Klägerin verwaltet wurden. Während die Klägerin annahm, dass ihre Leistungen, soweit sie an im Inland und im Übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Leistungsempfänger erbracht wurden, steuerfrei und, soweit sie an Abnehmer im Drittland erbracht wurden, nicht steuerbar sind, setzte das Finanzamt Umsatzsteuer für diese Leistungen fest und erließ am 29.04.2009 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008, in dem es die Umsätze der Portfolioverwaltung für die betreffenden Anleger als steuerbar und steuerpflichtig behandelte.

Der von der Deutschen Bank gegen diesen Vorauszahlungsbescheid eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der von der Deutschen Bank hiergegen erhobenen Klage allerdings statt. Das Finanzamt legte gegen das Urteil des FG sodann Revision beim BFH ein.

Der BFH war sich indes nicht sicher, wie die Portfolioverwaltung im Hinblick auf Befreiungen von der Mehrwertsteuer einzuordnen ist. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist die Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, 
         a. nur als Verwaltung von Sondervermögen für mehrere Anleger gemeinsam nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL oder 
         b. als individuelle Portfolioverwaltung für einzelne Anleger nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL (Umsatz, der sich auf Wertpapiere bezieht, oder als Vermittlung eines derartigen Umsatzes) steuerfrei? 
  2. Welche Bedeutung kommt bei der Bestimmung von Haupt- und Nebenleistung dem Kriterium, dass die Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zu? 
  3. Erfasst Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g MwStSystRL genannten Leistungen oder auch die Portfolioverwaltung, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt?

Entscheidung

Die an den EuGH gestellten Fragen wurden wie folgt beantwortet:

  1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.
  2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.
  3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

Der EuGH entschied damit, dass die Portfolioverwaltung zwar aus zwei Elementen (Vermögensverwaltung und Vermittlung) besteht, diese aber objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bildeten. Beide Elemente sind untrennbar und gleichrangig und für die Erbringung der Gesamtleistung unerlässlich, weshalb eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre und nicht davon ausgegangen werden könne, dass das eine als Hauptleistung und das andere als Nebenleistung anzusehen sei. Diese einheitliche Portfolioverwaltung sei zwar eine „Leistung finanzieller Natur“, aber nicht umsatzsteuerbefreit. Denn sie entspreche weder dem Begriff „Verwaltung von ... Sondervermögen“ noch dem der „Umsätze, ... die sich auf Wertpapiere beziehen“. Kauf und Verkauf von Wertpapieren könnten zwar Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere begründen, ändern oder zum Erlöschen bringen. Dies gelte aber nicht zwingend für die Leistungen der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens. Die streitgegenständlichen Leistungen könnten jedoch nur als Ganzes beurteilt werden und fielen daher nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 der MWSt-Richtlinie.

Einschätzung Deloitte:
Die Entscheidung beendet einen seit Jahren andauernden Meinungsstreit. Im Ergebnis lässt sich weder der bisherige Standpunkt des BFH aufrechterhalten (wonach Portfolioverwaltung und Wertpapiertransaktion eine einheitliche umsatzsteuerbefreite Finanzdienstleistung bilden, vgl. BFH v. 11.10.2007, V R 22/04, BeckRS 2007, 24003181) noch der der Finanzverwaltung (wonach in Bezug auf den Leistungsort eine einheitliche umsatzsteuerpflichtige Leistung nicht finanzieller Art vorliegt, vgl. Nichtanwendungserlass vom 09.12.2008, IV B 9-S 7117-f/07/10003, BeckVerw 151617, sowie A 4.8.9 UStAE). Die betroffenen Vermögensverwalter sollten die bisherige umsatzsteuerliche Behandlung (und Abrechnungspraxis) überprüfen und ggf. anpassen.

Ihre Ansprechpartner

Wolfgang Feulner

wfeulner@deloitte.de
Tel.:

Dr. Eduard Forster

eforster@deloitte.de
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