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26.07.2010
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Reihengeschäfte - Vorsteuerabzug in Fällen des § 3d Satz 2 UStG verneint

Sachverhalt

Grundsachverhalt war ein „typisches“ Reihengeschäft/Dreiecksgeschäft.

In den Niederlanden ansässige Unternehmen hatten unter Verwendung ihrer niederländischen USt-ID Nummer von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen Waren eingekauft und diese an in Zypern und Spanien ansässige Unternehmer weiterverkauft. Dabei wurden die Gegenstände unmittelbar aus den Mitgliedstaaten der Lieferanten durch diese in die Mitgliedstaaten der Kunden in Zypern und Spanien transportiert.

Das niederländische Unternehmen als „mittlerer Unternehmer“ war nicht im Bestimmungsland der Ware umsatzsteuerlich registriert.

Die niederländischen Unternehmen erklären im Hinblick auf die Wareneinkäufe in den Niederlanden (da die niederländische USt-ID Nummer verwendet wurde) innergemeinschaftliche Erwerbe und zogen die darauf geschuldete Mehrwertsteuer gleichzeitig als Vorsteuer ab. Der niederländische Fiskus sah die Steuerschuld der innergemeinschaftlichen Erwerbe aufgrund der Verwendung der niederländischen USt-ID Nummer als gegeben an, versagte aber den Vorsteuerabzug und erließen entsprechende Nachforderungsbescheide.

Nationale Besonderheit: In Fällen, in denen der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch die Verwendung einer USt-ID Nummer bestimmt wird (in Deutschland Fälle des 3d Satz 2 UStG), lässt das niederländische Recht den sofortigen Vorsteuerabzug nicht zu, sondern sieht ein besonderes Erstattungsverfahren vor. Erst wenn der Unternehmer nachweist, dass er den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland der Ware besteuert hat, wird ihm die niederländische Steuer auf Antrag erstattet.

Bei den beiden Vorabentscheidungsersuchen ging es letztlich um die Frage, ob die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb, der aufgrund der Sonderregelung in Art. 41 MwStSystRL als in dem Mitgliedstaat „der verwendeten USt-ID Nummer“ als bewirkt gilt, in diesem Land auch sofort als Vorsteuer abgezogen werden kann.

Entscheidung

Der EuGH verneint die Möglichkeit eines sofortigen Vorsteuerabzugs der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (hier in den Niederlanden) entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.

Der Vorsteuerabzug soll erst dann möglich sein, wenn der Unternehmer nachweist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber besteuert worden ist.

Die Argumentation des EuGH basiert auf zwei „Säulen“.

  • Zum einen begründet der EuGH seine Entscheidung damit, dass die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht vorlägen. Er verweist auf Art. 168 MwStSystRL, wonach Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass Gegenstände und Dienstleistungen „für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet“ werden. Im Ausgangsverfahren stehe jedoch fest, dass die Gegenstände in das Land, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb erklärt wurde, physisch nie gelangt sind und damit dort auch nicht in besteuerte Umsätze einfließen könnten.
  • Zum anderen führt der EuGH ein „praktisches Problem“ an. Er stellt nämlich fest, dass die (sofortige) Gewährung des Vorsteuerabzugs im „Land der verwendeten USt-ID Nummer“ eine Besteuerung im systematisch „richtigen“ Land (Bestimmungsland der Ware) verhindern bzw. erschweren würde, da für den „mittleren Unternehmer“ bei Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Mitgliedstaat der Identifizierung (hier Niederlande) kein Anreiz mehr bestünde, die (tatsächliche) Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nachzuweisen.

Anmerkung

Die Entscheidung überrascht zum einen deshalb, weil das höchste europäische Gericht in diesem Fall der korrekten Besteuerung (im Bestimmungsland der Ware) eine höhere Gewichtung beimisst als dem sonst so bedeutungsvollen (sofortigen) Vorsteuerabzugsrecht, der nach ständiger Rechtsprechung „integraler Bestandteil des Mehrwertsteuersystems“ ist und grundsätzlich nicht einschränkbar ist.

Für das deutsche Umsatzsteuerrecht hat die Entscheidung jedoch auch unmittelbare Folgen. Die Feststellungen des EuGH weichen nämlich von der deutschen Rechtslage ab.

Nach derzeitiger Rechtslage ist für den deutschen Unternehmer die Umsatzsteuer auf den fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb – sofern der Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist - (sofort) als Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG abziehbar und somit das ganze Geschäftsmodell ein „Nullsummenspiel“. Führt das deutsche Unternehmen den Nachweis der Versteuerung im Bestimmungsland, sind Umsatzsteuer und Vorsteuer entsprechend § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG zu berichtigen. Diese gesetzliche Regelungspraxis kann nach dem Urteil des EuGH nicht mehr gelten. Der deutsche Gesetzgeber ist nach der Entscheidung gezwungen, § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG zu ändern bzw. zu konkretisieren und den Vorsteuerabzug in Fällen des § 3d Satz 2 UStG zu verwehren.

Für „mittlere Unternehmer“ in einem Reihengeschäft ist daher zukünftig – sofern die Vereinfachungsregelung des Dreiecksgeschäfts nach (§ 25 b UStG) nicht greift – die Verwendung der USt-ID Nummer ihres Ansässigkeitsstaates mit einem unter Umständen erheblichen Cash-flow Nachteil verbunden. Der Unternehmer muss die Steuer zahlen, kann diese Steuer jedoch nicht als Vorsteuer zum Abzug bringen. Die bezahlte Steuer erhält er erst erstattet, wenn er die Besteuerung im Bestimmungsland der Ware nachgewiesen hat.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 22.04.2010, C-536/08, C-539/08

Ansprechpartner

Dr. Eduard Forster | München

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