EuGH: Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweckguthabenkarten in der Telekommunikation
Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 03.05.2012 zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Verkaufs und des Vertriebs von Telefonkarten (Guthabenkarten) Stellung genommen. Nach Ansicht des EuGH erbringt der Telefonanbieter bei Verkauf von Telefonkarten über einen Vertriebshändler, die Telekommunikationsdienstleistung an den Vertriebshändler und nicht an den Endkunden.
Sachverhalt
Ein britisches Telekommunikationsunternehmen verkaufte Telefonkarten an in mehreren anderen Mitgliedstaaten ansässige Vertriebshändler zu einem unter dem Nennwert der Telefonkarten lautenden Preis. Die Vertriebshändler veräußerten die Karten im eigenen Namen und für eigene Rechnung an andere Vertriebshändler oder an (private) Endkunden. Um kostengünstig Anrufe ins Ausland zu tätigen mussten die Endkunden die auf der Telefonkarte angegebene lokale Zugangsnummer wählen und den ebenso angegebenen PIN-Code verwenden. Streitpunkt war der Leistungsort der Besteuerung: Die britische Gesellschaft ging davon aus, dass sie den Vertriebshändlern gegenüber Telekommunikationsdienstleistungen bei Ausgabe der Telefonkarten erbringt, die am Ort des Leistungsempfängers steuerbar und gegebenenfalls unter Beachtung der Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft steuerpflichtig sind. Es wurde folglich keine britische Umsatzsteuer ausgewiesen. Dagegen sah die britische Steuerverwaltung zwei Dienstleistungen: eine in der Übergabe der Telefonkarten an die Vertriebshändler und die andere in der Einlösung der Telefonkarten durch den Endkunden, womit die britische Gesellschaft die Leistung nach der Grundregel für Dienstleistungen an Nichtunternehmer (B2C) dort besteuern sollte, wo sie ihren Sitz hatte, also in Großbritannien.
Der EuGH sollte die unterschiedlichen Rechtsauffassungen nun klären.
Entscheidung
Der EuGH entschied, dass ein Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, der an Vertriebshändler Telefonkarten verkauft, nur eine Dienstleistung an den Vertriebshändler erbringt. Er erbringt keine zweite entgeltliche Dienstleistung an den Endnutzer, wenn dieser, nachdem er die Telefonkarte erworben hat, von dem Recht Gebrauch macht, mit Hilfe der Informationen auf der Karte Anrufe zu tätigen.
Anmerkung
Die Finanzverwaltung hat sich dem Urteil des EuGH mit BMF-Schreiben vom 24.09.2012 insoweit angeschlossen, als dass die dort zu Grunde gelegten Regelungen auch für deutsche Telefonanbieter, Vertriebshändler etc. übernommen werden. Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 01.01.2013 entgeltlich abgegebene Einzweckguthabenkarten ist eine Nichtbeanstandungsregelung enthalten.
Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils vom 03.05.2012 führt das BMF aus: Bei der entgeltlichen Abgabe von Telefonkarten, mit denen es dem Abnehmer ermöglicht wird, Anrufe über die zur Verfügung gestellte Infrastruktur zu tätigen, bei denen die Verwendung des Guthabens für andere Leistungen technisch ausgeschlossen ist und die alle zur Tätigung der Anrufe notwendigen Informationen enthalten, handelt es sich um die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen eines Telefonanbieters.
Diese Leistungen werden bereits bei Abgabe der Telefonkarte ausgeführt; es ist unerheblich, wann das Guthaben tatsächlich für Telefongespräche in Anspruch genommen wird. Sofern Zwischenhändler in den Vertrieb eingeschaltet werden, ist auf jeder Stufe zu klären, ob es sich um eine Telekommunikationsdienstleistung oder eine Vermittlungsleistung handelt.
Für vor dem 01.01.2013 entgeltlich abgegebene Einzweckguthabenkarten beanstandet es die Verwaltung nicht, wenn der Unternehmer den vereinnahmten Betrag unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 03.12.2001 erst bei Aktivierung des Kartenguthabens als Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG versteuert und nachfolgend das Telefonieren des Endnutzers als umsatzsteuerliche Leistung behandelt.
Betroffene Norm
§ 10 Abs. 1 UStG
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG
§ 3 Abs. 11 UStG
Fundstellen
EuGH, Urteil vom 03.05.2012, C-520/10
BMF, Schreiben vom 24.09.2012, IV D 2 – S 7100/08/10004 :004
BMF, Schreiben vom 03.01.2001, IV B7 – S 7100 – 292/01; BStBl I S. 1010