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24.09.2013
Indirekte Steuern/Zoll

Reverse-Charge-Verfahren: BMF konkretisiert Anwendung der Neureglungen bei Strom- und Erdgaslieferungen

Finanzverwaltung führt Vordruck für den Nachweis für Wiederverkäufer von Erdgas und/oder Elektrizität ein und veröffentlicht Hinweise zum Anwendungsbereich der Umkehr der Steuerschuld für die Praxis.

Hintergrund

Seit dem 01.09.2013 sind die Neuregelungen zum Reverse-Charge-Verfahren für Strom- und Erdgaslieferungen in Kraft. Aufgrund der Komplexität der Geschäftsvorgänge im Rahmen der Strom und Erdgaslieferungen einschließlich des Netzbetriebs und der Vielzahl der involvierten Parteien kam es in der Praxis zu Fragen der Reichweite der Neuregelungen.

Bisherige Regelungen und Praxisprobleme
Unklar war insbesondere die Qualifikation von Vorgängen als Lieferung oder sonstige Leistungen. Bisher waren die Äußerungen der Finanzverwaltung eher spärlich (vgl. Tz. 1.7 Umsatzsteueranwendungserlass). Dies führte in der Praxis regelmäßig zu einer Vielzahl von Interpretationen über die Reichweite der dort genannten Sachverhalte und die parallele Anwendung von Sachverhalten.

Da die Neuregelungen insbesondere von der Qualifikation des Lieferers und des Abnehmers abhängt, ergaben sich insbesondere Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf der Qualifikation des Leistungsempfängers als Erdgaslieferer bzw. Wiederverkäufers sowie dessen Nachweisführung.

Nicht zuletzt war für die Unternehmen der Zeitraum zwischen der Einführung der Neureglungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung von steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz/AmtshilfeRLUmsG) und der notwendigen Europäische Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22.07.2013 (am 26.07.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht) und dem Inkrafttreten der Neuregelungen am 01.09.2013 sehr knapp bemessen, um die innerbetrieblichen Prozesse, die Kommunikation mit den Vertragspartnern und nicht zuletzt eine rechtssichere Abbildung sämtliche innerhalb des Unternehmens vorkommenden Sachverhalte im Zusammenhang mit den Erdgas- und Stromlieferungen von Anfang an zu gewährleisten.

Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses durch das Bundesfinanzministerium
Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr in zwei veröffentlichten BMF-Schreiben reagiert und neben Interpretationshinweisen für eine Vielzahl von Einzelsachverhalten (zum Beispiel zur Qualifikation von Lieferungen bei Elektrizität, Organschaftssachverhalten, Leistungsbezüge von Unternehmern im nichtunternehmerischen Bereich) einen amtlichen Vordruck für den „Nachweis für Wiederverkäufer von Erdgas und/oder Elektrizität für Zwecke der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ und eine Übergangsregelung für vor dem 01.01.2014 ausgeführte Leistungen eingeführt.

Zudem enthält das BMF-Schreiben zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) eine Einschränkung des Wortlauts der Neuregelungen zur Umkehr der Steuerschuld bei Erdgaslieferungen.

Nach dem Wortlaut des § 13b Absatz 5 Satz 3 UStG kommt es zur Umkehr der Steuerschuld in den in § 13b Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b UStG genannten Lieferungen von Erdgas, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der Lieferungen von Erdgas erbringt. In der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift sind als Leistungsempfänger, die selbst Gas über das Erdgasnetz liefern, insbesondere die Unternehmer anzusehen, die eine Bestätigung des zuständigen Hauptzollamtes über eine Anmeldung nach § 38 Absatz 3 Energiesteuergesetz erhalten haben, nach der sie Erdgas im Inland liefern wollen. Diese Anmeldung als energiesteuerlicher Erdgaslieferer qualifiziert Unternehmen jedoch als Erdgaslieferer im Sinne des § 13b Absatz 5 Satz 3 UStG, nicht zwingend jedoch als Wiederverkäufer im Sinne des § 3g UStG.

Nunmehr hat das BMF in Tz. 13b 3a Absatz 2 Satz 2 UStAE klargestellt, dass als Unternehmer, die selbst Erdgas über das Erdgasnetz liefern, – in richtlinienkonformer Anwendung der nationalen Regelung – die Unternehmer anzusehen sind, die Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g Abs. 1 UStG sind. In Bezug auf den Leistungsempfänger ist daher ein Gleichlauf der Qualifikation als Wiederverkäufer bei der Lieferung von Elektrizität und Erdgas sichergestellt. Bei der Lieferung von Elektrizität muss auch der Lieferant die Wiederverkäuferseigenschaft, bei der Lieferung von Erdgas muss der Lieferant die Qualifikation als Wiederverkäufer hingegen nicht erfüllen. Damit wird der Wortlaut des Gesetzes eingeschränkt. Aus dem Erdgaslieferer wird – ebenso wie beim Strom – der Wiederverkäufer. Die Begriffe sind nicht zwingend deckungsgleich, ein Wiederverkäufer ist Erdgasliefefer, ein Erdgaslieferer jedoch nicht zwingend Wiederverkäufer.

Es wäre denkbar, dass sich ein Lieferant auf den Wortlaut des Gesetzes beruft und keine Umsatzsteuer ausweist, sofern dieser an einen Erdgaslieferer (angemeldet als Erdgaslieferer nach § 38 Absatz 3 EnergieStG) liefert, dieser jedoch kein Wiederverkäufer Im Sinne des § 3g UStG ist. Für den Lieferer wäre der Wortlaut des Gesetzes günstiger, wonach in diesem Fall keine Steuerschuld in seiner Person entsteht. Der Leistungsempfänger ist jedoch kein Wiederverkäufer und beruft sich auf die für ihn günstigere richtlinienkonforme Auslegung. Auch in seiner Person entsteht keine Steuer. In einem solchen Fall dürfte es zu Steuerausfällen kommen, da sich jeder von beiden in seinem eigenen Steuerschuldverhältnis auf die für ihn günstigere Regelung beruft. Von daher wäre hier eine Änderung des Gesetzeswortlautes empfehlenswert. Nicht zuletzt sollte sich aber auch aus energiesteuerlichen Gründen der Lieferant den Nachweis über die Anmeldung als Erdgaslieferer vorlegen lassen, um über den Ausweis der Energiesteuer Klarheit zu haben.

Einführung eines Vordrucks zur Nachweisführung
Der neu eingeführte Vordruck sollte in der Praxis zumindest im Ansatz eine Vereinfachung mit sich bringen. Nach dem BMF-Schreiben ist von der Wiederverkäufereigenschaft des Unternehmers auszugehen, wenn er einen im Zeitpunkt der Lieferung gültigen Nachweis des für ihn zuständigen Finanzamts im Original oder in Kopie vorlegt. Mit Ausnahme der Kenntnis des Vertragspartners von der Verwendung eines gefälschten Nachweis kommt es zu einer Umkehr der Steuerschuld auch dann, wenn der Leistungsempfänger bei der Lieferung von Erdgas einen Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TH verwendet, er aber im Zeitpunkt der Lieferung tatsächlich kein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g UStG ist. Bei der Lieferung von Elektrizität ist der Vordruck sowohl für den Lieferanten als auch für den Leistungsempfänger zu verwenden.

Praxishinweise

In der Praxis ist zu beachten, dass die Gültigkeitsdauer der Bescheinigung auf einen Zeitraum von längstens einem Jahr nach Ausstellungsdatum beschränkt wird. Von daher ist ein regelmäßiges Monitoring der Eigenschaft der Vertragsparteien als Wiederverkäufer (bei der Lieferung von Erdgas nur der Abnehmer, bei der Lieferung von Elektrizität sowohl Lieferant als auch Abnehmer) und das Vorliegen und die Archivierung der betreffenden Nachweise für jeden Vertragspartner (sowohl für die Einkäufe als für Verkäufe) empfehlenswert. Sollte diese Dokumentation nicht geführt werden können, besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung für die ausgeführten Lieferungen Umsatzsteuer nacherhebt. Die Unternehmen sollten also regelmäßig und wiederkehrend Vorsorge treffen und entsprechende innerbetriebliche Prozesse einrichten.

Sofern ein Leistungsempfänger für einen an ihn erbrachten Umsatz von der Umkehr der Steuerschuld ausgegangen ist und angewandt hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür fraglich waren oder sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben (zum Beispiel beim Wegfall der Wiederverkäufereigenschaft des Leistungsempfängers oder bei Strom des Lieferanten), hilft den Vertragsparteien die Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung, wenn sich beide Vertragspartner über die Anwendung von § 13b UStG einig waren und der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird.

Die Praxis wird nunmehr zeigen, welche Herausforderungen sich für die betroffenen Unternehmen ergeben. Viele Praxisfragen wurden von der Finanzverwaltung gelöst, andere Fragen blieben ungeklärt. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF in der Folgezeit weitere Fragen löst und die mit der Einführung der Neuregelungen zur Umkehr der Steuerschuld bei Strom- und Erdgaslieferungen verbundene Praxisprobleme im Einzelfall praxisgerecht lösen wird.

Fundstellen

BMF-Schreiben zu den Änderungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG) durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 19.09.2013 

BMF-Schreiben Vordruckmuster für den Nachweis für Wiederverkäufer von Erdgas und/oder Elektrizität für Zwecke der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vom 19.09.2013

Ihre Ansprechpartner

Tino Wunderlich

twunderlich@deloitte.de
Tel.:

Olaf Kaping

okaping@deloitte.de
Tel.:

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