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05.10.2015
Indirekte Steuern/Zoll

Stromsteuer: Wirtschaftlich bedeutsame Steuerentlastung auf dem Prüfstand des EuGH

Ist Strom zum Antrieb von Winderzeugern zur Initiierung und der Aufrechterhaltung einer chemischen Reduktion nach § 9a Absatz 1 Nr. 4 StromStG entlastungsfähig? Finanzgericht Düsseldorf setzt Verfahren aus und legt dem EuGH vor.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Betreiberin eines Stahlwerkes. In den Hochöfen erzeugte sie Roheisen. Zur Herstellung des Roheisens findet in den Hochöfen eine chemische Reduktion statt. Die chemische Reduktion wird in eine indirekte (bei Temperaturen bis ca. 1.000°C) und in die direkte Reduktion (bei Temperaturen über 1.000°C) unterteilt. Bei der direkten chemischen Reduktion wird unter Druck eingeblasene Luft verwendet, um die im Rahmen der chemischen Reduktion notwendigen chemischen Reaktionen auszulösen. Die unter Druck eingeblasene Luft wird in Winderzeugern des Werkes hergestellt. Dazu wird die Umgebungsluft auf einen Überdruck von ca. 3,5 bar verdichtet, um über Rohrleitungen zwischen den Winderzeugern und den Winderhitzern zu gelangen. Von dort gelangt die erhitzte und komprimierte Luft durch weitere Gebläse in den Hochofen.

Die eingeblasene Druckluft war sowohl für das in Gang setzen als auch für die Aufrechterhaltung der chemischen Reduktion notwendig.

Die Klägerin beantragte beim Beklagten die Entlastung von der Stromsteuer nach § 9a Absatz 1 Nr. 4 StromStG für die Mengen, die sie zum Antrieb der Winderzeuger verwandt hatte. Der Beklagte lehnte die Steuerentlastung mit dem Argument ab, dass der Strom in erster Linie zum Motorenantrieb zur Pressluftherstellung eingesetzt worden sei und nicht der chemischen Reduktion von Eisenerz gedient habe.

Die Klägerin verfolgte ihr Begehren weiter und erhob Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf.

Sie beruft sich auf Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b) 3. Anstrich RL 2003/96, wonach die Richtlinie nicht für Strom gelte, der hauptsächlich für Zwecke der chemischen Reduktion verwendet werde. Die Klägerin schlussfolgert daraus, dass daher der insoweit eingesetzte Strom komplett von der Stromsteuer befreit werden müsse. Aus § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG folge zudem, dass aus der Verwendung des Wortes „für“ zum Ausdruck komme, dass der Steuerentlastungstatbestand alle Stromentnahmen umfassen müsse, die dem chemischen Reduktionsverfahren dienten. Folglich schließe das chemische Reduktionsverfahren mehrere Prozessschritte ein und umfasse daher auch die Stromentnahmen, die im Rahmen eines Produktionsverfahrens verwendet wurden. Im Übrigen ist nach Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b) 3. Anstrich RL 2003/96 die Verwendung von Strom hauptsächlich für die chemische Reduktion vorgesehen und jede andere Verwendung in diesem Zusammenhang zulässig. Folglich muss die Steuerentlastung insbesondere für Stromentnahmen im Zusammenhang mit dem Transport bzw. der Erzeugung der Druckluft zugelassen werden, da ohne diese Vorgänge das chemische Reduktionsverfahren im Hochofen nicht möglich wäre. Eine Trennung in mehrere Prozesse sehe weder § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG noch die Richtlinie 2003/96 vor.

Entscheidung

Das Finanzgericht Düsseldorf teilte die Zweifel des Klägers an der Auslegung des § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG durch das Hauptzollamt. Der Gesetzgeber, so dass Finanzgericht Düsseldorf, wollte mit § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG lediglich den Regelungsbereich des Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b) 3. Anstrich RL 2003/96 ausfüllen. Folglich ist die Interpretation und der Regelungsbereich zwischen § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG und Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b) 3. Anstrich RL 203/96 hinsichtlich der Verwendung für chemische Reduktionsverfahren identisch. Eine engere Auslegung durch den nationalen Gesetzgeber sei nicht erkennbar. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die im Hochofen stattfindende direkte chemische Reduktion des Eisenerzes zu Roheisen von dem Einblasen der unter Druck erhitzten Umgebungsluft abhängig sei. Die Verwendung der Druckluft stelle somit einen unabdingbaren Bestandteil des im Hochofen stattfindenden Prozesses und im Ergebnis auch des chemischen Reduktionsverfahrens dar. Insbesondere sollte entgegen der Ansicht des Beklagten dieser Prozess nicht als vorgelagerter, bereits abgeschlossener Teilprozess beurteilt werden.

Das Finanzgericht Düsseldorf würdigte die Herstellung heißer Druckluft nicht als einen abgeschlossenen Herstellungsvorgang eines Vorproduktes. Vielmehr sei dieser Prozess zwingend für die notwendige Versorgung des ohne Unterbrechung arbeitenden Hochofens mit einem der erforderlichen Reduktionsmittel. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die entsprechende Richtlinie vorsieht, dass die Verwendung des Stroms nur hauptsächlich für Zwecke der chemischen Reduktion erfolgen müsse.

Das Finanzgericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 3. Anstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom hinsichtlich des Hochofenprozesses zur Roheisenherstellung dahingehend auszulegen ist, dass auch der Strom zum Antrieb der Winderzeuger als Strom anzusehen ist, der hauptsächlich für Zwecke der chemischen Reduktion verwendet wird.

Fazit

Die Praxis zeigt, dass die Finanzverwaltung im Rahmen der Bearbeitung der Steuerentlastungsanträge und in Betriebsprüfungen eine eher enge Interpretation der Steuerentlastungsvorschriften vornimmt.

Gerade große Stromverbräche führen zu einer hohen Belastung mit Stromsteuer. Energieintensive Unternehmen mit vielgestaltigen Prozessen sind mit einer Vielzahl von Entlastungsmöglichkeiten konfrontiert, die in Abhängigkeit des jeweiligen Entlastungstatbestandes eine teilweise oder vollstände Entlastung von der Stromsteuer vorsehen.

Bei stetig steigenden Energiekosten besteht daher das Interesse an einer Optimierung der Steuerquote und der optimalen Ausschöpfung von steuerlichen und außersteuerlichen Entlastungsmöglichkeiten, hier an einer vollständigen Entlastung von der Stromsteuer. Allerdings sind die formalen Anforderungen aufgrund der unterschiedlichen Entlastungsanträge und deren subsidiärer Wirkung verbunden mit der kurzen Verjährungsfrist hoch.

Die Entscheidung des EuGH kann nicht nur für die Stahlbranche, sondern auch für weitere Branchen wirtschaftliche Bedeutung haben, die Strom in vergleichbaren Sachverhalten zum in-Gang setzen bzw. zur Aufrechterhaltung des chemischen Reduktionsverfahrens verwenden.

In der Zwischenzeit sollten die jeweiligen Verbräuche und deren steuerliche Einordnung unternehmensintern geprüft und bei vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Notwendigkeiten entsprechende Stromsteuerentlastungsanträge nach § 9a Abs. 1 Nr. 4 StromStG oder Änderungsanträge für vergleichbare Stromentnahmen gestellt werden.

Fundstelle

FG Düsseldorf, Urteil vom 19.08.2015, 4 K 956/14 VSt

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