Keine “finale Betriebsaufgabe” durch Betriebsverlegung ins Ausland
Sachverhalt
Der Kläger wurde im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Erfinder. Seinen diesbezüglichen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1990. Der Kläger war außerdem alleiniger Gesellschafter der K-GmbH mit Sitz in Deutschland und zu 95 % Gesellschafter einer gleichnamigen GmbH mit Sitz in der Schweiz. Seine Einkünfte als Erfinder erzielte er dadurch, dass er seine in seinem Einzelunternehmen gemachten Erfindungen u.a. diesen beiden Gesellschaften sowie anderen Unternehmen zur Nutzung überließ. In 1995 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach Belgien, von wo aus er sein Einzelunternehmen unverändert weiterführte. Das Finanzamt war der Auffassung, der Umzug des Klägers nach Belgien habe zu einer Aufgabe des Einzelunternehmens geführt. Dementsprechend legte er der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr einen steuerbegünstigten Betriebsaufgabegewinn zugrunde. Zusätzlich setzte das Finanzamt im Hinblick auf den Wechsel der Gewinnermittlungsart einen Übergangsgewinn an, beruhend auf Forderungen aus Lizenzverträgen mit der K-GmbH und mit einem britischen Unternehmen.
Entscheidung
Der BFH hat nun seine Rechtsprechung zur sog. finalen Betriebsaufgabe aufgegeben. Nach der Theorie der finalen Betriebsaufgabe musste der Unternehmer, der seinen bisher im Inland ansässigen Betrieb in einen ausländischen Staat verlegte und von dort aus fortführte, die im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven - wie bei einer Betriebsaufgabe - sofort aufdecken und versteuern. Eine solche „Entstrickung“ hat der BFH nunmehr verneint. Der Kläger - ein selbständiger Erfinder - konnte sein Unternehmen deshalb „steuerneutral“ nach Belgien verlegen, eine Sofortbesteuerung unterblieb.
Falls der Unternehmer den Betrieb später einmal verkauft oder aufgibt, unterliegen die dadurch „realisierten“ stillen Reserven, soweit sie in Deutschland erwirtschaftet worden sind, weiterhin der inländischen Besteuerung. Das gilt auch dann, wenn der Gewinn aus dem in das Ausland verlegten Betrieb aufgrund eines DBA mit dem Zuzugsstaat von der inländischen Besteuerung freigestellt ist und wenn der Unternehmer auch seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt hat. Dass es für die deutschen Finanzbehörden oftmals schwierig sein wird, den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland nachzuvollziehen, ändert daran nichts.
Das Urteil betraf eine Betriebsverlegung im Jahre 1995. Mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wurde zwischenzeitlich mit Wirkung vom VZ 2006 an ein sog. „Entstrickungsparagraph“ in das Gesetz eingefügt, der die bislang fehlende Rechtsgrundlage für Entstrickungsvorgänge schafft. Zu dieser (neuen) Rechtslage hat sich der BFH nicht geäußert. Sowohl nach bisheriger als auch nach neuer Gesetzeslage besteht allerdings immer die Gefahr von Doppelbesteuerungen, falls auch der Zuzugsstaat von dem Besteuerungsrecht, das ihm im DBA zugewiesen worden ist, bei der späteren Realisierung der stillen Reserven uneingeschränkten Gebrauch macht.
Vorinstanz
FG Köln vom 18.03.2008, Az. 1 K 4110/04, EFG 2009, S. 259
Fundstelle:
BFH vom 28.10.2009, I R 99/08, BStBl II 2011, S. 1019