BFH: Nichtrückkehrtage bei der Anwendung der Grenzgängerregelung des DBA-Frankreich
Sachverhalt
Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der K-GmbH in Deutschland angestellt und wurde u.a. im Außendienst eingesetzt. Der Wohnsitz des Klägers befindet sich in Frankreich. Strittig war zwischen dem Kläger und dem Finanzamt die Anwendung der Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 des DBA-Frankreich. Insbesondere die Berücksichtigung der Dienstreisen zur Bestimmung der Nichtrückkehrtage war zwischen den Parteien strittig.
Das Finanzamt zählte die Hin- und Rückreisetage (bei mehrtägigen Dienstreisen) und die Nichtarbeitstage ("Taifunwarnung") generell als Nichtrückkehrtage; auch die Krankheitstage seien als Nichtrückkehrtage zu werten, da der Kläger nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass er tatsächlich wegen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei.
Das Finanzgericht des Saarlandes gab der Klage desSteuerpflichtigen mit Urteil vom 12.08.2008, Az. 2 K 2024/03, EFG 2008, S. 1686, statt.
Entscheidung
Der BFH hat mit Urteil vom 11.11.2009, Az. I R 84/08 die Nichtrückkehrtage im Sinne der Grenzgängerregelung des DBA-Frankreich abweichend von der Entscheidung der Vorinstanz bestimmt und die Entscheidung des Finanzgerichts in Teilen aufgehoben.
Art. 13 Abs. 5 Buchst. a DBA-Frankreich bestimmt, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaates arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates haben, abweichend von Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, sog. Grenzgängerregelung. Ein Arbeitnehmer verliert die Grenzgängereigenschaft nicht bereits dadurch, dass er nicht täglich von seinem Arbeitsort im Grenzgebiet an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Die Nichtrückkehr des Arbeitnehmers an einem Arbeitstag ist insoweit unschädlich, wenn die Summe der Arbeitstage, an denen es an einer solchen Rückkehr fehlt, eine Höchstgrenze nicht überschreitet. Nach der Verständigungsvereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich zur Anwendung der Grenzgängerregelung geht die Grenzgängereigenschaft bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während des ganzen Kalenderjahres nur dann verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen entweder nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist, BMF-Schreiben vom 03.04.2006, BStBl. I 2006, S. 304 Tz. B.2.
Dieser Beurteilung schloss sich der BFH an. Damit können nach seiner Ansicht Nichtrückkehrtage im Sinne des DBA-Frankreich folglich nur dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer entweder außerhalb der Grenzzone tätig wird oder nicht arbeitstäglich zu seinem Wohnsitz zurückkehrt.
Eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone sind nach Ansicht des BFH daher als Nichtrückkehrtage im Sinne des DBAs anzusehen, da der Arbeitnehmer außerhalb der Grenzzone tätig wird. Unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung sieht der BFH dabei nur diejenigen Dienstreisetage als Nichtrückkehrtage an, an denen der Arbeitnehmer den ganzen Tag außerhalb der Grenzzone tätig geworden ist. Kein Nichtrückkehrtag liegt daher bereits durch kurzzeitige Tätigkeiten des Arbeitnehmers innerhalb der Grenzzone vor. Durch das Erfordernis der ganztägigen Tätigkeit außerhalb der Grenzzone werden praktische Probleme bei der Nachweisbarkeit der stundenweisen Außentätigkeit vermieden.
Die mit der eintägigen Dienstreise verbundene Reisetätigkeit innerhalb der Grenzzone führt nicht zu einer Tätigkeit in der Grenzzone, sondern ist als bloßer Transfer der Tätigkeit des Arbeitnehmers außerhalb der Grenzzone zuzuordnen. Damit hält der erkennende Senat, soweit er in seinem Beschluss vom 25.11.2002, I B 136/02, BStBl. II 2005, S. 375, eine andere Auffassung vertreten hat, daran nicht mehr fest.
Bei mehrtägiger Dienstreise außerhalb der Grenzzone unterscheidet der BFH in seinem Urteil zur Beurteilung der Hinreisetage danach, ob der Arbeitnehmer vor der Abreise zwischen seinem Wohnsitz und dem Arbeitsort in der Grenzzone "gependelt" ist.
Bloße Hinreisetage sind bereits aufgrund der fehlenden Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz als Nichtrückkehrtage zu werten. Daher ist es im Gegensatz zu eintägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone für die Annahme eines Nichtrückkehrtages nicht erheblich, ob der Arbeitnehmer den ganzen Arbeitstag außerhalb der Grenzzone tätig geworden ist. Sofern der Arbeitnehmer jedoch am Hinreisetag zunächst an seiner Arbeitsstätte in der Grenzzone dienstliche Tätigkeiten verrichtet hat und erst nach der Rückkehr an den Wohnsitz zur Dienstreise in den Drittstaat aufgebrochen ist, so liegt kein Nichtrückkehrtag vor, da es weder an der Arbeitstätigkeit in der Grenzzone fehlt noch an der Rückkehr an den Wohnsitz.
Rückreisetage im Rahmen einer mehrtägigen Dienstreise außerhalb der Grenzzone zählen ebenso wie eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone nach Ansicht des BFH nur dann nicht zu den Nichtrückkehrtagen im Sinne des DBA-Frankreich, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss in die Dienstreise seine Arbeit in der Grenzzone ausgeübt hat. Die bloße Reisetätigkeit gilt nicht als Tätigkeit in der Grenzzone.
Keine Nichtrückkehrtage liegen hingegen vor, wenn die Dienstreisetage auf Samstage, Sonn- und Feiertage entfallen, da als Nichtrückkehrtage nur Arbeitstage in Frage kommen. Als Arbeitstage i.S.d. DBA-Frankreich zählen die vertraglich vereinbarten Arbeitstage sowie alle weiteren Tage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Damit sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und Urlaubstage keine Arbeitstage im Sinne des DBA-Frankreich, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen keine dienstlichen Tätigkeiten verrichtet.
Bereits in seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH Krankheitstage nicht als Nichtrückkehrtage beurteilt, da sie die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Tätigkeitsstaates und in die Lebenswelt des Wohnsitzstaates nicht beeinträchtigen. Dies gilt nach der Entscheidung des BFH vom 11.11.2009 auch insoweit, als die Krankheitstage auf Hin- und Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen entfallen.
Ist der Arbeitnehmer infolge höherer Gewalt, hier auf Grund einer Taifunwarnung, an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert, handelt es sich nach Ansicht des BFH bei diesen Tagen weiterhin um Arbeitstage. Diese Tage gehören daher zu den für die Grenzgängereigenschaft schädlichen Nichtrückkehrtagen. Allein entscheidend war für den BFH, dass sich der Kläger an den betreffenden Tagen aus beruflichen Gründen außerhalb der Grenzzone aufhielt.
Vorinstanz
Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 12.08.2008, Az. 2 K 2024/03, EFG 2008, S. 1686.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 11.11.2009, Az. I R 84/08, BStBl II 2010, S. 390.