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20.12.2010
Internationales Steuerrecht

BFH: Niedrigbesteuerung von Tochtergesellschaften ausländischer Versicherungsunternehmen in Irland

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der das Versicherungsgeschäft in Deutschland sowie im europäischen Ausland betreibt und zu diesem Zweck Beteiligungen an zahlreichen in- und ausländischen Tochtergesellschaften hält. U.a. ist er Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft irischen Rechts (X-Ltd.) mit Sitz im International Finance and Service Center in Dublin ("Dublin Docks"). Die X-Ltd. gründete eine weitere in den Dublin Docks ansässige Kapitalgesellschaft irischen Rechts (XYZ-Ltd) und schloss mit dieser einen Betriebsführungsvertrag ("management agreement"), in der sich die XYZ-Ltd. verpflichtete, sämtliche für die Geschäftsausübung der X-Ltd. erforderlichen Tätigkeiten zu erbringen. Die XYZ-Ltd. unterhielt in Dublin umfangreiche und voll ausgestattete Büroräume und beschäftigte mehrere Arbeitnehmer.

Der Kläger erklärte Gewinnausschüttungen der X-Ltd. als nach dem DBA-Irland steuerfreie Schachteldividenden. Das Finanzamt war der Auffassung, bei der X-Ltd. handele es sich um eine Zwischengesellschaft i.S. der §§ 7 ff. AStG a.F., so dass die im Jahr 1995 von ihr erzielten Einkünfte geeignet seien, beim Kläger für das Jahr 1996 die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 10 AStG a.F. auszulösen. Die deswegen vom Kläger erhobene Sprungklage hatte Erfolg.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der X-Ltd. im Jahr 1995 erzielten Einkünfte dem Einkommen des Klägers nicht nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG a.F. hinzuzurechnen sind.

Von der sog. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG werden im Inland ansässige Steuerpflichtige getroffen, die sich in einem sog. Niedrigsteuerland als Gesellschafter an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligen, welche als "Zwischengesellschaft" keine oder nur "passive" eigene Aktivität entwickelt und nicht "wirklich" am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt. Für diesen Fall werden die Einkünfte der Gesellschaft den Einkünften der inländischen Gesellschafter hinzugerechnet. Die Voraussetzungen einer Hinzurechnung sind im Streitfall insoweit unzweifelhaft gegeben, als es sich bei der X-Ltd. um eine Körperschaft i.S.d. KStG gehandelt hat, die im Jahr 1995 weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hatte, deren Einkünfte einer niedrigen Besteuerung unterlagen und an der der Kläger zu mehr als der Hälfte beteiligt war. Kontrovers beurteilt wird von den Beteiligten, ob die Hinzurechnung deshalb zu unterbleiben hat, weil die von der X-Ltd. erzielten Einkünfte dem "Aktivitäts"-Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. unterfallen. Das wäre der Fall, wenn es sich um Einkünfte handelte, die aus dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen stammten, die für ihre Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhielten. Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall zu Recht bejaht.

Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. ist gegeben, wenn das Unternehmen so ausgestattet ist, dass es über eine personelle und sachliche Mindestausstattung für Bank- oder Versicherungsgeschäfte verfügt und für die Geschäfte eines Bank- oder Versicherungsunternehmens die nach dem jeweiligen ausländischen Recht erforderlichen Handelsbücher führt und Bilanzen aufstellt. Das Erfordernis des in kaufmännischer Weise eingerichteten Betriebs betrifft also unmittelbar (nur) die Organisation des Betriebs, nicht aber das Erfordernis, selbst und ausschließlich eine entsprechende Tätigkeit "am Markt" auszuüben. Die X-Ltd. hat im Jahr 1995 das Versicherungsgeschäft in der Weise betrieben, dass sie unter Zuhilfenahme der Dienste der XYZ-Ltd. in beträchtlichem Umfang (Rück-)Versicherungsverträge akquiriert, dabei die Versicherungsrisiken und -prämien selbständig abgeschätzt und den für das Rückversicherungsgeschäft erforderlichen Kapitalstock angelegt hat. Die X-Ltd. - nicht aber die XYZ-Ltd. - verfügte über die für das von ihr betriebene Geschäft in Irland notwendige versicherungsaufsichtsrechtliche Erlaubnis und hat die dafür erforderlichen Handelsbücher geführt, die Geschäftskorrespondenz aufbewahrt und eine Bilanz aufgestellt. Mithin hat die X-Ltd. für die fraglichen Einkünfte über eine in kaufmännischer Weise eingerichtete Organisation verfügt, mit der sie in der Lage war, die von ihr ausgeübten Versicherungsgeschäfte im Sitzstaat abzuschließen und abzuwickeln.
An diesem Befund ändert es nichts, dass die X-Ltd. sich durch den Betriebsführungsvertrag für ihre Tätigkeit der Dienste und damit letztlich auch der Betriebsorganisation dieser Gesellschaft bedient hat. Denn die XYZ-Ltd. hat in der Weise für die X-Ltd. agiert, dass sie die Versicherungsgeschäfte ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Geschäftsherrin abgeschlossen hat, die X-Ltd. mithin aus allen abgeschlossenen Verträgen unmittelbar selbst berechtigt und verpflichtet worden ist. Allein die X-Ltd. hat folglich die mit dem Geschäft verbundenen Gewinnchancen innegehabt und dessen unternehmerische Risiken getragen. Das führt nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen, die auch für das Außensteuerrecht maßgeblich sind, dazu, dass die aufgrund des Betriebsführungsvertrags ausgeübte Tätigkeit steuerlich der X-Ltd. zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.1992). Ist der X-Ltd. als Geschäftsherrin aber die Tätigkeit der Betriebsführungsgesellschaft außensteuerrechtlich zuzurechnen, ist es nur konsequent, den Betriebsführungsvertrag auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. nicht als aktivitätsfeindlich zu erachten. Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass die Übertragung der Betriebsführung durch sog. "Managementverträge" steuerlich grundsätzlich anzuerkennen und nicht als missbräuchlich i.S. des § 42 AO anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2004).

Weiterhin unterliegt es keinem Zweifel, dass nach den Maßstäben des EuGH-Urteils vom 12.09.2006 („Cadbury-Schweppes“) eine Gesetzesklausel, die einem Unternehmen - hier: der X-Ltd. - unter den im Streitfall gegebenen Umständen eine "Aktivität" abspricht, mit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nicht in Einklang stehen würde. Wird in einem anderen Mitgliedsstaat eine Tochtergesellschaft errichtet, die dort aufsichtsrechtlich zum Betrieb eines Versicherungsgewerbes bestimmt und autorisiert ist und überdies beträchtliche Umsätze und Gewinne erwirtschaftet, kann dies schwerlich allein deshalb als "rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung" angesehen werden, weil die Tochtergesellschaft sich im Rahmen eines Managementvertrages eines anderen in diesem Mitgliedsstaat ansässigen Unternehmens und dessen Arbeitskräften bedient, um von dort aus ihr operatives Geschäft auszuüben.

Betroffene Normen

§§ 7 ff. AStG a.F., § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F.
Streitjahr 1996

Vorinstanz

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13.05.2009, 6 K 476/06, EFG 2009, S. 1721, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09, BStBl II 2011, S. 249

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 01.07.1992, I R 6/92, BStBl II 1993, S. 222
BFH, Urteil vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl II 2005, S. 14
EuGH, Urteil vom 12.09.2006, C-196/04 "Cadbury Schweppes", BB 2006, S. 2118

Englische Zusammenfassung

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