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02.11.2010
Private Einkommensteuer

BFH: Bewertung nicht börsennotierter Aktien

Sachverhalt

Der Kläger erwarb mit mehreren Kaufverträgen in der Zeit zwischen dem 13.10.1998 und dem 01.03.1999 Aktien der A. AG. Die Vertragsbeteiligten gingen von einem Unternehmenswert in Höhe von 22 Mio. DM bzw. 30 Mio. DM aus. Der Kläger wurde am 01.03.1999 Arbeitnehmer der A. AG. Im April 1999 wurde eine öffentliche Erstplatzierung des durch eine Kapitalerhöhung erweiterten Grundkapitals der A. AG und die Zulassung des Handels im Geregelten Markt mit Notierung im Neuen Markt geplant. Dabei wurde von einem fiktiven Eigenkapitalwert der Gesellschaft bei Börsennotierung vor der Durchführung der geplanten Kapitalerhöhung in Höhe von ca. 130 Mio. DM bis 180 Mio. DM ausgegangen.

Am 30.04. des Streitjahres 1999 beschloss die Hauptversammlung der A. AG eine Kapitalerhöhung des Grundkapitals. Der Kläger war zur Zeichnung von neuen Aktien zugelassen; er zeichnete und übernahm mit Zeichnungsschein vom 30.04.1999 entsprechend seinem Zeichnungsrecht die neuen Aktien, die in ihrer Bewertung hier streitig sind. Die Kapitalerhöhung wurde am 21.05.1999 im Handelsregister eingetragen. Der Börsengang der A. AG am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse erfolgte zum 01.07.1999.

Das Finanzamt qualifizierte den Erwerb der Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung vom 30.04.1999 als einen im Rahmen des Dienstverhältnisses des Klägers verbilligten Sachbezug in Form einer Kapitalbeteiligung an seinem Arbeitgeber, der A. AG. Es ermittelte auf Grundlage des Börsenkurses den streitigen geldwerten Vorteil aus dem Erwerb der Aktien und setzte dementsprechend die Einkommensteuer fest. Nach Einspruch ermittelte das Finanzamt den geldwerten Vorteil auf Grundlage des Ausgabepreises, setzte die Einkommensteuer entsprechend herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Das FG entsprach der Klage. Im Streitfall sei der gemeine Wert der noch nicht börsennotierten Aktien gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus weniger als ein Jahr zurückliegenden und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgten Aktienverkäufen zu ermitteln.

Entscheidung

Das FG geht bei der Bewertung des Vorteils aus der verbilligten Überlassung von Aktien zu Unrecht allein von den vor dem 02.03.1999 erfolgten Aktienverkäufen aus. Es lässt dabei insbesondere den Umstand außer Betracht, dass der zeichnungsberechtigte Kläger einen Teil seiner Vergütung über das mit der Kapitalerhöhung verbundene Beteiligungsprogramm hatte erhalten sollen und die mit der Durchführung der Kapitalerhöhung beauftragten Beteiligten dabei von deutlich höheren Bewertungen ausgegangen waren.

Der gemeine Wert nicht börsennotierter Aktien lässt sich nicht i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus Verkäufen ableiten, wenn nach den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgten Veräußerungen aber noch vor dem Bewertungsstichtag weitere objektive Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass diese Verkäufe nicht mehr den gemeinen Wert der Aktien zum Bewertungsstichtag repräsentieren, und es an objektiven Maßstäben für Zu- und Abschläge fehlt, um von den festgestellten Verkaufspreisen der Aktien auf deren gemeinen Wert schließen zu können. In diesem Fall lässt sich aus den zuvor erfolgten Verkäufen innerhalb des Jahreszeitraums ebenso wenig der gemeine Wert der Aktien zum streitigen Zeitpunkt ableiten, wie aus Verkäufen, die mehr als ein Jahr zurückliegen, um entsprechend dem Grundsatz des § 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alternative BewG von den festgestellten Verkaufspreisen auf den gemeinen Wert als Ausdruck der Wertbestätigung am Markt schließen zu können.

In diesem Fall kommt § 11 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative BewG zur Anwendung. Der gemeine Wert der Anteile ist dann unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Auch im Streitfall liegen besondere Umstände vor, die es nicht gestatten, den gemeinen Wert der Aktien zum Stichtag der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung aus zuvor erfolgten Verkäufen abzuleiten. Diese besonderen Umstände bestehen darin, dass der Arbeitgeber des Klägers und die mit der Steuerung und Platzierung der Emission als verantwortliche Konsortialführerin beauftragte Bank von einer Bewertung der Anteile ausgegangen waren, die deutlich, nämlich um mehr als 800 % von den zuvor erzielten Verkaufspreisen abwich. Die Bank legte bei der Präsentation des Börsengangs am 06.03.1999 nicht mehr einen Unternehmenswert in Höhe von 22 bis 30 Mio. DM, sondern einen solchen zwischen 130 und 180 Mio. DM zugrunde und präsentierte diese Werte auch Dritten, insbesondere künftigen Anlegern am Kapitalmarkt.

Darüber hinaus vereinbarten der Kläger und sein Arbeitgeber auch vor dem für die Zuwendung des Vorteils entscheidenden Stichtag eine relativ geringe laufende Lohnzahlung, aber eine hohe Wertzuwendung in Form von Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung und machten dies zur Geschäftsgrundlage ihres Arbeitsverhältnisses. Denn der Kläger und sein Arbeitgeber gingen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger als zeichnungsberechtigter Arbeitnehmer einen Teil seiner Vergütung durch das mit der Kapitalerhöhung verbundene Beteiligungsprogramm erhalten sollte.

Angesichts dessen lässt sich im Streitfall der gemeine Wert der vom Kläger im Rahmen der Kapitalerhöhung am 21.05.1999 erlangten streitgegenständlichen Aktien nicht aus den in der Zeit zwischen dem 13.10.1998 und dem 01.03.1999 erfolgten Veräußerungen ableiten. Es ist auch kein objektiver Maßstab erkennbar, der mittels Zu- und Abschlägen von den festgestellten Verkaufspreisen auf den gemeinen Wert der Aktien kurz vor dem Gang an den Kapitalmarkt schließen ließe. Der gemeine Wert der Aktien ist daher nach § 11 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen.

Betroffene Norm

§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG
Streitjahr 1999

Vorinstanz

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 30.05.2007, 2 K 841/06, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 29.07.2010, VI R 30/07, BStBl II 2011, S. 68

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