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15.01.2010
Private Einkommensteuer

BFH erweitert Aufteilung der Aufwendungen für gemischt veranlasste Reisen

Sachverhalt

Der angestellte EDV-Experte K besuchte eine Computer-Messe in Las Vegas. Die Messe dauerte vier Tage, von Montag - Donnerstag. K reiste am Freitag vor Beginn der Messe an und am Samstag nach Ende der Messe ab. K machte die Aufwendungen für die Reise im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung geltend: Flugkosten, Kongressgebühren, Verpflegungsmehraufwendungen und Hotelkosten für sechs Übernachtungen. Finanzamt (FA) und Finanzgericht (FG) haben von den sieben Tagen des USA-Aufenthalts nur vier Tage einem eindeutigen beruflichen Anlass zugeordnet. Daher nur zu berücksichtigen: die Kongressgebühren, Kosten für vier Übernachtungen und Verpflegungsmehraufwendungen für fünf Tage. Das FG erkannte darüber hinaus auch die Kosten des Hin- und Rückflugs zu 4/7 als Werbungskosten an. Dagegen wandte sich das FA mit der Revision und machte geltend, die Aufteilung der Flugkosten weiche von der ständigen Rechtsprechung des BFH ab.

Entscheidung

Der Große Senat ist der Auffassung des vorlegenden VI. Senats gefolgt. Aufwendungen für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten, sind grundsätzlich aufzuteilen, sofern die berufliche Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist

Aufteilungsmaßstab: die beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.

Ausnahme: Greifen die - für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden - beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Es fehlt an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung.

Damit hat der Große Senat die bisherige Rechtsprechung aufgegeben, die der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen entnommen hatte. Dies kann Auswirkungen auch auf die Beurteilung anderer gemischt veranlasster Aufwendungen haben. Ausdrücklich ausgenommen von der Änderung der Rechtsprechung sind solche unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung, die durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind (z. B. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung oder für eine Brille).

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 21.06.2001, 10 K 6288/96, EFG 2001, S. 1186.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, S. 672

Weiterer Beitrag

Geänderte Rechtsprechung des BFH zur Aufteilung von gemischt veranlassten Aufwendungen

Update vom 04.04.2012: BFH-Urteil vom 19.01.2012, VI R 3/11

Zur Klärung der beruflichen Veranlassung bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise sind auch nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 die früher entwickelten Abgrenzungsmerkmale (vgl. GrS des BFH, Beschluss vom 27.11.1978) weiter anzuwenden. Neben einer fachlichen Organisation ist daher für eine berufliche Veranlassung vor allem maßgebend, dass das Programm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen gleichartig (homogen) ist. Von Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig ist oder ob der Steuerpflichtige einer Dienstpflicht nachkommt (BFH-Urteil vom 09.12.2010). Kann die berufliche Veranlassung einer Reise nicht festgestellt werden, so gehen Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen (vgl. GrS des BFH, Beschluss vom 21.09.2009). Ein Werbungskostenabzug wird regelmäßig ausscheiden, wenn die Reise nach Programm und Ablauf einer allgemeinbildenden Studienreise entspricht. Eine Aufteilung der im Zusammenhang mit der Reise angefallenen Aufwendungen entsprechend einem beruflichen bzw. privaten Anteil der Veranlassungsbeiträge kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht, wenn keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines spezifischen Bezugs zur beruflichen Tätigkeit ersichtlich sind.

Vorinstanz
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 06.05.2010, 2 K 215/07

Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.01.2012, VI R 3/11 , siehe Deloitte Tax-News 
Weitere Fundstellen
GrS des BFH, Beschluss vom 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, S. 213
BFH, Urteil vom 09.12.2010, VI R 42/09, BStBl II 2011, S. 522

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