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28.11.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Halbabzugsverbot im Verlustfall

Wird bei der Anteilsveräußerung (§ 17 EStG) nur ein geringer Veräußerungspreis erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG a.F.) und Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG a.F.) auch im Verlustfall anzuwenden. Werden hingegen objektiv wertlose Anteile lediglich zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 Euro) veräußert, greift das Halbabzugsverbot nicht und ein Verlust ist in vollem Umfang abziehbar. Ab VZ 2011 gilt das Teilabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 S. 2 EStG n.F.) auch dann, wenn keinerlei durch die Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt werden.

Sachverhalte

Mit zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen hat der BFH Zweifelsfragen hinsichtlich der Anwendung des Halbabzugsverbots im Verlustfall (geringe Veräußerungseinnahmen bzw. lediglich symbolischer Kaufpreis) geklärt.

BFH-Urteil IX R 61/10
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war mit 18,89 % am Grundkapital einer AG beteiligt. In den Jahren 2001 und 2002 wurden bei der AG keine Ausschüttungen vorgenommen. Im Februar 2002 verkaufte der Kläger seine Aktien zum Kaufpreis in Höhe von 1 Euro an einen fremden Dritten. Streitig ist, ob der Veräußerungsverlust in voller Höhe oder gemäß § 3c Abs. 2 EStG a.F. nur zur Hälfte bei der Einkommensbesteuerung des Klägers für 2002 zu berücksichtigen ist. Das Finanzamt stellte den verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.2002, wie auch zum 31.12.2003, im letztgenannten Sinne fest. Insoweit blieben die Einsprüche ohne Erfolg. Das FG hat der Klage stattgegeben und den Veräußerungsverlust in vollem Umfang zum Abzug zugelassen.

BFH-Urteil IX R 40/10
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter einer GmbH. 2002 verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil mit Verlust und vertrat die Auffassung, dass das Halbabzugsverbot nicht anzuwenden sei. Es ergäben sich nur Einnahmen in Höhe eines Betrages, der die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht übersteige. Saldiere man Veräußerungserlös (10.225,84 Euro) und Anschaffungskosten (12.500 Euro), so ergäben sich keine positiven Einkünfte. Finanzamt und FG wollen hingegen das Halbeinkünfteverfahren auf den Veräußerungserlös des Klägers und das Halbabzugsverbot auf die Anschaffungskosten anwenden.

Entscheidungen

Bei Anteilsveräußerungen ist die Hälfte des Veräußerungspreises (§ 17 Abs. 2 EStG) steuerfrei (Halbeinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG a.F.). Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (Halbabzugsverbot, § 3c Abs. 2 EStG a.F.). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 06.07.2005). Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser Aufwand steht nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist das Halbabzugsverbot nicht anzuwenden und der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar (BFH-Urteile vom 25.06.2009, 14.07.2009 und BFH-Beschluss vom 18.03.2010).

BFH-Urteil IX R 61/10
Keine Einnahmen erzielt, wer objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 Euro) veräußert. Die Parteien des Veräußerungsvertrags vereinbaren damit kein Entgelt für die Werthaltigkeit der übertragenen Anteile, sondern wählen diese Gestaltung regelmäßig aus buchungstechnischen Gründen. Im Streitfall ist der symbolische Kaufpreis von 1 Euro, wie das FG zutreffend entschieden hat, einem Veräußerungspreis von 0 Euro gleich zu erachten. Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot sind im Streitfall daher nicht anzuwenden. Der Veräußerungsverlust ist in voller Höhe abziehbar. 

BFH-Urteil IX R 40/10

Vom bloß symbolisch angesetzten Kaufpreis zu unterscheiden sind Fälle, in denen Veräußerungseinnahmen erzielt werden, auch wenn diese von geringer Höhe sind und der Veräußerer insgesamt einen Verlust erleidet. Soweit das Halbeinkünfteverfahren eingreift, hat der BFH dessen typisierende Verknüpfung mit dem Halbabzugsverbot für verfassungsgemäß erachtet (BFH-Urteil vom 19.06.2007). Danach bleibt für eine Einschränkung des Halbabzugsverbots bei Verlusten in der Weise, dass die Anschaffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berücksichtigt werden, soweit sie den Veräußerungs-/Auflösungserlös übersteigen, kein Raum (vgl. auch BFH-Urteil vom 27.10.2005). Dass dies einen "Fallbeileffekt" bei auch nur geringen Einnahmen nach sich zieht, ist von der vom BFH als verfassungsgemäß erachteten gesetzlichen Typisierung umfasst. Danach sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend das Halbeinkünfteverfahren auf den Veräußerungserlös des Klägers angewandt und das Halbabzugsverbot auf die Anschaffungskosten.

Betroffene Normen

§ 3c Abs. 2 S. 1 EStG a.F., § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG a.F., § 17 Abs. 2 EStG
Streitjahre 2002 und 2003

Anmerkungen

Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 gilt das Teilabzugsverbot nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG n.F. auch dann, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat. Mit der Ergänzung des S. 2 wird die bisherige Verwaltungsauffassung umgesetzt und damit der jüngsten BFH-Rechtsprechung entgegen gewirkt.

Für VZ vor 2011 sind beim BFH weitere Fälle anhängig, in denen es trotz Einnahmen i.S.v. § 3 Nr. 40 EStG zu einem Verlust kommt:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.04.2010, 2 K 2190/07 F, BFH-Urteil vom 06.04.2011, IX R 31/10, siehe Deloitte Tax-News (25.02.2011)
Lt. BFH liegen keine Einnahmen vor, wenn objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 Euro) veräußert werden. Das Halbabzugsverbot ist nicht anzuwenden, der Erwerbsaufwand ist in vollem Umfang abziehbar. Zur Begründung verweist der BFH auf sein Urteil vom 06.04.2011.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.12.2010, 8 K 3349/06 E, BFH-anhängig: IX R 1/11, siehe Deloitte Tax-News (08.04.2011)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 15.12.2010, 10 K 2061/05 E, BFH-anhängig: IX R 4/11, siehe Deloitte Tax-News (25.02.2011)

Auch hinsichtlich der Frage, ob ein eher symbolischer Veräußerungspreis von 1 Euro als insoweit schädliche Einnahme i. S. v. § 3c Abs. 2 EStG anzusehen ist, ist ein weiteres Verfahren anhängig:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2010, 1 K 337/07 E, BFH, Urteil vom 06.04.2011, IX R 49/10, nicht amtlich veröffentlicht, siehe Deloitte Tax-News (25.11.2011)

Siehe auch BFH, Urteil vom 06.04.2011, IX R 29/10, nicht amtlich veröffentlicht .

Vgl. auch Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.04.2011, 6 K 2973/09, EFG 2011, S. 1860 zu dem von § 3 Abs. 2 EStG nicht eingeschänkten Abzug von Betriebsausgaben für die Kapitalgesellschaft teilentgeltich oder unentgeltlich überlassene Wirtschaftsgüter bei einer Betriebsaufspaltung.

Vorinstanzen

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 10.03.2010, 5 K 323/2007
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 08.07.2010, 2 K 1052/06

Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.04.2011, IX R 61/10
BFH, Urteil vom 06.04.2011, IX R 40/10, BStBl II 2011 S. 785

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.07.2005, XI R 61/04, BStBl II 2006, S. 163
BFH, Urteil vom 25.06.2009, IX R 42/08, BStBl II 2010, S. 220, siehe Deloitte Tax-News (16.02.2010)
BFH, Urteil vom 14.07.2009, IX R 8/09, BFH/NV 2010, S. 399
BFH, Beschluss vom 18.03.2010, IX B 227/09, BStBl II 2010, S. 627, siehe Deloitte Tax-News (07.04.2010)
BFH, Urteil vom 19.06.2007, VIII R 69/05, BStBl II 2008, S. 551
BFH, Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, S. 171

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