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29.04.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Zeitpunkt des Lohnzuflusses von Tantiemen

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin ist ein Transportunternehmen in der Rechtsform der GmbH. Der Geschäftsführer erhält als alleiniger Gesellschafter neben einem Festgehalt eine Gewinnbeteiligung i.H.v. 50 % des Jahresüberschusses laut Steuerbilanz. Die Gewinnbeteiligung ist innerhalb von 3 Monaten nach Bilanzerstellung auszuzahlen. Die Bilanz und der Jahresabschluss 2003 wurden am 12.08.2004 genehmigt, die Bilanz und der Jahresabschluss 2004 am 30.06.2005. Der Gesellschafter-Geschäftsführer schloss im September 2004 mit der GmbH eine Vereinbarung über Gehaltsverzicht im Zusammenhang mit der Erteilung einer Pensionszusage und verzichtete. auf seinen Tantiemenanspruch für das Jahr 2003. Im Jahr 2005 erklärte er am 22.09.2005 den Verzicht auf seinen Tantiemenanspruch für das Jahr 2004. Zum Ausgleich erteilte ihm die GmbH jeweils eine Pensionszusage in entsprechender Höhe. Die GmbH führte keine Lohnsteuer ab.

Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung nahm die zuständige Finanzbehörde die GmbH für die nicht abgeführte Lohnsteuer auf die Tantiemen in Haftung. Das FG Nürnberg wies die dagegen gerichtete Klage ab.

Streitig ist, wann der Lohnzufluss bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer auf die Tantiemen angenommen werden kann.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin ist begründet Zu Unrecht hat das FG einen Lohnzufluss bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Beschlusses über den Jahresabschluss angenommen.
Der Erlass eines Haftungsbescheids setzt voraus, dass ein Arbeitgeber seine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer gem. § 38 EStG verletzt hat. Zwar gehören Tantiemen zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn, allerdings entsteht Lohnsteuer erst im Zeitpunkt des Zuflusses beim Arbeitnehmer (§§ 38 Abs. 2 S. 1, 38a Abs. 1 S. 3 EStG). Im vorliegenden Fall sind die Tantiemen nicht bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse über den Jahresabschluss zugeflossen. Der Zufluss tritt erst mit Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein (BFH-Urteil vom 01.02.2007), dies ist bei Geldbeträgen i.d.R. die Barauszahlung oder Kontogutschrift. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern geht der BFH jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Zufluss auch ohne Zahlung bereits früher vorliegen kann. Danach fließt eine Forderung bereits mit deren Fälligkeit zu, denn ein Gesellschafter-Geschäftsführer hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch unbestritten, eindeutig und fällig ist (BFH-Urteil vom 08.05.2007). Bei dieser Zuflussfiktion sind jedoch nur Gehaltsbeträge und Vergütungen erfasst, die sich gewinnmindernd bei der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (BFH-Urteil vom 11.02.1965). Der Anspruch auf Tantiemen wird erst mit Feststellung des Jahresabschluss fällig, sofern keine andere zivilrechtlich wirksame und fremdübliche Fälligkeit vereinbart worden ist (BFH-Urteil vom 14.03.2006).

Das FG ist zu Unrecht von einer Fälligkeit der Tantieme im Zeitpunkt des Beschlusses über den Jahresabschluss ausgegangen. Aus dem Anstellungsvertrag des Gesellschafter-Geschäftsführers folgt, dass die Tantiemeforderungen erst drei Monate nach Feststellung des Jahresüberschuss fällig waren. Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam. Zivilrechtliche Regelungen zwischen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und „seiner“ Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich auch im Steuerrecht zu beachten. Die Vereinbarung über die Fälligkeit der Tantieme war nach den Grundsätzen über die verdeckte Gewinnausschüttung fremdüblich. Diese Vereinbarung ist dennoch zu beachten, da sie arbeitsrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Vorliegend hätte sich auch jeder fremde Geschäftsführer auf die konkrete Tantiemevereinbarung eingelassen.

Es fehlen tatsächliche Feststellungen darüber, ob sich die Tantiemeverpflichtungen in den Jahresabschlüssen der GmbH gewinnmindernd ausgewirkt haben. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Tantiemen in den Streitjahren zugeflossen sind., so dass eine Zurückverweisung an das Das FG erfolgt.

Betroffene Norm

§ 11 Abs. 1 S. 3 EStG, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 38a Abs. 1 S. 3 EStG, § 42d EStG
Streitjahre 2003 und 200

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 12.11.2009, 4 K 1570/2008, EFG 2010, S. 801, siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.02.2011, VI R 66/09

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.05.2007, VII 16/06, BFH/NV 2007, S. 2249
BFH, Urteil vom 01.02.2007, VI R 73/04, BFH/NV 2007, S. 896
BFH, Urteil vom 14.03.2006, I R 72/05, BFH/NV 2006, S. 1711
BFH, Urteil vom 11.02.1965, IV 213/64 U, BStBl III 1965, S. 407

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