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26.04.2013
Private Einkommensteuer

BFH: Abgeltungsteuer auf vor dem 01.01.2009 erworbene obligationsähnliche Genussscheine

Unterliegt der Gewinn aus Veräußerung von vor dem 01.01.2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussscheinen nach Einführung der Abgeltungsteuer dem Steuerabzug? Das Hessische FG verneinte dies.

Der BFH hat die Auffassung des FG bestätigt, wonach nach der Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG 2009 die Regelung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG 2009 auf die vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinne keine Anwendung findet und deshalb auch ein Steuerabzug vom Kapitalertrag nach (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EStG 2009) nicht vorzunehmen war.
BFH, Urteil vom 12.12.2012, I R 27/12, nicht amtlich veröffentlicht 
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Sachverhalt Hessisches FG

Die Beteiligten streiten um die Einbehaltung, Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: "FA"). Im Streitjahr unterhielt der Kläger bei der X-AG, das Direkt-Depot Nr. 1, in dem er zum Nominalwert von 5.160,00 Euro im Jahre 2006 von der Sparkasse A auf sein Depot bei der X-AG übertragene Inhaber-Genussrechtsscheine der Y-AG (Kennzeichnung ISIN 2) hielt.

Infolge eines Rückkaufersuchens der Y-AG vom 02.02.2010 veräußerte der Kläger seine Genussscheine am 01.03.2010 zu einem Kurswert von 9.228,00 Euro. Im Zuge dessen behielt die X-AG für Rechnung des Klägers Kapitalertragsteuer i.H.v. 696,60 Euro und Solidaritätszuschlag i.H.v. 38,31 Euro ein und berücksichtigte diese Beträge im Rahmen ihrer am 01.04.2010 beim FA eingereichten Kapitalertragsteueranmeldung für März 2010.

Gegen diese Steueranmeldung der X-AG legte der Kläger beim FA in Bezug auf die für seine Rechnung einbehaltenen Beträge von 696,60 Euro und 38,31 Euro am 13.04.2010 Einspruch ein, den er mit der Erwägung begründete, dass die lange vor 2006 angeschafften Wertpapiere als festverzinsliche Altpapiere den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterlägen und der erzielte Veräußerungsgewinn daher der Einkommensteuer nicht unterliege.

Die maßgebliche Fragestellung des Rechtsstreits war, ob die als sonstige Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizierenden obligationsähnlichen Genussrechten unter die Ausnahmevorschrift des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG fallen und somit ein entsprechender Bestandsschutz vorläge.

Das FA argumentierte, dass die Ausnahmevorschrift des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG nicht eingreife, da die Wertpapiere jedenfalls dem Grunde nach unter den vormals geltenden Tatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. c EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) fielen. Für die Gewährung des gesetzlichen Bestandsschutzes nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG sei allein das Nichtvorhandensein einer Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) maßgeblich. Irrelevant sei, ob nach Satz 5 dieser Vorschrift eine Besteuerung der Erträge stattgefunden habe oder nicht. Nach dem Gesetzeszweck (Verweis auf BR-Drucksache 545/08, S. 101 f.) sollte aus nachvollziehbaren Vereinfachungsgründen gerade vermieden werden, dass das fraglich Finanzprodukt nach Maßgabe der die Rechtsfolgen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG erheblich einschränkenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf z.B. BFH vom 20.11.2006, VIII R 97/02, BStBl II 2007, S. 555) im Einzelfall einer Prüfung unterzogen werden muss, um zur Anwendung oder Nichtanwendung der Übergangsregelung zu gelangen.

Der Kläger vertrat indes die Auffassung, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Genussscheine nicht kapitalertragsteuerpflichtig sei, da die Papiere nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG Bestandsschutz genössen. Da es sich um vor dem 31.12.2008 erworbene und nicht binnen Jahresfrist veräußerte Papiere handele, unterliege der in 2010 erzielte Veräußerungsgewinn nicht der Einkommensteuer. Entgegen der Ansicht des FA sei § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) nicht einschlägig. Denn im Streitfall greife die für diesen Tatbestand geltende Rückausnahme des § 20 Abs. 2 S.1 Nr. 4 Satz 5 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Var. 3 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008), da es sich bei den streitigen Wertpapieren zweifelsfrei um Genussrechte gehandelt habe, „die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 genannt sind“. Die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 20.12.2009 unter Rn. 319 veröffentlichte Rechtsauffassung sei unzutreffend.

Soweit das FA anführt, dass es nur auf die Einschlägigkeit der in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 lit. a bis d EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) aufgeführten Fallgruppen, nicht dagegen auch auf die Anwendbarkeit der Rückausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 S. 5 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) ankomme, könne dem nicht gefolgt werden. Hätte der Gesetzgeber diese Rückausnahme im Rahmen der Übergangsregelung ausschließen wollen, so hätte er diese schlicht aufheben können. Das sei jedoch gerade nicht geschehen.

Entscheidung Hessisches FG

In seinem Urteil vom 04.04.2012 gab das Hessische FG dem Kläger Recht. Die Kapitalertragsteueranmeldung der X-AG für März 2010 vom 01.04.2010 ist falsch und entsprechend zu korrigieren. Entgegen der Auffassung des FA ist der zum 01.01.2009 eingeführte Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG für den erzielten Gewinn aus der Veräußerung der von ihm vor dem 01.01.2009 erworbenen Genussscheine nicht anwendbar. Es greift vielmehr die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG, nach der eine Besteuerung aus Gründen des Bestandsschutzes nicht stattfindet.

Dass die fraglichen Genussscheine die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 lit. c EStG (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) dem Grunde nach erfüllen, genügt für den Ausschluss der Ausnahmeregelung nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG nicht. Vielmehr ist entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers zu berücksichtigen, dass die betroffenen Genussscheine gemäß der Rückausnahme des alten § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 S. 5 EStG nicht als sogenannte Finanzinnovationen behandelt wurden, weil es sich i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Satz 5 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Var. 2 EStG (in der Fassung bis 31.12.2008) um Zinsen aus Genussrechten handelte, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt waren.

Die Bestandsschutzregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 greift somit bei Wertpapieren, die zwar grundsätzlich in den Katalog der Finanzinnovationen fallen, für die aber die Rückausnahme des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Satz 5 EStG gilt.

Fundstellen

BFH, Urteil vom 12.12.2012, I R 27/12, nicht amtlich veröffentlicht
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 04.04.2012, 4 K 639/11

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