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24.11.2011
Private Einkommensteuer

FG Münster: Steuerpflicht von Erstattungszinsen zweifelhaft

Sachverhalt

Streitig ist die Erfassung von Erstattungszinsen i.S.v. § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen.

Die Antragstellerin wurde auf der Grundlage ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 veranlagt Bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigte der Antragsgegner (Finanzamt) im Jahr 2008 erstattete Zinsen für die Jahre 2001 bis 2003 gem. § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen.

Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 15.06.2010, soweit die Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst wurden. Das Finanzamt lehnte den AdV-Antrag ab.

Entscheidung

Der Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Nach summarischer Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids soweit das Finanzamt die im Jahr 2008 zugeflossenen Erstattungszinsen für die Einkommensteuer der Jahre 2001 bis 2003 erfasst und als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt hat.

Gegen eine Besteuerung sprechen die vom BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 aufgestellten Grundsätze. Der BFH hat daran festgehalten, dass Erstattungszinsen i.S. von § 233a AO grundsätzlich der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (a.F.) unterliegen können. Allerdings hat er auf diese Zinsen § 12 Nr. 3 EStG angewendet. Die Rechtfertigung dafür, dass jedenfalls nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Steuern im Fall ihrer Erstattung beim Empfänger nicht zu Einnahmen führen, hat er darin gesehen, dass für bestimmte Steuern in § 12 Nr. 3 EStG nicht lediglich ein gesetzliches Abzugsverbot geregelt sei, sondern dass die Norm diese Steuern schlechthin dem nichtsteuerbaren Bereich zuweise. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung strahle auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern in der Weise aus, dass sie dem Steuerpflichtigen nicht "im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7" zuflössen. Dies gelte auch für die Erstattungszinsen gemäß § 233a AO. Sie teilten als steuerliche Nebenleistungen i.S. von § 3 Abs. 4 AO insofern das "Schicksal" der Hauptforderung, als sie von § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen seien.

Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen auf zum Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses abgeschlossene Veranlagungszeiträume ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig und bedarf einer besonderen sachlichen Legitimation. Bei rein fiskalischen Motiven, wie sie bei der Gesetzesänderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG im Vordergrund gestanden haben dürften, ist eine rückwirkend belastende Steuergesetzgebung in der Regel rechtsstaatswidrig.

Soweit die Auffassung vertreten wird, dass mit der Gesetzesänderung lediglich die bis dahin auch von der Rechtsprechung vertretene ursprüngliche Rechtslage wieder hergestellt werde und dass es deshalb an einem schutzwürdigen Vertrauen des Einzelnen auf die Nichtsteuerbarkeit der Erstattungszinsen nach dem BFH-Urteil vom 15.06.2010 fehle (vgl. FG Schleswig Holstein, Beschluss vom 01.06.2011 2 V 35/11, aaO und FG Münster Urteil vom 16.12.2010, 5 K 3626/03, aaO), wird dem entgegen gehalten, dass der BFH nach der ihm unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung allein zustehenden Befugnis, Steuergesetze verbindlich auszulegen, mit seiner Entscheidung vom 15.06.2010 die schon früher bestehende objektive Gesetzeslage zu den Erstattungszinsen gem. § 233a AO ermittelt haben dürfte

Eine mögliche, der AdV-Gewährung entgegenstehende Gefährdung des öffentlichen Haushalte ist im Streitfall nicht ersichtlich bzw. wurde nicht dargetan und dürfte somit der AdV-Gewährung nicht entgegenstehen.

Betroffene Normen

§ 233a AO; § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. JStG 2010

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Beschluss vom 27.10.2011, 2 V 913/11 E

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 15.06.2010, VIII R 33/07, BStBl II 2011, S. 503. Vgl. Beitrag in den Deloitte Tax-News
Finanzgericht Schleswig- Holstein, Beschluss vom 01.06.2011; 2 V 35/11, EFG 2011, S. 1687
Finanzgericht Münster, Urteil vom 16.12.2010, 5 K 3626/03 E, EFG 2011, S. 649, Revision: BFH VIII R 1/11, vgl. dazu FG Münster: Besteuerung von Erstattungszinsen verfassungsgemäß; Hinweis zum Urteil des FG Münster: Besteuerung von Erstattungszinsen verfassungsgemäß

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