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15.12.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Arbeitszimmer für Fortbildungsmaßnahmen nicht abzugsfähig

Der BFH hat die Auffassung des FG bestätigt und die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Dem Kläger steht ein Büroarbeitsplatz für berufliche Fortbildungsmaßnahmen (hier Sprachkurs) zur Verfügung, so dass dies die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für ein zur Fortbildung genutztes häusliches Arbeitszimmer ausschließt. Bei der Frage, ob ein "anderer Arbeitsplatz" im Betrieb des Arbeitgebers zur Verfügung steht, kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer dort die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel, wie beispielsweise einen Computer, nutzen darf.
BFH, Urteil vom 05.10.2011, VI R 91/10, BStBl II 2012, S. 127

Sachverhalt

Der Kläger erzielte als Elektrotechniker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machte für die Jahre 2005 und 2006 Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Als Begründung gab der Kläger an, dass er das Arbeitszimmer zur Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse benötige. Er absolviere einen interaktiven Sprachkurs, der auf dem PC in seinem Arbeitszimmer installiert sei. Diese Software könne er nur im häuslichen Arbeitszimmer bedienen, weil er an seinem Arbeitsplatz keine mitgebrachte Software installieren dürfe. Deshalb sei kein anderer Arbeitsplatz vorhanden, an dem die erforderliche Fortbildung ausgeübt werden könne.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugelassen, da ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet und, dass die Nutzung des Arbeitszimmers nicht mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ausmacht. Der Abzug der geltend gemachten Aufwendungen kann daher nur erfolgen, wenn "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht".

Der Begriff "anderer Arbeitsplatz" ist grundsätzlich weit auszulegen. Der Arbeitsplatz muss so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist. Das ist der Fall, wenn es sich um einen Büroarbeitsplatz handelt. Es wird insbesondere nicht vorausgesetzt, dass dem Steuerpflichtigen ein "angemessener" oder auch "ruhiger" anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Publikumsverkehr ist daher grundsätzlich ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass sich der Steuerpflichtige den Arbeitsplatz mit weiteren Personen teilen muss (Großraumbüro). Für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen genügt es nicht, dass der Steuerpflichtige nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte. Die Beweggründe, die ihn dazu veranlassen, die Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, sind unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 07.08.2003).

Die persönliche Vorliebe für interaktives Lernen darf nicht dazu führen, dass die grundsätzlich mögliche Fortbildung am Arbeitsplatz in der Firma unberücksichtigt bleibt. Subjektive Befindlichkeiten des Klägers reichen nicht aus, um die objektive Nutzungsmöglichkeit des Arbeitsplatzes zurücktreten zu lassen. Der Kläger hätte ohne das häusliche Arbeitszimmer eine vergleichbare Fortbildung erreichen können, sei es durch eine Beschäftigung mit den Vokabeln und der Grammatik am Arbeitsplatz der Firma, sei es durch eine betriebliche Fortbildungsmaßnahme. Hinzu kommt, dass der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung einen "nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit" mangels Benutzbarkeit des anderen Arbeitsplatzes in dem Arbeitszimmer verrichten muss, damit die für die Abzugsfähigkeit vorausgesetzte Erforderlichkeit des Arbeitszimmers gegeben ist. Die Fortbildung in der englischen Sprache stellt bei wertender Betrachtung einen eher untergeordneten Bereich der beruflichen Tätigkeit des Klägers dar. Insoweit ist von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung nicht schon jede Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer nach Feierabend oder am Wochenende ausreicht, um von einem "Angewiesensein" auf das häusliche Arbeitszimmer auszugehen. Die Abzugsfähigkeit ist vielmehr erst dann gegeben, wenn der andere Arbeitsplatz für einen "nicht unerheblichen Teil" der beruflichen Tätigkeit nicht benutzbar ist. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG, § 9 Abs. 5 EStG
Streitjahre 2005 und 2006

Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.06.2010, 12 K 482/08, EFG 2011, S. 602 
BFH, Urteil vom 05.10.2011, VI R 91/10, BStBl II 2012, S. 127

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.08.2003, VI R 17/01, BStBl II 2004, S. 78
BFH, Urteil vom 07.08.2003, VI R 16/01, BStBl II 2004, S. 77
BFH, Urteil vom 07.08.2003, VI R 41/98, BStBl II 2004, S. 80
BFH, Urteil vom 07.08.2003, VI R 118/00, BStBl II 2004, S. 82
BFH, Urteil vom 07.08.2003, VI R 162/00, BStBl II 2004, S. 83

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