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26.10.2012
Unternehmensteuer

BFH: Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei Mitunternehmerschaften

Seit 2002 werden Personengesellschaften, an denen keine natürliche Person unmittelbar beteiligt ist, hinsichtlich der Besteuerung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen den Kapitalgesellschaften gleich gestellt. Dies führt aber nicht dazu, dass die für Kapitalgesellschaften geltenden Grundsätze auf Mitunternehmerschaften übertragen werden können. Betriebsausgaben, die vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft entstanden sind, sind auch dann weiterhin nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen, wenn die unmittelbar beteiligten Mitunternehmer Kapitalgesellschaften sind.

Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Mitunternehmer ausschließlich Kapitalgesellschaften sind. Die Klägerin wurde am 16.06.2003 (Streitjahr) errichtet und am 08.08.2003 im Handelsregister eingetragen. Am 12.09.2003 meldete sich die Klägerin beim Finanzamt an und gab als Beginn der gewerblichen Tätigkeit den 01.01.2004 an. Im Oktober stellte sie einen Vertriebsleiter ein und schloss einen Mietvertrag ab. Ihren Werksladen eröffnete sie in den angemieteten Räumlichkeiten im Februar 2004. In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2003 machte die Klägerin einen Gewerbeverlust geltend. Das Finanzamt setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 auf 0 Euro fest und lehnte die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes ab. Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. 

Entscheidung
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Finanzamt hat zu Recht die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 abgelehnt. Betriebsausgaben, die vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft entstanden sind, sind auch dann nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen, wenn die unmittelbar beteiligten Mitunternehmer nicht natürliche Personen sind.

Nur der stehende Gewerbebetrieb unterliegt der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG). Nach ständiger Rechtsprechung beginnt deshalb die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebes erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist (u.a. BFH-Urteile vom 14.04.2011 und 05.03.1998). Maßgebend für den Beginn des Gewerbebetriebes ist der Beginn der werbenden Tätigkeit (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984). Zu den bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen werden z.B. die Anmietung eines Geschäftslokals, die Errichtung eines Fabrikgebäudes oder eines Hotels, mit dessen Betrieb erst nach dessen Fertigstellung begonnen wird, und Ähnliches gezählt (vgl. BFH-Urteile vom 26.03.1985, 05.11.1957 und 22.11.1994). Der Zeitpunkt des Beginns bzw. der Einstellung der werbenden Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein (BFH-Urteile vom 14.04.2011, und 05.03.1998). Wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt hat die Klägerin im Streitjahr noch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilgenommen. Danach war vorliegend ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht festzustellen.

Entgegen der Ansicht des FG führt die Einfügung des § 7 S. 2 GewStG zu keiner Änderung dieser rechtlichen Beurteilung. Nach § 7 S. 2 GewStG gehören Veräußerungs- oder Aufgabegewinne bei Mitunternehmerschaften zum Gewerbeertrag, soweit sie auf eine nicht natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer entfallen. Das FG hat daraus abgeleitet, dass korrespondierend auch vorbereitende Betriebsausgaben bei der Ermittlung des Gewerbeertrags berücksichtigt werden müssten. Dem kann sich der erkennende Senat jedoch nicht anschließen. Die für Kapitalgesellschaften geltenden Grundsätze können nicht auf Mitunternehmerschaften übertragen werden, auch wenn daran nur Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer beteiligt sind. Das folgt aus Inhalt und Zweck des § 7 S. 2 GewStG sowie der systematischen Stellung dieser Regelung. § 7 S. 2 GewStG regelt die Voraussetzungen, unter denen Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Mitunternehmerschaften in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind. Die in § 2 GewStG geregelte sachliche Gewerbesteuerpflicht wird dabei vorausgesetzt. Durch § 7 S. 2 GewStG soll verhindert werden, dass Kapitalgesellschaften einzelne Wirtschaftsgüter, deren Veräußerung bei ihnen der Gewerbesteuer unterliegt, nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG steuerneutral auf eine Personengesellschaft übertragen und anschließend die Beteiligung an der Personengesellschaft steuerfrei veräußern (BT-Drs. 14/6882, S. 41). Eine über den Wortlaut hinausgehende, ausdehnende Auslegung der Vorschrift lässt sich mit diesem Zweck nicht vereinbaren.

Die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften gilt - anders als die der Personengesellschaften und Einzelunternehmen - stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft danach allein an die Rechtsform an. Diese Regelung lässt sich auch dann nicht auf Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) übertragen, wenn daran ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984). Die Ermittlung des Gewerbeertrags von Mitunternehmerschaften weicht wegen des für diese Gesellschaften ertragsteuerlich maßgeblichen Transparenzprinzips grundsätzlich von der Ermittlung des Gewerbeertrags bei Kapitalgesellschaften ab. Das angefochtene Urteil greift daher zu kurz, soweit es (allein) aus der Besteuerung der Veräußerungs- und Aufgabegewinne eine gewerbesteuerliche Gleichbehandlung der Mitunternehmerschaften, an denen Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer beteiligt sind, mit Kapitalgesellschaften ableitet. In der unterschiedlichen gewerbesteuerlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften einerseits und Mitunternehmerschaften andererseits liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung (u.a. BVerfG-Beschluss vom 24.03.2010, BFH-Urteile vom 20.11.2003 und 05.09.2001). Es entspricht nicht dem Gebot der Folgerichtigkeit, nach Einfügung des § 7 S. 2 GewStG Mitunternehmerschaften, soweit daran (nur) Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer beteiligt sind, gewerbesteuerlich auch hinsichtlich der vorweggenommenen Betriebsausgaben den Kapitalgesellschaften gleichzustellen.

Betroffene Norm
§ 2 Abs. 1 GewStG, § 7 S. 2 GewStG
Streitjahr 2003

Vorinstanz
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2010, 7 K 1993/06, EFG 2011, S. 725, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 30.08.2012, IV R 54/10, BStBl II 2012, S. 927 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 14.04.2011,IV R 52/09, BStBl II 2011, S. 929
BFH, Urteil vom 05.03.1998, IV R 23/97, BStBl II 1998, S. 745
BFH, Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, S. 751
BFH, Urteil vom 26.03.1985, VIII R 260/81, BStBl II 1985, S. 433
BFH, Urteil vom 05.11.1957, I 325/56 U, BStBl III 1957, S. 448
BFH, Urteil vom 22.11.1994, VIII R 44/92, BStBl II 1995, S. 900
BVerfG, Beschluss vom 24.03.2010, 1 BvR 2130/09, BFH/NV 2010, S. 1231
BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 5/02, BStBl II 2004, S. 464
BFH, Urteil vom 05.09.2001, I R 27/01, BStBl II 2002, S. 155

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