BFH: Billigkeitsmaßnahmen nur bei unternehmensbezogenen Sanierungen
Sachverhalt
Die Kläger haben als Miteigentümer zwei Grundstücke erworben. Sie gründeten für jedes Objekt eine GbR (L-GbR und E-GbR), bauten die Objekte als Tagungshotels um und führten dort gegen Entgelt verschiedenste Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durch. 1998 wurde die L-GbR aufgelöst und 1999 das Haus L zwangsversteigert. Von den Verbindlichkeiten konnte ein bestimmter Anteil durch den Versteigerungserlös getilgt werden. In der Folgezeit schlossen die Kläger mit den beiden Hauptgläubigern der L-GbR Vergleichsvereinbarungen. Danach sollten mit der Zahlung bestimmter Beträge alle Ansprüche abgegolten sein. Im Ergebnis wurde von den Verbindlichkeiten ein Anteil gezahlt bzw. von anderen Gläubigern weiterhin kreditiert. Die restlichen Verbindlichkeiten haben die Gläubiger der L-GbR Anfang 2002 erlassen. Die Kläger beantragten, die Einkommensteuer für die Streitjahre 1998 bis 2002 zu erlassen, soweit darin ein Sanierungsgewinn enthalten sei. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.
Entscheidung
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Eine Unbilligkeit kann entweder in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben. Die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses nach den Vorgaben im BMF-Schreiben vom 27.03.2003 liegen nicht vor, da im Streitfall nicht von einer unternehmensbezogenen, sondern von einer unternehmerbezogenen Sanierung auszugehen ist.
Von einer unternehmerbezogenen Sanierung ist auszugehen, wenn dem Schuldner durch den Erlass eine schuldenfreie Liquidierung seines Unternehmens und der Aufbau einer Existenz in selbständiger oder nichtselbständiger Position ermöglicht wird, ohne dass er durch Schulden aus einer früheren unternehmerischen Tätigkeit belastet bleibt. Auf die Sanierungseignung des Unternehmens ist in diesen Fällen nicht abzustellen. Eine unternehmensbezogene Sanierung soll hingegen den Fortbestand des Unternehmens sichern. Es soll vor dem Zusammenbruch bewahrt und wieder ertragsfähig gemacht werden. Im Streitfall wollten die Gläubiger die L-GbR nicht vor dem Zusammenbruch bewahren. Das von der L-GbR betriebene Verpachtungsunternehmen war nach der Zwangsversteigerung des Hauses L nicht mehr sanierungsfähig. Die Gläubiger wollten mit dem Teilerlass erreichen, dass die Gesellschafter der L-GbR und somit auch die Kläger die verbleibenden Verbindlichkeiten abtragen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, wieder in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben zu können. Somit ist im Streitfall von einer unternehmerbezogenen Sanierung auszugehen. Ein Erlass der Einkommensteuer war damit nicht zulässig.
Betroffene Norm
§ 227 AO
Streitjahre 1998 bis 2002
Anmerkungen
GrS des BFH kippt Sanierungserlass
Mit Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15 (siehe Deloitte Tax-News) hat der Große Senat des BFH dem Sanierungserlass des BMF eine klare Absage erteilt. Die hierin vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 24.04.2008, 6 K 2488/06, EFG 2008, S. 1555.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.07.2010, X R 34/08, BStBl II 2010, S. 916, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 14.07.2011, 2 BvR 2583/10)
Pressemitteilung 75/10
Weitere Fundstellen
GrS des BFH, Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Entscheidung vom 25.03.2015, X R 23/13, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.04.2012, I R 24/11, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht München, Urteil vom 12.12.2007, 1 K 4487/06, EFG 2008, S. 615
BMF, Schreiben vom 27.03.2003 (Sanierungserlass), IV A 6 – S 2140- 8/03, BStBl I 2003, S. 240