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10.01.2012
Unternehmensteuer

BFH: Entnahme einbringungsgeborener Anteile

Im Betriebsvermögen gehaltene einbringungsgeborene Anteile, die unentgeltlich in ein Privatvermögen übertragen werden, bleiben weiterhin steuerverhaftet und lösen keine Entnahmegewinnbesteuerung aus (entgegen BMF-Schreiben vom 25.03.1998). Werden dagegen einbringungsgeborene Anteile mit Rücksicht auf ein Arbeitsverhältnis übertragen, liegt keine Unentgeltlichkeit, sondern Arbeitslohn vor, der zur Aufdeckung stiller Reserven führt.

Sachverhalt

Der Kläger war Alleingesellschafter der S-GmbH, deren Anteile einbringungsgeboren sind, da er in den 1970er Jahren sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in die S-GmbH eingebracht hat. Im Mai 2002 übertrug der Kläger seiner Ehefrau (Klägerin) unentgeltlich 15 % der Anteile an der S-GmbH; dem leitenden Mitarbeiter D übertrug er 2,5 % der Anteile. Das Finanzamt unterwarf die Differenz zwischen dem Teilwert und dem Buchwert der übertragenen Anteile der Besteuerung als Entnahmegewinn. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg, das Finanzamt hat Revision eingelegt.

Entscheidung

Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass durch die unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen der S-GmbH auf die Klägerin kein steuerbarer Entnahmegewinn des Klägers entstanden ist. Im Hinblick auf die Übertragung auf D bedarf es jedoch weiterer tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob es sich um eine schenkweise Übertragung oder um die Leistung von Arbeitslohn gehandelt hat. Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile auf die Klägerin stellt zwar begrifflich eine Entnahme (§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG) dar, da der Kläger die Geschäftsanteile aus dem bisherigen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in das Privatvermögen der Klägerin überführt hat, sie bewirkt jedoch nicht, dass der Kläger den Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Geschäftsanteile und deren Teilwert zum Entnahmezeitpunkt als Entnahmegewinn zu versteuern hätte (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG 2002); vielmehr bleibt es bei dem Ansatz mit den Anschaffungskosten. Die Entnahmeregeln sind nicht auf die Geschäftsanteile der S-GmbH anzuwenden, weil es sich bei diesen um einbringungsgeborene Anteile handelt, für die besondere Gewinnrealisierungsregeln gelten (§ 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002). Insbesondere ist die schenkweise Übertragung der einbringungsgeborenen Anteile auf Dritte keine "Veräußerung" i.S. von § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002, denn diese setzt eine entgeltliche Übertragung voraus (z.B. BFH-Urteil vom 08.04.1992). Die Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven wird dadurch gesichert, dass die Anteile auch in der Hand des Erwerbers noch dem Regime des § 21 UmwStG 2002 unterliegen und damit - unabhängig davon, ob sie in einem Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten werden - steuerverhaftet bleiben (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002).

Die Entstrickungstatbestände für einbringungsgeborene Anteile sind in § 21 UmwStG 2002 abschließend geregelt (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.1996). Soweit die Finanzverwaltung annimmt, die Entnahme einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen führe trotz weiter bestehender Steuerverstrickung zu einer zwischenzeitlichen Aufdeckung der stillen Reserven (BMF-Schreiben vom 25.03.1998, Tz. 21.12), folgt der Senat dem nicht. Zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von stillen Reserven müsste im Fall einer späteren Veräußerung der Anteile durch den unentgeltlich Erwerbenden entweder gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002 auf einen (nochmaligen) Steuerzugriff verzichtet werden oder es müsste - wofür sich das BMF (Schreiben vom 25.03.1998, Tz. 21.12) ausspricht - ebenfalls gegen den Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002 zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht auf die Differenz des Veräußerungspreises zu den Anschaffungskosten, sondern auf die Differenz des Veräußerungspreises zu dem Entnahmegewinn des Rechtsvorgängers abgestellt werden. An der Unvereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut zeigt sich, dass der von der Finanzverwaltung befürwortete steuerliche Zugriff auf den infolge einer Entnahme von einbringungsgeborenen Anteilen entstehenden "Zwischengewinn" dem in § 21 UmwStG 2002 verankerten Besteuerungsmechanismus widerspricht.

Anhand der Feststellungen des FG lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Übertragung von Anteilen an der S-GmbH auf D ebenfalls schenkweise - und damit für den Kläger steuerneutral - erfolgt ist oder ob es sich um eine Leistung von Arbeitslohn gehandelt hat und damit entgeltlich erfolgt ist und einen Realisationstatbestand ausgelöst hat. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit ist an das FG zurückzuverweisen.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG 2002, § 21 UmwStG 2002
Streitjahr 2002

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2009, 15 K 4209/08 E, EFG 2010, S. 458

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.10.2011, I R 33/10, BStBl II 2012, S. 445

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 25.03.1998, BStBl I 1998, S. 268
BFH, Urteil vom 08.04.1992, I R 128/88, BStBl II 1992, S. 761
BFH, Urteil vom 21.08.1996, I R 75/95, BFH/NV 1997, S. 314

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