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07.12.2012
Unternehmensteuer

BFH: Gewillkürtes BV - Nutzungsänderung führt nicht zu Entnahme

Vermindert sich der Umfang der betrieblichen Nutzung eines Kfz, das dem gewillkürten Betriebsvermögen eines Unternehmens in einem früheren Veranlagungszeitraum wegen einer mehr als 10%-igen betrieblichen Nutzung zugeordnet wurde, in einem Folgejahr auf unter 10 %, so ändert dies an der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen nichts. Eine solche Nutzungsänderung stellt allein keine Entnahme dar.

Sachverhalt

Der Kläger, eine natürliche Person mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, hat in den Streitjahren 2003 und 2004 sein in Vorjahren zu mehr als 10 % betrieblich genutztes Kfz zu weniger als 10 % genutzt. Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass der Kläger das Kfz in den Streitjahren infolgedessen zu Unrecht dem gewillkürten Betriebsvermögen seiner selbständigen Tätigkeit zugeordnet hat. Mangels Fahrtenbuchs und fehlender zeitnaher Aufzeichnungen des Klägers über die Nutzung des Kfz sei davon auszugehen, dass das Kfz zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt worden sei. Den entstandenen Aufwendungen für das Kfz wurde daher die Berücksichtigung als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit versagt. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Streitig ist demnach, ob einerseits das Kfz durch Absenkung der betrieblichen Nutzung die Eigenschaft der Zugehörigkeit zum gewillkürten Betriebsvermögen verliert und andererseits die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen nicht schon aufgrund der Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen oder aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Streitjahre anzunehmen ist.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass für die begehrte Zuordnung des Kfz zum gewillkürten Betriebsvermögen in den Streitjahren der Nachweis der erforderlichen betrieblichen Nutzung zu mindestens 10 % erbracht werden muss.

Gewillkürtes Betriebsvermögen kann - auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird (BFH-Urteil vom 26.01.2011) und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah und unumkehrbar dokumentiert wird. Gehört ein Wirtschaftsgut danach zum gewillkürten Betriebsvermögen, so verliert es diese Eigenschaft nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Der sachliche betriebliche Zusammenhang wird nur durch eine Entnahme gelöst, die einen Entnahmewillen und eine Entnahmehandlung erfordert. Es muss sich um ein schlüssiges Verhalten handeln, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) für betriebliche Zwecke im betrieblichen Bereich, sondern für private Zwecke im privaten Bereich zu nutzen. Die bisherige Nutzung des Wirtschaftsguts muss sich auf Dauer so ändern, dass es seine Beziehung zum Betrieb verliert und dadurch zu notwendigem Privatvermögen wird (vgl. BFH vom 31.01.1985). Eine Nutzungsänderung - wie sie im Streitfall vom Finanzamt wegen Absenkung des betrieblichen Nutzungsanteils geltend gemacht wird - führt allein grundsätzlich nicht zu einer Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung nur für Nutzungsänderungen, die ihrer Art nach - anders als hier - auf Dauer angelegt sind (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.1964)

Eine Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen kann auch nicht ausschließlich mit der Begründung verneint werden, dass es in den Streitjahren am Nachweis der betrieblichen Nutzung zu mindestens 10 % fehle. Ein betrieblicher Nutzungsanteil in den Streitjahren von unter 10 % ist nämlich dann für die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen ohne Bedeutung, wenn ein Wirtschaftsgut vor diesem Zeitraum materiell-rechtlich wirksam durch erkennbaren äußeren Akt dem Betriebsvermögen zugeordnet wurde, im Umfang von mindestens 10 % betrieblich genutzt wurde und nicht durch ausdrückliche oder schlüssige Handlung des Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken entnommen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 02.10.2003).

Die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen ist allerdings nicht schon aufgrund der Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen, in denen das Kfz dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet wurde, mit Wirkung für die Streitjahre anzunehmen. Die Finanzbehörden müssen bei der Festsetzung der Einkommensteuer für einen bestimmten Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen - im Streitfall die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen - selbständig und ohne Bindung an ihren Ansatz in anderen Steuerbescheiden ermitteln und berücksichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.12.1987 und vom 14.11.2007).

Entsprechendes gilt für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Vertrauensschutz in die Fortführung der Zuordnung des Kfz entsprechend den Veranlagungen der Vorjahre. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss das Finanzamt zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut und entsprechend disponiert haben sollte. Dies gilt selbst dann, wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige Auffassung vertreten hat, es sei denn, das Finanzamt hat eine entsprechende Behandlung in den Folgejahren zugesagt.

Die Sache ist an das FG zurückzuweisen, da die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG eine Beurteilung nicht zulassen, ob das Kfz in den Jahren vor den Streitjahren bereits gewillkürtes Betriebsvermögen war.

Betroffene Norm
§ 4 Abs. 1, 3 und 4 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 und 3 EStG, § 25 Abs. 1 EStG
Streitjahre 2003 und 2004 

Vorinstanz
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.09.2010, 6 K 2286/08, EFG 2011, S. 1311

Fundstelle  
BFH, Urteil vom 21.08.2012, VIII R 11/11, BStBl II 2013, S. 117

Weitere Fundstellen  
BFH, Urteil vom 26.01.2011, VIII R 19/08, BFH/NV 2011, S. 1311
BFH, Urteil vom 12.11.1964, IV 99/63 S, BStBl III 1965, S. 46
BFH, Urteil vom 31.01.1985, VI R 130/82, BStBl II 1985, S. 395
BFH, Urteil vom 09.12.1987, I R 1/85, BStBl II 1988, S. 463
BFH, Urteil vom 02.10.2003, IV R 13/03, BStBl II 2004, S. 985
BFH, Urteil vom 14.11.2007, XI R 37/06, BFH/NV 2008, S. 365

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