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23.06.2022
Unternehmensteuer

BFH: Grunderwerbsteuerlich relevante Verminderung des Anteils am Vermögen einer KG

Eine für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer schädliche Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt. Soweit der BFH bislang in Zusammenhang mit §§ 5 und 6 GrEStG begrifflich an die "dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen" angeknüpft hat, hält er hieran nicht mehr fest.

Sachverhalt

Am Vermögen einer KG war Z zu 100 % beteiligt. Im September 2008 erwarb die KG diverse Grundstücke von insgesamt zehn KGs, deren Kommanditanteile von den leiblichen Kindern des Z gehalten wurden. Die veräußernden KGs hatten den Grundbesitz in diesem Zeitpunkt über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren gehalten. Das Finanzamt stellt diese Erwerbsvorgänge zunächst nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei.

Im Dezember 2008 veräußerte Z 94 % seiner Kommanditanteile an der KG mit sofortiger Wirkung an E. Außerdem unterbreitete Z am selben Tag D ein bis zum 30.06.2014 für Z unwiderrufliches notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags über den ihm verbliebenen Kommanditanteil von 6 %. Außerdem trat Z seine Gewinn- und Verlustbeteiligung für die bei ihm verbliebenen 6 % bis zum 31.12.2013 an E ab.

Daraufhin versagte das Finanzamt rückwirkend vollständig die Steuerbefreiung für die Grundstückserwerbe aus September 2008 mit der Begründung, dass sich der Anteil des Z an der KG innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG um 100 % verringert habe. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG sei auch dann nicht einschränkend auszulegen, wenn der Rechtsakt, der die Anteilsminderung bewirke, seinerseits der Grunderwerbsteuer unterliege. Das sah auch das FG so.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Ansicht des FG zu dem Ergebnis, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG nicht vollständig, sondern nur in Höhe von 94 % rückwirkend nicht zu gewähren sei.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 3 Nr. 6 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind.

Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.
Gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG ist § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren (bis 30.06.2021; innerhalb von zehn Jahren ab 01.07.2021) nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert.

Anteil am Vermögen der Gesamthand

Als "Anteil am Vermögen der Gesamthand" i.S. der §§ 5 und 6 GrEStG ist nach der BFH-Rechtsprechung die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen anzusehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.02.2020, II R 9/17, BStBl. II 2020, S. 658).

Soweit der BFH auch nach dem Wandel der Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die Gesamthandschaft an deren Vermögen in Zusammenhang mit §§ 5 und 6 GrEStG begrifflich noch an die "dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen" angeknüpft hat (z.B. BFH-Urteil vom 17.12.2014, II R 24/13, BStBl. II 2015, S. 504), möchte er hieran nun nicht mehr festhalten.

Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG

Eine Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann nach dem BFH durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden. Die Anteilsminderung könne aber auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

Nachbehaltensfrist

Die Fünfjahresfrist (jetzt Zehnjahresfrist) nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG beginnt mit der Verwirklichung des begünstigten Erwerbsvorgangs, unabhängig von der Haltedauer der übertragenden Gesamthand oder deren Gesellschaftern, so der BFH. Über eine personenbezogene Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStG werde lediglich das Tatbestandsmerkmal "Gesamthänder" ersetzt. Die übrigen Voraussetzungen der Begünstigung, insbesondere die Haltefrist von fünf Jahren, seien auch von den in gerader Linie verwandten oder beschenkten Personen einzuhalten.

Ergebnis

Der BFH kommt daher zu dem Schluss, dass die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG lediglich aufgrund der Veräußerung der Kommanditanteile an E zu 94 % entfallen ist, nicht jedoch hinsichtlich des verbleibenden Anteils von 6%.

Weder das (für eine gewisse Zeit unwiderrufliche) Kaufangebot an D noch die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung an E noch beide Maßnahmen in einer Gesamtschau haben nach Ansicht des BFH zu einer Änderung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geführt. Durch das Kaufangebot sei das Risiko einer Wertminderung nicht auf D übergegangen. Die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung hatte nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin keine Auswirkung auf die Verteilung des Abwicklungsgewinns und des Reinvermögens. Auch nach Verschiebung der Gewinn- und Verlustzurechnung von Z an E betrug der Anteil des Z am Gesamthandsvermögen der Klägerin weiterhin 6 %.

Keine teleologische Reduktion

Ob die Verträge vom Dezember 2008 insgesamt den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklichten, kann nach Ansicht des BFH dahinstehen. Selbst dann bedürfe es keiner teleologischen einschränkenden Auslegung der Missbrauchsverhinderungsvorschriften. § 1 Abs. 2a GrEStG sieht ausdrücklich Regelungen für den Fall vor, dass die Nachbesteuerung nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG durch einen weiteren, nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang ausgelöst wird. Nach § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG (aktuell § 1 Abs. 2a S. 7 GrEStG) kommt es in dieser Konstellation bei dem weiteren steuerbaren Vorgang zu einer Anrechnung bei der Bemessungsgrundlage. Für eine darüberhinausgehende teleologische Reduktion, die diesen gesetzlichen Vorgaben widerspräche, sei kein Raum.

Betroffene Normen

§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG

Streitjahr 2008

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, 27.03.2019, 5 K 1953/16, EFG 2020, S. 1701

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.01.2022, II R 4/20, BStBl II, 2022, S. 521

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 05.02.2020, II R 9/17, BStBl. II 2020, S. 658

BFH, Urteil vom 17.12.2014, II R 24/13, BStBl. II 2015, S. 504

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