Zurück zur Übersicht
10.04.2012
Unternehmensteuer

BFH: Keine vGA bei konzernfremder Erstversicherung und Rückversicherung durch konzerneigene Versicherungsgesellschaft

Versicherungsbeiträge, die mittelbar über eine konzernfremde Erstversicherung (sog. Fronter) an eine konzerneigene Rückversicherungsgesellschaft (sog. Rückversicherungs-Captive) geleistet werden, stellen keine vGA dar, wenn es sich bei dem Fronter nicht um eine eigenwirtschaftlich funktionslose Kapitalgesellschaft handelt und für die Zwischenschaltung beachtliche wirtschaftliche Gründe vorliegen.

Sachverhalt

Streitig ist die steuerliche Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen, die mittelbar über einen konzernfremden Erstversicherer (sog. Fronter) an eine konzerneigene Rückversicherungsgesellschaft (sog. Rückversicherungs-Captive) geleistet werden.

Unternehmensgegenstand der Klägerin (GmbH) ist die Herstellung und der Vertrieb von Span- und Kunststoffplatten. Sie gehört neben weiteren in- und ausländischen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe an. Für die von der Unternehmensgruppe betriebenen Holzspanplattenwerke bestanden für das sog. FLEXA-Risiko (Feuer, Explosion, Blitz, Anprall von Flugzeugen und Flugkörpern) auf der Grundlage eines mit einem Versicherungskonsortium unter Führung der V-AG abgeschlossenen Rahmenvertrages verschiedene Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherungen. Aufgrund eines im Jahr 2001 in einem Werk der Unternehmensgruppe eingetretenen großen Schadensfalls war die V-AG nicht mehr bereit, die Versicherungsverträge zu den bisherigen Bedingungen fortzuführen. Versuche der Klägerin, auf dem internationalen Versicherungsmarkt Alternativangebote von anderen Versicherungsunternehmen für den Abschluss entsprechender Versicherungsverträge zu erhalten scheiterten.

Im Januar 2003 gründete eine nicht an der Klägerin beteiligte Gesellschaft der Unternehmensgruppe auf der Isle of Man eine private company limited by shares (K Ltd.). Nach den Feststellungen des Finanzamts verfügte die K Ltd. über keine eigenen Arbeitnehmer, sondern bediente sich im Wege eines Dienstleistungsvertrages fremden Personals. Im Februar 2003 erteilte die V-AG der Klägerin rückwirkend zum 01.01.2003 Versicherungspolicen.

Die K Ltd. schloss mit der V-AG einen Rückversicherungsvertrag, nach welchem sie für das Jahr 2003 für die von fünf Gesellschaften der Unternehmensgruppe (u.a. der Klägerin) betriebenen Werke das Rückversicherungsrisiko für die volle Deckungssumme der V-AG übernahm. Von der V-AG wurden die von den rückversicherten Gesellschaften entrichteten Beträge an die K Ltd. weitergeleitet. Die K Ltd. hatte nach den vertraglichen Regelungen eine Provision an die V-AG zu zahlen. Zudem war sie verpflichtet, der V-AG auf Verlangen ihren Jahresabschluss vorzulegen, begründete Rückfragen zur finanziellen Lage zu beantworten und die V-AG über von der K Ltd. selbst abgeschlossene Rückversicherungen zu informieren. Ferner hatte die K Ltd. nach den Vereinbarungen einen sog. "Letter of Credit" über 20 Mio. Euro (maximale Deckungssumme) bereitzustellen, damit im Schadensfall gewährleistet sei, dass sie ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen könne. Die K Ltd. selbst hat keine Rückversicherung abgeschlossen, um das von der V-AG übernommene Risiko weiter zu streuen.

Das Finanzamt vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Versicherungsverträge zwischen der Klägerin und der V-AG einerseits sowie der V-AG und der K Ltd. andererseits seien als Gesamtheit zu beurteilen. Es bestehe ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang, da der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der V-AG ohne den Rückversicherungsvertrag zwischen der V-AG und der K Ltd. nicht denkbar gewesen wäre. Bei wirtschaftlicher Betrachtung habe die V-AG damit das Versicherungsrisiko in vollem Umfang an die Unternehmensgruppe zurückgeben können. Folglich seien die Zahlungen mangels einer steuerlich anzuerkennenden Geschäftsbeziehung schon dem Grunde nach durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als vGA anzusehen. Ggf. sei das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO zu prüfen. Das Finanzamt behandelte die Prämienzahlungen an die V-AG daraufhin als vGA und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG Münster statt. Das Finanzamt ging gegen die Entscheidung in Revision.

Entscheidung

Die Revision des Finanzamtes ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die an die V-AG geleisteten Versicherungsprämien keine vGA sind.

Die an die V-AG entrichteten streitigen Versicherungsprämien beruhen auf dem Versicherungsvertrag, in dem sich die Klägerin zur Zahlung verpflichtet hat, und sind - zwischen den Beteiligten unstreitig - Betriebsausgaben. Allerdings schließt das nicht aus, dass die streitigen Versicherungsprämien als vGA angesehen werden können, die das Einkommen nicht mindern dürfen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2002) und die dem Gewinn deshalb außerbilanziell hinzuzurechnen sind.

Unter einer vGA bei einer Kapitalgesellschaft ist eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Der BFH hat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 16.03.1967, vom 03.05.2006, vom 08.10.2008 und vom 22.12.2010). Zudem muss der Vorgang geeignet sein, einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auszulösen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 07.08.2002 und vom 22.08.2007).

Die Prämienzahlungen der Klägerin an die V-AG begründen keine vGA. Eine vGA an einen Nichtgesellschafter ist regelmäßig nur dann möglich, wenn es sich um eine dem Gesellschafter nahestehende Person handelt, woran es jedoch im Streitfall fehlt. Es liegt eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der V-AG vor. Die V-AG ist mit der Klägerin weder gesellschaftsrechtlich verbunden noch als eine der Gesellschafterin der Klägerin nahestehende Person anzusehen. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Versicherungsprämien als an die K Ltd. und deren Anteilseigner geleistet anzusehen. Die zivilrechtliche Vertragslage ist auch steuerrechtlich anzuerkennen.

Darüber hinaus handelt es sich bei der V-AG nicht um eine eigenwirtschaftlich funktionslose Kapitalgesellschaft. Die V-AG hat im Hinblick auf die mit der Klägerin abgeschlossenen Versicherungsverträge das uneingeschränkte Versicherungsrisiko getragen. Die Ansprüche der Klägerin richten sich damit im Schadensfall ausschließlich gegen die V-AG als einen der inländischen Versicherungsaufsicht unterliegenden Versicherer. Von einer lediglich formellen Zwischenschaltung der V-AG ausschließlich zu dem Zweck, eine konzerneigene Gesellschaft in einem bekannten Niedrigsteuergebiet mit Eigenkapital auszustatten und den Finanzierungsbeiträgen der Klägerin den Anschein der betrieblichen Abzugsfähigkeit in Form von vertraglich mit einem zwischengeschalteten Dritten vereinbarten Versicherungsverträgen zu geben, kann folglich keine Rede sein. Zudem bestanden im Streitfall für die Zwischenschaltung der V-AG auch beachtliche wirtschaftliche Gründe auf Seiten der Klägerin. So liegt der Hauptzweck der Zwischenschaltung der V-AG als Erstversicherer darin, dass die K Ltd. als sog. Rückversicherungs-Captive lediglich einer weitgehend eingeschränkten Versicherungsaufsicht am Captive-Standort, geringeren Anforderungen an die Kapitalisierung der Gesellschaft und deren Solvabilität unterliegt sowie einen wesentlich geringeren Gründungs- und Verwaltungsaufwand erfordert. Der Erstversicherer wird zudem die Rückversicherungs-Captive von der Schadensbearbeitung entlasten. Die Rückversicherungs-Captive kommt damit - wie im Streitfall - ohne eigens hierfür spezialisiertes Personal oder externe Beratung aus.

Die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung sind im Streitfall nicht einschlägig. Ein Rechtsmissbrauch nach § 42 AO liegt ebenfalls nicht vor.

Betroffene Norm

§ 8 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 KStG 2002; § 7 S. 1 GewStG
Streitjahr 2003

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.12.2010, 9 K 3692/08 K,G,F, EFG 2011, S. 1183

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15.02.2012, I R 19/11

Englische Zusammenfassung

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.