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11.05.2012
Unternehmensteuer

BFH: Rückausnahme der Stand-alone-Klausel der Zinsschranke verfassungsgemäß?

Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, sollen nicht von der Zinsschranke erfasst werden (Stand-alone-Klausel). Dies gilt jedoch nicht, wenn die kreditgewährenden Banken Rückgriff in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen nehmen können (§ 8a Abs. 2 3. Alternative KStG). Es ist zweifelhaft, ob diese Rückausnahme verfassungsgemäß ist, soweit nicht nur Umgehungsgestaltungen erfasst werden, bei denen die Gefahr einer Verlagerung von Steuersubstrat besteht, sondern auch Zinsaufwendungen für übliche, lediglich durch Bürgschaften gesicherte Bankdarlehen.

Sachverhalt

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Immobiliengesellschaft in der Rechtsform einer AG. X und die Y-GmbH waren mit jeweils 50 % an der AG beteiligt. Z war zu 25 % unmittelbar und mittelbar an der Y-GmbH beteiligt. Die Antragstellerin war kein verbundenes Unternehmen i.S. des § 271 Abs. 2 HGB und wurde nicht in den Konzernabschluss der Y-GmbH einbezogen. Sie war in den Streitjahren 2008 bis 2010 Eigentümerin von fünf Immobilienobjekten, deren Erwerb sie zum überwiegenden Teil fremdfinanzierte. Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen durch Bankkredite und auch die Y-GmbH stellte nachrangige Gesellschafterdarlehen zur Verfügung. Die Y-GmbH trat mit ihren Rückzahlungs- und Zinsansprüchen im Rang hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurück. Ferner verbürgten sich der unmittelbare Gesellschafter X und der mittelbare Gesellschafter Z anteilig für die Verbindlichkeiten der Antragstellerin. Aufgrund der Bürgschaften können die Banken auf X und Z Rückgriff nehmen in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen.

Im Jahr 2008 betrugen die Zinserträge 38.617 Euro, die Zinsaufwendungen beliefen sich auf 5.436.312,48 Euro (5.048.609,44 Euro Bankzinsen und 387.703,04 Euro Zinsen für Gesellschafterdarlehen). Das Finanzamt ließ von den Zinsaufwendungen nur einen Betrag von 1.400.381 Euro zum Abzug zu und stellte den Differenzbetrag als Zinsvortrag fest. 2009 verbuchte die Antragstellerin einen Zinsaufwand von 5.966.572,75 Euro (5.523.432,75 Euro Bankzinsen und 443.090 Euro Zinsen für Gesellschafterdarlehen). Die Zinserträge lagen bei 23.944,36 Euro. Das Finanzamt ließ den Zinsaufwand anteilig in Höhe von 2.730.240 Euro zum Abzug zu. Für das Jahr 2010 wurden von den Zinsaufwendungen in Höhe von 6.386.694 Euro 24.467 Euro aufgrund der erwirtschafteten Zinserträge und darüber hinaus nur weitere 2.941.447 Euro als Betriebsausgaben abgezogen.

Über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche ist bislang nicht entschieden worden. Finanzamt und FG hatten eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt.

Entscheidung

Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist es ernstlich zweifelhaft, ob es rechtmäßig ist, dass das Finanzamt die von der Antragstellerin gezahlten Schuldzinsen unter Hinweis auf die sog. Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben der jeweiligen Streitjahre zum Abzug zuließ. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2009. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 ist teilweise auszusetzen.

Zinsaufwendungen eines Betriebs sind nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar (Zinsschranke, § 8a Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 S. 1 EStG). Danach verbleibende - nicht abziehbare - Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 S. 2 EStG). Die Zinsschranke ist nicht anzuwenden, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (Stand-alone-Klausel, § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG). Dies gilt jedoch nur, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahestehende Person oder einen Dritten, der auf einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft betragen und die Körperschaft dies nachweist (§ 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG i.V.m. § 8a Abs. 2 KStG). Im Streitfall betragen die Zinsen auf Gesellschafterdarlehen allein zwar nicht mehr als 10 % der den Zinsertrag übersteigenden Zinsaufwendungen. Zwischen den Beteiligten ist jedoch unstreitig, dass die kreditgewährenden Banken aufgrund der Bürgschaften auf X und Z in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen Rückgriff nehmen können. Die Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 KStG in dessen 3. Alternative sind damit erfüllt. Der Senat hat jedoch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einschränkung der sog. Stand-alone-Klausel durch § 8a Abs. 2 KStG in dieser 3. Regelungsalternative.

Mit den Regelungen zur Zinsschranke soll der vollständige Abzug betrieblicher Zinsaufwendungen verhindert werden, um konzerninternen Fremdkapitalfinanzierungen mit dem Ziel der Gewinnverlagerung ins Ausland zu begegnen. Die sog. Stand-alone-Klausel soll dabei zum Ausdruck bringen, dass Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, nicht von der Zinsschranke erfasst werden. Ob die Zinsschranke bereits grundsätzlich verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kann im Streitfall dahinstehen. Bei summarischer Prüfung erscheint es fraglich, ob ausgehend vom Gesetzeszweck die Rückausnahme des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG sachlich gerechtfertigt werden kann. Durch die weite Formulierung dieser Vorschrift könnten die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Typisierung überschritten worden sein. § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG ist nicht auf den Fall der sog. Back-to-back-Finanzierung - der im Streitfall nicht vorliegt - beschränkt, sondern erfasst auch die Fälle, in denen eine Bank ein Darlehen gewährt, hierfür aber eine Bürgschaft oder eine anderweitige Sicherheit eines Gesellschafters oder einer nahestehenden Person verlangt, obwohl es sich hierbei grundsätzlich nicht um eine auf Gewinnverlagerung gerichtete Finanzierungsgestaltung zwischen der Körperschaft und ihrem Anteilseigner handelt. Die Bürgschaft oder Sicherheit ist in der Regel allein erforderlich, damit die Gesellschaft das Darlehen erhält. Damit hat § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG aber nicht nur einen überschießenden Anwendungsbereich, sondern führt gerade im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu unverhältnismäßigen Belastungswirkungen.

Entgegen der Auffassung des FG kann die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung im Streitfall nicht wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung abgelehnt werden. Die allein durch die Zinsschranke eintretende Steuerbelastung von über 1,1 Mio. Euro begründet auch ohne konkrete Existenzgefährdung ein Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, das im Streitfall das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung überwiegt.

Betroffene Norm

§ 4h EStG, § 8a KStG, § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG
Streitjahre 2008 bis 2010

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 01.01.2011, 7 V 822/11, EFG 2011, S. 1830, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 13.03.2012, I B 111/11

Englische Zusammenfassung

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