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17.05.2013
Unternehmensteuer

BFH: Rückstellungen für Kostenüberdeckungen eines kommunalen Zweckverbandes

Ist eine sog. Kostenüberdeckung nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften in der folgenden Kalkulationsperiode auszugleichen, liegt eine rückstellungsfähige ungewisse Verbindlichkeit vor. Dem steht auch nicht das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG entgegen. Denn dieses setzt voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers nur auf künftiges Vermögen – und nicht auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen – des Schuldners bezieht.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Zweckverband verschiedener Städte und Gemeinden in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Seine Aufgabe ist die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in seinem Verbandsgebiet. Hierfür erhebt er Gebühren, bei deren Bemessung die Kosten nach § 10 Abs. 2 SächsKAG in einem mehrjährigen, höchstens fünf Jahre umfassenden Zeitraum berücksichtigt werden können. Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraumes ergeben, sind innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Für die Streitjahre 2003 bis 2006 ergaben sich beim Kläger Kostenüberdeckungen, für die er in den betreffenden Jahren Rückstellungen auswies. Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen nicht an. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen zur Bildung von Rückstellungen für die Kostenüberdeckungen nicht erfüllt sind.

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind zu bilden (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB), sofern eine dem Betrag nach ungewisse Verbindlichkeit dem Grunde nach besteht oder es hinreichend wahrscheinlich ist, dass eine (ggf. auch ihrer Höhe nach ungewisse) Verbindlichkeit künftig entsteht. Darüber hinaus muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme gerechnet werden können.

Demnach hat der Kläger dem Grunde nach zu Recht Rückstellungen für die Kostenüberdeckungen gebildet. Er ist gehalten, auf Grundlage des sog. Kostendeckungsprinzips zu kalkulieren und eine sog. Kostenüberdeckung auszugleichen (§ 10 Abs. 2 S. 2 1. HS SächsKAG). Zwar wird keine (Außen-)Verpflichtung des Klägers gegenüber den Kunden der jeweiligen Kalkulationsperiode auf Herausgabe des der Kostenüberdeckung entsprechenden anteiligen Entgelts begründet. Denn eine (Einzel-)Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzer ist ausgeschlossen. Es bestand aber eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung des Klägers kraft öffentlichen Rechts.

Die Bildung einer Rückstellung für eine aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen begründete Verpflichtung setzt voraus, dass diese hinreichend konkretisiert ist, d.h. die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraums abzielen. Zudem ist erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, sodass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall gegeben. Der Kläger muss sich als Körperschaft öffentlichen Rechts der Ausgleichspflicht des § 10 Abs. 2 S. 2 1. HS SächsKAG fügen und kann sich dem nicht entziehen. Insbesondere ist dabei auf die Klagemöglichkeiten einzelner Abnehmer, die aufsichtsbehördliche Kontrolle und die bei einem Verstoß in Aussicht stehenden Sanktionen sowie eine möglichen Amtshaftung hinzuweisen.

Dem einkommensmindernden Ansatz der Kostenüberdeckungen steht auch § 5 Abs. 2a EStG, wonach eine nur bei Anfall von künftigen Einnahmen oder Gewinnen zu erfüllende Verpflichtung erst bei Anfall dieser Einnahmen oder Gewinne anzusetzen ist, nicht entgegen. Zwar wird die Pflicht zum Ausgleich einer Kostenüberdeckung vom Regelungswortlaut erfasst. Jedoch liegt nach den konkreten Umständen des Streitfalls gleichwohl eine die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG ausschließende Belastung des gegenwärtigen Vermögens vor (vgl. dazu BT-Drucks. 14/2070, S. 18). Die für den Kläger unausweichliche Pflicht zur Gebührenermäßigung in der folgenden Kalkulationsperiode ist ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach eine bloße Modalität der Erfüllung der unbedingt und uneingeschränkt bestehenden Schuld. Denn der Betrieb, der die zukünftigen Einnahmen/Gewinne erwirtschaftet (hier: die Tätigkeit als Unternehmen der Wasserversorgung), wird aus der Sicht des Bilanzstichtags mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Dauer der Ausgleichsperiode aufrechterhalten, wodurch die Erfüllung der Ausgleichsverpflichtung realisiert wird. Somit bestehen an einer aktuellen wirtschaftlichen Belastung des Vermögens des Klägers als Schuldner, die auch ein gedachter Erwerber bei einer Kaufpreisbemessung berücksichtigt hätte, keine begründeten Zweifel.

Betroffene Norm   
§ 5 Abs. 1, § 5 Abs. 2a EStG, § 249 Abs. 1 S. 1 HGB, § 10 Abs. 1, 2 SächsKAG
Streitjahre 2003 bis 2006

Vorinstanz
Finanzgericht Sachsen, Urteil vom 10.08.2011, 1 K 1487/07, EFG 2012, S. 820, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle  
BFH, Urteil vom 06.02.2013, I R 62/11

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