Zurück zur Übersicht
02.11.2010
Unternehmensteuer

BFH: Rückwirkende finanzielle Eingliederung

Aktuell: Mit vier Urteilen (siehe unter Fundstellen) vom 11.07.2023 hat der BFH seine Rechtsprechung zur sogenannten Fußstapfentheorie bei rückwirkender finanzieller Eingliederung in Organschaftsfällen fortgeführt.
                                                                                                                                

Eine rückwirkende Ausgliederung eines Teilbetriebs mit anschließender rückwirkender Anteilseinbringung kann die rückwirkende finanzielle Eingliederung von Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an begründen, da das UmwStG die Gesamtrechtsnachfolge der übernehmenden Gesellschaft in die Position der übertragenden Gesellschaft anordnet (sog. Fußstapfentheorie, UmwStG 1995).

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine durch Vertrag vom 16.04.2004 durch Ausgliederung zweier Teilbetriebe zur Neugründung aus der R-GmbH hervorgegangene GmbH. Die Ausgliederung erfolgte mit Wirkung zum 01.01.2004. Die R-GmbH war zunächst Alleingesellschafterin der Klägerin und hielt darüber hinaus sämtliche Anteile an der B-GmbH. Mit Gesellschafterbeschluss vom 16.04.2004 brachte die R-GmbH ihre 100%-Beteiligung an der Klägerin in die B-GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.2004 ein. Ebenfalls am 16.04.2004 schlossen die Klägerin und die B-GmbH einen Gewinnabführungsvertrag, der am 25.10.2004 ins Handelsregister eingetragen wurde. Das Finanzamt erkannte die für das Streitjahr 2004 erklärte körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH nicht an. Es bezog sich auf das BMF-Schreiben vom 26.08.2003 (BStBl I 2003, S. 437 Tz. 12) und ging davon aus, dass die erforderliche finanzielle Eingliederung fehle.

Entscheidung

Die organschaftlichen Eingliederungsvoraussetzungen und damit das körperschaftsteuerrechtliche Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der B-GmbH bestanden bereits am 01.01.2004. Dies wird damit begründet, dass im Falle der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995). Das gilt für jegliche Gewinnermittlungsvorschriften und damit auch (vgl. § 15 KStG 2002) für die körperschaftsteuerlichen Organschaftsvoraussetzungen: Die Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft ist möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt. Sind diese Voraussetzungen bei der übertragenden Körperschaft (hier: der R-GmbH) erfüllt, setzt sich dies für die übernehmende Körperschaft (hier: die B-GmbH als nunmehriger Organträgerin) fort. Das betrifft auch und gerade den im Streitfall in Rede stehenden Übergang eines Teilbetriebes der Überträgerin auf eine neu gegründete Tochter-Kapitalgesellschaft durch Abspaltung oder Ausgliederung. Das übergehende Vermögen war hier bereits vor der Umwandlung in die Überträgerin (R-GmbH) eingegliedert, ohne dass es auf die Frage danach, ob die einzelnen Organschaftsvoraussetzungen - hier diejenige der finanziellen Eingliederung - bei isolierter Betrachtung einer Rückwirkung zugänglich sind, noch ankäme. Insbesondere bedarf es keiner Begründung eines Organschaftsverhältnisses zur übertragenden Gesellschaft. Die Rechtsnachfolge der übernehmenden Körperschaft in die Position der übertragenden Körperschaft ist vielmehr eine umfassende (sog. Fußstapfentheorie).

Es trifft zwar zu, dass die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft eine systematische Durchbrechung des steuerlichen Subjektprinzips darstellt und deswegen von besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen abhängt. Indem das Umwandlungssteuerrecht für seinen Regelungsbereich jedoch eine letztlich vorbehaltlose Rechtsnachfolge in die Position des Rechtsvorgängers gewährt, wird diese Durchbrechung und werden deren Voraussetzungen einbezogen. Dadurch, dass Umwandlungen in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorgaben und abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten zudem auch steuerlich prinzipiell rückwirkend beschlossen werden können, wird dies bestärkt. Auch, dass die Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG 1995 beim Anteilstausch seit der Novellierung des UmwStG durch das SEStEG (vom 07.12.2006, BGBl I 2006, S. 2782, BStBl I 2007, S. 4) gänzlich ausgeschlossen ist (vgl. § 21 UmwStG 2006), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es handelt sich hierbei um eine konstitutive Neuregelung, die im Streitjahr noch nicht galt.

Betroffene Norm

§ 20 Abs. 7 und 8 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 des UmwStG 1995
Streitjahr 2004

Vorinstanz

Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.08.2009, 6 K 2295/06, EFG 2010, S. 1160

Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 89/09, BStBl II 2011, S. 528 

Fortentwicklung der Fußstapfentheorie in folgenden Urteilen:

BFH, Urteil vom 11.07.2023, I R 21/20, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteile vom 11.07.2023, I R 36/20 und I R 45/20, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 11.07.2023, I R 40/20, siehe Deloitte Tax-News 

Weitere Fundstellen

Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.06.2010, 13 K 416/10; siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

Englische Zusammenfassung

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.