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14.06.2012
Unternehmensteuer

BFH: Schuldzinsenabzug bei auf ein Kontokorrentkonto ausgezahltem Investitionsdarlehen

Ob Schuldzinsen (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG) für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto bezahlten Investitionen mit den aufgenommenen Darlehen finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der Unternehmer den Zusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter im Einzelfall nachweisen. Auch Kontokorrentzinsen, die durch die Finanzierung von Anlagevermögen entstehen, sind unbegrenzt abziehbar sind. Die Aufnahme eines gesonderten Darlehens ist nicht erforderlich (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005).

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine KG. Im Rahmen einer für die Jahre 2000 bis 2002 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Klägerin in den Jahren 2001 und 2002 bei der Sparkasse D drei Darlehen aus KfW-Mittelstandsprogrammen aufgenommen hatte. Die für die Darlehen im Streitjahr 2002 aufgewendeten Schuldzinsen waren als Betriebsausgaben verbucht worden. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Darlehen nicht als nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG begünstigte Investitionsdarlehen zu behandeln seien, da der in Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 22.05.2000 geforderte enge zeitliche und betragsmäßige Zusammenhang mit Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht festgestellt werden könne. Die Darlehensmittel seien auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse D ausgezahlt und für laufende Betriebsmittel verbraucht worden. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung

Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen keine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin entstandene Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG privilegiert sind.

Schuldzinsen sind als Betriebsausgaben nur abziehbar, wenn sie betrieblich veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG) und ihr Abzug nicht im Hinblick auf Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a EStG) eingeschränkt ist (z.B. BFH-Urteil vom 03.03.2011). Eine Ausnahme von der Abzugsbeschränkung besteht lediglich für Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG). Ihr Abzug ist unbeschränkt möglich.

Betriebliche Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sollen durch die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a EStG nicht behindert werden (vgl. BFH-Urteil vom 23.03.2011). Privilegiert wird damit nicht die Aufnahme des - ggf. auch zweckgebundenen - Darlehens, sondern erst die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel für die begünstigte Investition. Auf die Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers oder eine der Darlehensvereinbarung zu Grunde liegende Zweckbindung des Darlehens kommt es demgegenüber nicht an.

Die Feststellung, wofür ein Darlehen im Einzelfall tatsächlich verwendet wurde, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs als Voraussetzung für die steuermindernde Berücksichtigung der geltend gemachten Schuldzinsen trifft den Steuerpflichtigen.

Im vorliegenden Fall wurden die Darlehensmittel aus den drei KfW-Darlehen nicht auf ein gesondertes Konto, auf das bis zu ihrem vollständigen Verbrauch keine weiteren Zahlungseingänge erfolgt sind, sondern auf das Kontokorrentkonto der Klägerin bei der Sparkasse D überwiesen.

Werden Darlehensmittel zunächst auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem sodann die Anlagegüter bezahlt werden, oder wird zunächst das Kontokorrentkonto belastet und anschließend eine Umschuldung in ein langfristiges Darlehen vorgenommen, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Finanzierungszusammenhang zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur angenommen werden, wenn ein enger zeitlicher und betragsmäßiger Zusammenhang zwischen der Belastung auf dem Kontokorrentkonto und der Darlehensaufnahme besteht. Einen engen zeitlichen Zusammenhang nimmt die Finanzverwaltung dabei nur an, wenn zwischen der Überweisung der Darlehensmittel auf das Konto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Zeitraum von nicht mehr als 30 Tagen liegt. Der Nachweis hierfür ist vom Steuerpflichtigen zu erbringen (Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005).

Dem schließt sich der BFH grundsätzlich an. Beträgt der entsprechende Zeitraum mehr als 30 Tage, bleibt dem Steuerpflichtigen nach Ansicht des BFH jedoch die Möglichkeit, den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel auf ein Kontokorrentkonto und Bezahlung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Einzelfall nachzuweisen.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Der BFH kann mangels Spruchreife jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden. Denn das FG hat, ausgehend von seiner materiellen Sicht, bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin innerhalb der Frist von 30 Tagen vor bzw. nach Auszahlung der jeweiligen Darlehensmittel aus den streitigen KfW-Darlehen auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse D von diesem Konto Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bezahlt hat. Soweit entsprechende Belastungen des Kontokorrentkontos gegeben sind, gelten die Darlehensmittel nach den oben genannten Grundsätzen als tatsächlich zur Finanzierung dieser Kosten verwendet. In entsprechendem Umfang sind die auf die KfW-Darlehen entfallenden Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG von der Abzugsbeschränkung ausgenommen.

Nach Ansicht des BFH setzt der unbegrenzte Schuldzinsenabzug (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG) nicht voraus, dass ein gesondertes Darlehen aufgenommen wird. Die Vorschrift findet vielmehr ebenso Anwendung, wenn die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens über ein Kontokorrentkonto finanziert wird und dadurch auf diesem ein negativer Saldo entsteht oder sich erhöht (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005). Die für ein solches Konto anfallenden betrieblichen Kontokorrentzinsen sind entsprechend der für die Zuordnung von Zinsen zur Erwerbs- bzw. Privatsphäre entwickelten Grundsätze auf die Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einerseits und auf die Finanzierung von sonstigem betrieblichem Aufwand andererseits aufzuteilen. Die Aufteilung ist deshalb nach der Zinszahlenstaffelmethode bzw. ggf. durch Schätzung vorzunehmen (vgl. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 04.07.1990).

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG
Streitjahr 2002

Vorinstanz

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.04.2008, 3 K 2153/05, EFG 2008, S. 1270

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.02.2012, IV R 19/08, BStBl II 2013, S. 151 

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 17.11.2005, BStBl I 2005, S. 1019
BMF, Schreiben vom 22.05.2000, BStBl I 2000, S. 588, i.d.F. des BMF-Schreibens vom 28.03.2001, BStBl I 2001, S. 245
BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 53/07, BStBl II 2011, S. 688, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 23.03.2011, X R 28/09, BStBl II 2011, S. 753, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss des Großen Senats vom 04.07.1990, GrS 2-3/88, BStBl II 1990, S. 817

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