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31.10.2012
Unternehmensteuer

BFH: Siebenjährige Sperrfrist bei einbringungsgeborenen Anteilen

Den Wirkungen der Steuerverstrickung einbringungsgeborener Anteile (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002) sollte mit der Einführung der siebenjährigen Sperrfrist (§ 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG 2002) eine zeitliche Grenze gesetzt werden. Diese Sperrfrist begann im Hinblick auf die aus einer (ersten) Einbringung resultierende Steuerverstrickung von Kapitalgesellschaftsanteilen nicht erneut zu laufen, wenn der Gesellschafter innerhalb der Frist eine weitere Sacheinlage zu einem Wert unterhalb des Teilwerts erbracht hat oder wenn die Anteile zusammengelegt bzw. geteilt worden sind. Vielmehr ist bei einer Anteilsveräußerung nach Ablauf der (ersten) Sperrfrist die aus dem ersten Einbringungsvorgang resultierende Steuerverstrickung bei der Bemessung des zu versteuernden Veräußerungsgewinns herauszurechnen.

Sachverhalt
Streitpunkt ist, inwiefern die Klägerin Gewinne aus dem Verkauf bzw. aus der Einbringung von einbringungsgeborenen Anteilen versteuern muss.

E war Alleingesellschafterin der G-GmbH, die Komplementärin der G-KG war. Außerdem war E Kommanditist der G-KG. Am 27.06.1991 erhöhte E das Stammkapital der G-GmbH und erbrachte die Einlage auf den neuen Anteil im Wege der Einbringung eines Teils ihrer Kommanditeinlage an der G-KG. Nicht mit eingebracht wurde die zum Sonderbetriebsvermögen der E bei der G-KG gehörenden Beteiligung an der G-GmbH. Die G-GmbH setzte den eingebrachten Mitunternehmeranteil zu einem Zwischenwert an. In 1998 wurde die Klägerin Alleinerbin der E.

Mit Beschluss vom 12.01.1999 wurde das Stammkapital der G-GmbH erhöht. Die neue Stammeinlage leistete die Klägerin durch Einbringung der verbliebenen Kommanditbeteiligung an der G-KG. Damit bestand nur noch die G-GmbH, die den Betrieb der G-KG fortführte. Die Klägerin hielt alle Anteile an der G-GmbH.

In 2002 wurden die drei Geschäftsanteile der E an der G-GmbH zusammengelegt bzw. geteilt, sodass nunmehr zwei Geschäftsanteile entstanden. Mit (wirtschaftlicher) Rückwirkung zum 01.01.2002 verkaufte die Klägerin den einen Anteil an der G-GmbH an die S-AG. Den verbliebenen Anteil an der G-GmbH brachte die Klägerin wirtschaftlich ebenfalls mit Rückwirkung zum 01.01.2002 als Sacheinlage gegen Ausgabe neuer Aktien an der S-AG in diese ein. Danach war die S-AG alleinige Anteilseignerin der G-GmbH. Sie setzte den eingebrachten Anteil in ihrer Bilanz mit einem Zwischenwert an.

Die Klägerin erklärte im Streitjahr 2002 nur den Gewinn aus dem Verkauf des Anteils an der G-GmbH als steuerpflichtig. Nach Durchführung einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, nicht nur der Gewinn aus dem Verkauf des Anteils, sondern auch der Gewinn aus der Einbringung des Anteils an der G-GmbH sei steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG 2002 sei nicht anwendbar, weil die eingebrachten Anteile einbringungsgeboren gewesen seien (§ 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG 2002). Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung
Das Urteil wird aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwiesen. Um beurteilen zu können, in welchem konkreten Umfang die Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf des Geschäftsanteils an der G-GmbH und aus der Einbringung des Anteils zu versteuern sind, bedarf es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts.

Einbringungsgeborene Anteile sind Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002). Sacheinlage ist die Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft gegen den Erhalt neuer Anteile an Letzterer (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002). Nach diesen Maßgaben waren sowohl der an die S-AG verkaufte Geschäftsanteil als auch der in die S-AG eingebrachte Geschäftsanteil einbringungsgeboren.

Der aus der Kapitalerhöhung vom 27.06.1991 neu hervorgegangene Geschäftsanteil der E an der G-GmbH war einbringungsgeboren. E hat den Anteil gegen die Einbringung eines Teils ihrer mitunternehmerischen Beteiligung an der G-KG erworben, worin eine Sacheinlage i.S. von § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002 zu sehen ist. Mitunternehmeranteil im Sinne dieser Vorschrift kann auch der Teil eines Mitunternehmeranteils sein (BFH-Urteil vom 25.08.2010). Des Weiteren erfolgte die Einbringung zu einem Zwischenwert, d.h. zu einem Betrag unterhalb des Teilwerts. Der Annahme einer Sacheinlage steht nicht entgegen, dass zum Sonderbetriebsvermögen der E bei der G-KG auch ihre Beteiligung an deren Komplementärin - der G-GmbH - gehört hat und dass E diese Beteiligung nicht mit in die G-GmbH eingebracht hat.

Zwar greift § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002 nur ein, wenn die Einbringung sich auf alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des eingebrachten Mitunternehmeranteils erstreckt (BFH-Urteile vom 25.11.2009 und vom 16.12.2009). Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Komplementär-GmbH zugleich die Zielgesellschaft der Einbringung ist und E folglich eigene Geschäftsanteile in die G-GmbH hätte einbringen müssen, um die von ihr erstrebte Einbringung des Mitunternehmeranteils zu einem Zwischenwert zu erreichen. Da der Erwerb eigener Anteile durch eine GmbH gesellschaftsrechtlich nur eingeschränkt möglich ist und der Einbringende dafür als Gegenleistung neue Anteile an der Kapitalgesellschaft erhalten würde, ist in dieser Konstellation eine Einbringung des Mitunternehmeranteils zu einem Wert unterhalb des Teilwerts auch ohne gleichzeitige Einbringung des Komplementär-Anteils möglich (Anschluss an BFH-Urteile vom 24.10.2000 und vom 11.12.2001 unter Geltung des UmwStG 1977/1995/2002; Bestätigung der BMF-Schreiben vom 16.06.1978, Tz. 48 und vom 25.03.1998, Tz. 20.11).

Die Steuerverstrickung des im Zuge der Kapitalerhöhung vom 27.06.1991 neu entstandenen Geschäftsanteils hat dazu geführt, dass nachträglich auch die zurückbehaltene Beteiligung an der G-GmbH (Alt-Geschäftsanteil) steuerverstrickt worden ist (Fortentwicklung der BFH-Urteile vom 08.04.1992 und vom 28.11.2007). Einbringungsgeboren war des Weiteren der infolge der Kapitalerhöhung vom 12.01.1999 entstandene - dritte - Geschäftsanteil. Denn die Klägerin hat den Anteil für die Einbringung des verbliebenen Mitunternehmeranteils an der G-KG zum Buchwert erhalten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich nicht nur bei dem Verkauf des einen GmbH-Anteils an die S-AG, sondern auch bei der Einbringung des anderen GmbH-Anteils in die S-AG gegen Gewährung neuer Aktien um eine "Veräußerung" (§ 21 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002). Soweit mithin die S-AG den eingebrachten Geschäftsanteil mit einem Wert oberhalb des Buchwerts angesetzt hat, ist der Differenzbetrag als Veräußerungsgewinn der Klägerin zunächst steuerpflichtig. Grundsätzlich bleiben im Streitjahr jedoch bei der Ermittlung des Einkommens die Gewinne aus den von der Klägerin veräußerten Geschäftsanteilen an der G-GmbH außer Ansatz (§ 8b Abs. 2 S. 1 KStG 2002). Diesen Grundsatz der Steuerfreiheit einschränkend bestimmt § 8b Abs. 4 S. 1 KStG 2002 indes, dass § 8b Abs. 2 KStG 2002 nur anzuwenden ist, soweit die Anteile nicht einbringungsgeboren (§ 21 UmwStG 2002) sind. Nach dieser Ausnahmeregelung wären die Veräußerungsgewinne im Streitfall folglich steuerpflichtig, da es sich bei den beiden an die S-AG veräußerten Geschäftsanteilen um einbringungsgeborene Anteile handelt. Jedoch wird die Ausnahmeregelung ihrerseits durch die Rückausnahmeregelungen (§ 8b Abs. 4 S. 2 KStG 2002) eingeschränkt. Sie gilt danach nämlich nicht (d.h. die Gewinne bleiben doch steuerfrei), wenn die Veräußerung der Geschäftsanteile später als sieben Jahre nach der Einbringung stattfindet.

Die Rückausnahme ist im Streitfall einschlägig, soweit es die auf der Einbringung im Rahmen der Kapitalerhöhung vom 27.06.1991 beruhende Einbringungsgeborenheit der veräußerten Geschäftsanteile betrifft. Denn die Veräußerung der Anteile im September 2002 erfolgte später als sieben Jahre nach dieser Einbringung. Deshalb muss die darauf beruhende (originäre und derivative) Einbringungsgeborenheit bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne "herausgerechnet" werden. Diese Einbringungsgeborenheit darf auch insoweit nicht berücksichtigt werden, als im Zuge der späteren Einbringung vom 12.01.1999 stille Reserven der beiden Altanteile auf den neuen Anteil übergegangen sein sollten. Ebenso wenig hat die Zusammenlegung und Teilung der GmbH-Anteile in 2002 dazu geführt, dass eine neue Sieben-Jahres-Frist begonnen hat.

Soweit das Finanzamt und offenbar auch das FG demgegenüber der Auffassung sind, der spätere Einbringungsvorgang habe im Hinblick auf die in dem zuerst eingebrachten Mitunternehmeranteil ruhenden stillen Reserven eine neue siebenjährige Sperrfrist in Gang gesetzt, folgt der BFH dem nicht. Mit der Einführung der siebenjährigen Sperrfrist wollte der Gesetzgeber ersichtlich den Wirkungen der Steuerverstrickung einbringungsgeborener Anteile eine zeitliche Grenze setzen. Eine plausible Begründung dafür, dass sich diese zeitliche Grenze verlängern sollte, wenn der Gesellschafter innerhalb der Sperrfrist eine weitere Sacheinlage vornimmt, vermag der BFH nicht zu erkennen.

Die Einbringung im Rahmen der Kapitalerhöhung vom 12.01.1999 erfolgte hingegen innerhalb der Sieben-Jahres-Frist, so dass die Rückausnahme des § 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG 2002 insoweit nicht greift und die auf dieser Einbringung beruhende Einbringungsgeborenheit der veräußerten Geschäftsanteile zu berücksichtigen ist. Das gilt auch im Hinblick auf den etwaigen Übergang von in dem zuletzt eingebrachten Mitunternehmeranteil ruhenden stillen Reserven auf die damaligen Altanteile.

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Da die Gewinne aus dem Verkauf bzw. der Einbringung der beiden Geschäftsanteile an der G-GmbH vom 27.09.2002 nur insoweit zu versteuern sind, als sie auf der Realisierung der stillen Reserven des im Zuge der Kapitalerhöhung vom 12.01.1999 eingebrachten Mitunternehmeranteils beruhen, bedarf es zur Bestimmung des genauen Umfangs der Steuerpflicht noch tatsächlicher Feststellungen dazu, in welcher Relation die durch den Einbringungsvorgang vom Januar 1999 zugeführten stillen Reserven zu den bereits vorher im Betriebsvermögen der G-GmbH vorhandenen stillen Reserven gestanden haben.

Betroffene Norm
§ 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG 2002, § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG 2002
Streitjahr 2002

Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.07.2010, 9 K 3143/09 K,G, EFG 2011, S. 288

Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.07.2012, I R 88/10, BStBl II 2013, S. 94 

Weitere Fundstellen
BFH-Urteil vom 25.08.2010, I R 21/10, BFH/NV 2011, S. 258
BFH, Urteil vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl II 2010, S. 471, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.12.2009, I R 97/08, BStBl II 2010, S. 808, siehe Deloitte Tax-News
BMF-Schreiben vom 16.06.1978, BStBl I 1978, S. 235
BMF-Schreiben vom 25.03.1998, BStBl I 1998, S. 268
BFH-Urteil vom 08.04.1992, I R 128/88, BStBl II 1992, S. 761
BFH-Urteil vom 28.11.2007, I R 34/07, BStBl II 2008, S. 533

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